überall das sicherste bey militärischer Regierung, und hätte seinen kriegerischen Gästen wohl gern ihre Kreu¬ zer geschenkt, wenn sie ihn nur in Ruhe gelassen hätten. Ein Offizier, wie ich aus dem Ton vermuthe¬ te, mit dem er sprach, machte endlich um zwey Uhr Schicht, und es ward ruhig.
Den andern Morgen fand ich einen ehrsamen al¬ ten Mann bey seinem Weine sitzen, der den Kopf über die nächtliche Geschichte der Kriegsmänner schüttelte. Dieser erzählte mir denn einiges über die Einquartierung und klagte ganz leise, dass sie der Ge¬ gend sehr zur Last wäre. Die Soldaten waren auf Arbeit an dem Kanale, über den ich gestern gegangen war, und der, wie mir der Alte bedeutend zweifelhaft sagte, bis nach Triest geführt werden solle. Vor der Hand wird er nur die Steinkohlen von Neustadt nach Wien bringen. Das Wasser aus den Bergen bey Neu¬ stadt und Neukirchen war so schön und hell, dass ich mich im Januar hätte hinein werfen mögen. Schönes Wasser ist eine meiner besten Liebschaften, und über¬ all wo nur Gelegenheit war ging ich hin und schöpfte und trank. Du musst wissen, dass ich noch nicht so ganz diogenisch einfach bin aus der hohlen Hand zu trinken, sondern dazu auf meiner Wanderschaft eine Flasche von Resine gebrauche, die reinlich ist, fest hält und sich gefällig in alle Formen fügt. Eine Stun¬ de von Schottwien fängt die Gegend an herrlich zu werden; vorzüglich macht ein Kloster rechts auf einer Anhöhe eine sehr romantische Parthie. Das Ganze hat Aehnlichkeit mit den Schluchten zwischen Aussig und Lowositz; nur ist das Thal enger und der Fluss
überall das sicherste bey militärischer Regierung, und hätte seinen kriegerischen Gästen wohl gern ihre Kreu¬ zer geschenkt, wenn sie ihn nur in Ruhe gelassen hätten. Ein Offizier, wie ich aus dem Ton vermuthe¬ te, mit dem er sprach, machte endlich um zwey Uhr Schicht, und es ward ruhig.
Den andern Morgen fand ich einen ehrsamen al¬ ten Mann bey seinem Weine sitzen, der den Kopf über die nächtliche Geschichte der Kriegsmänner schüttelte. Dieser erzählte mir denn einiges über die Einquartierung und klagte ganz leise, daſs sie der Ge¬ gend sehr zur Last wäre. Die Soldaten waren auf Arbeit an dem Kanale, über den ich gestern gegangen war, und der, wie mir der Alte bedeutend zweifelhaft sagte, bis nach Triest geführt werden solle. Vor der Hand wird er nur die Steinkohlen von Neustadt nach Wien bringen. Das Wasser aus den Bergen bey Neu¬ stadt und Neukirchen war so schön und hell, daſs ich mich im Januar hätte hinein werfen mögen. Schönes Wasser ist eine meiner besten Liebschaften, und über¬ all wo nur Gelegenheit war ging ich hin und schöpfte und trank. Du muſst wissen, daſs ich noch nicht so ganz diogenisch einfach bin aus der hohlen Hand zu trinken, sondern dazu auf meiner Wanderschaft eine Flasche von Resine gebrauche, die reinlich ist, fest hält und sich gefällig in alle Formen fügt. Eine Stun¬ de von Schottwien fängt die Gegend an herrlich zu werden; vorzüglich macht ein Kloster rechts auf einer Anhöhe eine sehr romantische Parthie. Das Ganze hat Aehnlichkeit mit den Schluchten zwischen Auſsig und Lowositz; nur ist das Thal enger und der Fluſs
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[46/0072]
überall das sicherste bey militärischer Regierung, und
hätte seinen kriegerischen Gästen wohl gern ihre Kreu¬
zer geschenkt, wenn sie ihn nur in Ruhe gelassen
hätten. Ein Offizier, wie ich aus dem Ton vermuthe¬
te, mit dem er sprach, machte endlich um zwey Uhr
Schicht, und es ward ruhig.
Den andern Morgen fand ich einen ehrsamen al¬
ten Mann bey seinem Weine sitzen, der den Kopf
über die nächtliche Geschichte der Kriegsmänner
schüttelte. Dieser erzählte mir denn einiges über die
Einquartierung und klagte ganz leise, daſs sie der Ge¬
gend sehr zur Last wäre. Die Soldaten waren auf
Arbeit an dem Kanale, über den ich gestern gegangen
war, und der, wie mir der Alte bedeutend zweifelhaft
sagte, bis nach Triest geführt werden solle. Vor der
Hand wird er nur die Steinkohlen von Neustadt nach
Wien bringen. Das Wasser aus den Bergen bey Neu¬
stadt und Neukirchen war so schön und hell, daſs ich
mich im Januar hätte hinein werfen mögen. Schönes
Wasser ist eine meiner besten Liebschaften, und über¬
all wo nur Gelegenheit war ging ich hin und schöpfte
und trank. Du muſst wissen, daſs ich noch nicht so
ganz diogenisch einfach bin aus der hohlen Hand zu
trinken, sondern dazu auf meiner Wanderschaft eine
Flasche von Resine gebrauche, die reinlich ist, fest
hält und sich gefällig in alle Formen fügt. Eine Stun¬
de von Schottwien fängt die Gegend an herrlich zu
werden; vorzüglich macht ein Kloster rechts auf einer
Anhöhe eine sehr romantische Parthie. Das Ganze
hat Aehnlichkeit mit den Schluchten zwischen Auſsig
und Lowositz; nur ist das Thal enger und der Fluſs
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/72>, abgerufen am 22.11.2024.
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