auf die schöne Tugend der Billigkeit und auf die un¬ billige Forderung, dass alle Richter als Richter sie ha¬ ben sollen. Billigkeit ist die Nachlassung von seinem eigenen Rechte: und nun frage ich Dich, ob ein Rich¬ ter dabey etwas zu thun hat? Nur die Partheyen können und sollen billig seyn. Bey billigen Richtern wäre es um die Gerechtigkeit geschehen. Mit diesen Gedanken setzte ich mich in dem nächsten Wirths¬ hause nieder, und legte das Resultat derselben in mein Taschenbuch über die Billigkeit.
Verdammt den Richter nicht; er darf nicht billig seyn:
Für ihn ist das Gesetz von Eisen, Und seine Pflichten sind von Stein, Die taub und kalt ihn auf das Recht verweisen.
Nur das was mir gehört, geb' ich mit Bruderhand
Dem Bruder für die kleine Spende, Und schlinge freundlicher das Band, Das beyde knüpft, und schüttle froh die Hände.
Hier ist der Uebergang zu der Erhabenheit
Der göttergleichen Heldentugend, Die sich der Welt zum Opfer weiht; Der erste Blick von unsrer Geistesjugend.
Die strenge Pflicht, die der Vertrag erzwingt,
Bleibt ewig Grund zu dem Gebäude; Doch Milde nur und Güte bringt Ins leere Haus den Harrenden die Freude.
auf die schöne Tugend der Billigkeit und auf die un¬ billige Forderung, daſs alle Richter als Richter sie ha¬ ben sollen. Billigkeit ist die Nachlassung von seinem eigenen Rechte: und nun frage ich Dich, ob ein Rich¬ ter dabey etwas zu thun hat? Nur die Partheyen können und sollen billig seyn. Bey billigen Richtern wäre es um die Gerechtigkeit geschehen. Mit diesen Gedanken setzte ich mich in dem nächsten Wirths¬ hause nieder, und legte das Resultat derselben in mein Taschenbuch über die Billigkeit.
Verdammt den Richter nicht; er darf nicht billig seyn:
Für ihn ist das Gesetz von Eisen, Und seine Pflichten sind von Stein, Die taub und kalt ihn auf das Recht verweisen.
Nur das was mir gehört, geb' ich mit Bruderhand
Dem Bruder für die kleine Spende, Und schlinge freundlicher das Band, Das beyde knüpft, und schüttle froh die Hände.
Hier ist der Uebergang zu der Erhabenheit
Der göttergleichen Heldentugend, Die sich der Welt zum Opfer weiht; Der erste Blick von unsrer Geistesjugend.
Die strenge Pflicht, die der Vertrag erzwingt,
Bleibt ewig Grund zu dem Gebäude; Doch Milde nur und Güte bringt Ins leere Haus den Harrenden die Freude.
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auf die schöne Tugend der Billigkeit und auf die un¬
billige Forderung, daſs alle Richter als Richter sie ha¬
ben sollen. Billigkeit ist die Nachlassung von seinem
eigenen Rechte: und nun frage ich Dich, ob ein Rich¬
ter dabey etwas zu thun hat? Nur die Partheyen
können und sollen billig seyn. Bey billigen Richtern
wäre es um die Gerechtigkeit geschehen. Mit diesen
Gedanken setzte ich mich in dem nächsten Wirths¬
hause nieder, und legte das Resultat derselben in mein
Taschenbuch über die Billigkeit.
Verdammt den Richter nicht; er darf nicht billig seyn:
Für ihn ist das Gesetz von Eisen,
Und seine Pflichten sind von Stein,
Die taub und kalt ihn auf das Recht verweisen.
Nur das was mir gehört, geb' ich mit Bruderhand
Dem Bruder für die kleine Spende,
Und schlinge freundlicher das Band,
Das beyde knüpft, und schüttle froh die Hände.
Hier ist der Uebergang zu der Erhabenheit
Der göttergleichen Heldentugend,
Die sich der Welt zum Opfer weiht;
Der erste Blick von unsrer Geistesjugend.
Die strenge Pflicht, die der Vertrag erzwingt,
Bleibt ewig Grund zu dem Gebäude;
Doch Milde nur und Güte bringt
Ins leere Haus den Harrenden die Freude.
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/78>, abgerufen am 22.11.2024.
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