allgemeine Besorgniss vor den Unordnungen der zu¬ rückgeworfenen Armee. Damahls fing Bonaparte eben an, etwas bestimmter auf seine individuellen Aussich¬ ten loszuarbeiten, und hat dadurch zufälliger Weise den Oestreichern grosse Angst und grosse Verwirrun¬ gen erspart.
Doktor Gall hat eben einen Kabinetsbefehl erhal¬ ten, sich es nicht mehr beygehen zu lassen, den Leu¬ ten gleich am Schedel anzusehen, was sie darin haben. Die Ursache soll seyn, weil diese Wissenschaft auf Materialismus führe.
Man sieht auch hier in der Residenz nichts als Papier und schlechtes Geld. Die Manege mit schlech¬ tem Gelde ist bekannt; man führt daran, so lange es geht. Das Kassenpapier ist noch das unschuldigste Mittel die Armuth zu decken, so lange der Kredit hält. Aber nach meiner Meinung ist für den Staat nichts verderblicher und in dem Staat nichts un¬ gerechter als eigentliche Staatspapiere, so wie unsere Staaten eingerichtet sind. Eingerechnet unsere Privi¬ legien und Immunitäten, die freylich eine Sottise des öffentlichen Rechts sind, zahlen die Aermeren fast durchaus fünf Sechstheile der Staatsbedürfnisse. Die Inhaber der Staatspapiere, sie mögen Namen haben wie sie wollen, gehören meistens zu den Reichen, oder wohl gar zu den Privilegiaten. Die Interessen werden wieder aus den Staatseinkünften bezahlt, die meistens von den Aermeren bestritten werden. Ein beliebter Schriftsteller wollte vor kurzem die Wohlthä¬ tigkeit der Staatsschulden in Sachsen dadurch beweisen, weil man durch dieses Mittel sehr gut seine Gelder
allgemeine Besorgniſs vor den Unordnungen der zu¬ rückgeworfenen Armee. Damahls fing Bonaparte eben an, etwas bestimmter auf seine individuellen Aussich¬ ten loszuarbeiten, und hat dadurch zufälliger Weise den Oestreichern groſse Angst und groſse Verwirrun¬ gen erspart.
Doktor Gall hat eben einen Kabinetsbefehl erhal¬ ten, sich es nicht mehr beygehen zu lassen, den Leu¬ ten gleich am Schedel anzusehen, was sie darin haben. Die Ursache soll seyn, weil diese Wissenschaft auf Materialismus führe.
Man sieht auch hier in der Residenz nichts als Papier und schlechtes Geld. Die Manege mit schlech¬ tem Gelde ist bekannt; man führt daran, so lange es geht. Das Kassenpapier ist noch das unschuldigste Mittel die Armuth zu decken, so lange der Kredit hält. Aber nach meiner Meinung ist für den Staat nichts verderblicher und in dem Staat nichts un¬ gerechter als eigentliche Staatspapiere, so wie unsere Staaten eingerichtet sind. Eingerechnet unsere Privi¬ legien und Immunitäten, die freylich eine Sottise des öffentlichen Rechts sind, zahlen die Aermeren fast durchaus fünf Sechstheile der Staatsbedürfnisse. Die Inhaber der Staatspapiere, sie mögen Namen haben wie sie wollen, gehören meistens zu den Reichen, oder wohl gar zu den Privilegiaten. Die Interessen werden wieder aus den Staatseinkünften bezahlt, die meistens von den Aermeren bestritten werden. Ein beliebter Schriftsteller wollte vor kurzem die Wohlthä¬ tigkeit der Staatsschulden in Sachsen dadurch beweisen, weil man durch dieses Mittel sehr gut seine Gelder
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0064"n="38"/>
allgemeine Besorgniſs vor den Unordnungen der zu¬<lb/>
rückgeworfenen Armee. Damahls fing Bonaparte eben<lb/>
