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Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679.

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An den Leser.

Höchlich ist es zu bejammern/ daß der irrdi-
sche Mensche durch den leydigen Fall Adams
unter andern ihne befallenen Gebrechen nicht al-
lein an dem innerlichen Erkandnis verfinstert/
sondern auch an seinem Gesichte solchen Man-
gel und Abgang empfindet/ daß er an keinem ei-
nigen Geschöpffe/ das in der Lufft/ auf dem
Erd-Boden/ oder in dem Wasser zu schauen/ be-
weglich- und unbewegliche/ des Allmächtigen
Schöpffers unaussprechlich-geschaffene Weis-
heit weder am gantzen erkennen/ noch an dessen
verscheidenen Theilen warhafftig kan beaugen/
sondern dieselbe ingesammt anders nicht/ als ob
sie etwas Dunckelheit umgeben/ ihme vorkom-
men/ daß er die höchst-verwunderliche Aus-Ar-
beitung der mancherley unzähligen Zierden/ wo-
mit der geschaffene und alle Ding formierende
Geist/ die Natur/ solch ihre Aus-Geburten und
Kinder schmücket und bekleidet/ und dem durch
das Mysterium iniquitatis, (wie Paulus redet/)
gleichsam bezauberten Menschen/ zu mehrer
Aufmunterung (in solch seiner Schlaff-sucht/)
und Erweckung Göttlichen Lobs/ vorstellet/ sol-
te verscheidenlich können sehen/ bemercken/ und
gründ ich unterscheiden; dahero auch die ferne-
re Ausbreit- und Erkundigung natürlicher Wis-
senschafften hierunter gewißlich sehr gehemmet
worden sind/ daß viele sonsten hoch-gelehrte Leu-
te ihre Philosophiam öffters nur auf ein blosses
Errathen gründen müssen/ da jetzund viel ver-

bor-
An den Leſer.

Höchlich iſt es zu bejammern/ daß der irꝛdi-
ſche Menſche durch den leydigen Fall Adams
unter andern ihne befallenen Gebrechen nicht al-
lein an dem innerlichen Erkandnis verfinſtert/
ſondern auch an ſeinem Geſichte ſolchen Man-
gel und Abgang empfindet/ daß er an keinem ei-
nigen Geſchöpffe/ das in der Lufft/ auf dem
Erd-Boden/ oder in dem Waſſer zu ſchauen/ be-
weglich- und unbewegliche/ des Allmächtigen
Schöpffers unausſprechlich-geſchaffene Weis-
heit weder am gantzen erkennen/ noch an deſſen
verſcheidenen Theilen warhafftig kan beaugen/
ſondern dieſelbe ingeſammt anders nicht/ als ob
ſie etwas Dunckelheit umgeben/ ihme vorkom-
men/ daß er die höchſt-verwunderliche Aus-Ar-
beitung der mancherley unzähligen Zierden/ wo-
mit der geſchaffene und alle Ding formierende
Geiſt/ die Natur/ ſolch ihre Aus-Geburten und
Kinder ſchmücket und bekleidet/ und dem durch
das Myſterium iniquitatis, (wie Paulus redet/)
gleichſam bezauberten Menſchen/ zu mehrer
Aufmunterung (in ſolch ſeiner Schlaff-ſucht/)
und Erweckung Göttlichen Lobs/ vorſtellet/ ſol-
te verſcheidenlich können ſehen/ bemercken/ und
gründ ich unterſcheiden; dahero auch die ferne-
re Ausbreit- und Erkundigung natürlicher Wiſ-
ſenſchafften hierunter gewißlich ſehr gehemmet
worden ſind/ daß viele ſonſten hoch-gelehrte Leu-
te ihre Philoſophiam öffters nur auf ein bloſſes
Errathen gründen müſſen/ da jetzund viel ver-

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[0037] An den Leſer. Höchlich iſt es zu bejammern/ daß der irꝛdi- ſche Menſche durch den leydigen Fall Adams unter andern ihne befallenen Gebrechen nicht al- lein an dem innerlichen Erkandnis verfinſtert/ ſondern auch an ſeinem Geſichte ſolchen Man- gel und Abgang empfindet/ daß er an keinem ei- nigen Geſchöpffe/ das in der Lufft/ auf dem Erd-Boden/ oder in dem Waſſer zu ſchauen/ be- weglich- und unbewegliche/ des Allmächtigen Schöpffers unausſprechlich-geſchaffene Weis- heit weder am gantzen erkennen/ noch an deſſen verſcheidenen Theilen warhafftig kan beaugen/ ſondern dieſelbe ingeſammt anders nicht/ als ob ſie etwas Dunckelheit umgeben/ ihme vorkom- men/ daß er die höchſt-verwunderliche Aus-Ar- beitung der mancherley unzähligen Zierden/ wo- mit der geſchaffene und alle Ding formierende Geiſt/ die Natur/ ſolch ihre Aus-Geburten und Kinder ſchmücket und bekleidet/ und dem durch das Myſterium iniquitatis, (wie Paulus redet/) gleichſam bezauberten Menſchen/ zu mehrer Aufmunterung (in ſolch ſeiner Schlaff-ſucht/) und Erweckung Göttlichen Lobs/ vorſtellet/ ſol- te verſcheidenlich können ſehen/ bemercken/ und gründ ich unterſcheiden; dahero auch die ferne- re Ausbreit- und Erkundigung natürlicher Wiſ- ſenſchafften hierunter gewißlich ſehr gehemmet worden ſind/ daß viele ſonſten hoch-gelehrte Leu- te ihre Philoſophiam öffters nur auf ein bloſſes Errathen gründen müſſen/ da jetzund viel ver- bor-

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Zitationshilfe: Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/37>, abgerufen am 24.11.2024.