an, etwas bestimmter auf seine individuellen Aussich¬<lb/>
ten loszuarbeiten, und hat dadurch zufälliger Weise<lb/>
den Oestreichern groſse Angst und groſse Verwirrun¬<lb/>
gen erspart.</p><lb/><p>Doktor Gall hat eben einen Kabinetsbefehl erhal¬<lb/>
ten, sich es nicht mehr beygehen zu lassen, den Leu¬<lb/>
ten gleich am Schedel anzusehen, was sie darin haben.<lb/>
Die Ursache soll seyn, weil diese Wissenschaft auf<lb/>
Materialismus führe.</p><lb/><p>Man sieht auch hier in der Residenz nichts als<lb/>
Papier und schlechtes Geld. Die Manege mit schlech¬<lb/>
tem Gelde ist bekannt; man führt daran, so lange es<lb/>
geht. Das Kassenpapier ist noch das unschuldigste<lb/>
Mittel die Armuth zu decken, so lange der Kredit<lb/>
hält. Aber nach meiner Meinung ist für den<lb/>
Staat nichts verderblicher und in dem Staat nichts un¬<lb/>
gerechter als eigentliche Staatspapiere, so wie unsere<lb/>
Staaten eingerichtet sind. Eingerechnet unsere Privi¬<lb/>
legien und Immunitäten, die freylich eine Sottise des<lb/>
öffentlichen Rechts sind, zahlen die Aermeren fast<lb/>
durchaus fünf Sechstheile der Staatsbedürfnisse. Die<lb/>
Inhaber der Staatspapiere, sie mögen Namen haben<lb/>
wie sie wollen, gehören meistens zu den Reichen,<lb/>
oder wohl gar zu den Privilegiaten. Die Interessen<lb/>
werden wieder aus den Staatseinkünften bezahlt, die<lb/>
meistens von den Aermeren bestritten werden. Ein<lb/>
beliebter Schriftsteller wollte vor kurzem die Wohlthä¬<lb/>
tigkeit der Staatsschulden in Sachsen dadurch beweisen,<lb/>
weil man durch dieses Mittel sehr gut seine Gelder<lb/></p></div></body></text></TEI>
[38/0064]
allgemeine Besorgniſs vor den Unordnungen der zu¬
rückgeworfenen Armee. Damahls fing Bonaparte eben
an, etwas bestimmter auf seine individuellen Aussich¬
ten loszuarbeiten, und hat dadurch zufälliger Weise
den Oestreichern groſse Angst und groſse Verwirrun¬
gen erspart.
Doktor Gall hat eben einen Kabinetsbefehl erhal¬
ten, sich es nicht mehr beygehen zu lassen, den Leu¬
ten gleich am Schedel anzusehen, was sie darin haben.
Die Ursache soll seyn, weil diese Wissenschaft auf
Materialismus führe.
Man sieht auch hier in der Residenz nichts als
Papier und schlechtes Geld. Die Manege mit schlech¬
tem Gelde ist bekannt; man führt daran, so lange es
geht. Das Kassenpapier ist noch das unschuldigste
Mittel die Armuth zu decken, so lange der Kredit
hält. Aber nach meiner Meinung ist für den
Staat nichts verderblicher und in dem Staat nichts un¬
gerechter als eigentliche Staatspapiere, so wie unsere
Staaten eingerichtet sind. Eingerechnet unsere Privi¬
legien und Immunitäten, die freylich eine Sottise des
öffentlichen Rechts sind, zahlen die Aermeren fast
durchaus fünf Sechstheile der Staatsbedürfnisse. Die
Inhaber der Staatspapiere, sie mögen Namen haben
wie sie wollen, gehören meistens zu den Reichen,
oder wohl gar zu den Privilegiaten. Die Interessen
werden wieder aus den Staatseinkünften bezahlt, die
meistens von den Aermeren bestritten werden. Ein
beliebter Schriftsteller wollte vor kurzem die Wohlthä¬
tigkeit der Staatsschulden in Sachsen dadurch beweisen,
weil man durch dieses Mittel sehr gut seine Gelder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/64>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.