Und ihre lächerliche Wuth Im Schwindel durch die Fistelhöhen Von ihrem Brett herunter krähen, Wie Meister Hahns gekappte Brut. Wenn ich des Hämmlings Singsang nicht Wie die Taranteltänze hasse, So setze mich des Himmels Strafgericht Mit ihm in Eine Klasse.
Schikaneder treibt sein Wesen in der Vorstadt an der Wien, wo er sich ein gar stattliches Haus gebaut hat, dessen Einrichtung mancher Schauspieldirektor mit Nutzen besuchen könnte und sollte. Der Mann kennt sein Publikum und weiss ihm zu geben was ihm schmeckt. Sein grosser Vorzug ist Lokalität, deren er sich oft mit einer Freymüthigkeit bedient, die ihm selbst und der Wiener Duldsamkeit noch Ehre macht. Ich habe auf seinem Theater über die Nationalnarr¬ heiten der Wiener Reichen und Höflinge Dinge gehört, die man in Dresden nicht dürfte laut werden lassen, ohne sich von höherem Orte eine strenge Weisung über Vermessenheit zuzuziehen. Mehrere seiner Stücke scheint er im eigentlichsten Sinne nur für sich selbst gemacht zu haben; und ich muss bekennen, dass mir seine barocke Personalität als Tyroler Wastel ungemei¬ nes Vergnügen gemacht hat. Es ist den Wienern von feinem Ton und Geschmack gar nicht übel zu neh¬ men, dass sie zuweilen zu ihm und Kasperle heraus¬ fahren und das Nationaltheater und die Italiäner leer lassen. Seine Leute singen für die Vorstadt verhält¬ nissmässig weit besser, als jene für die Burg. Die Klei¬
Und ihre lächerliche Wuth Im Schwindel durch die Fistelhöhen Von ihrem Brett herunter krähen, Wie Meister Hahns gekappte Brut. Wenn ich des Hämmlings Singsang nicht Wie die Taranteltänze hasse, So setze mich des Himmels Strafgericht Mit ihm in Eine Klasse.
Schikaneder treibt sein Wesen in der Vorstadt an der Wien, wo er sich ein gar stattliches Haus gebaut hat, dessen Einrichtung mancher Schauspieldirektor mit Nutzen besuchen könnte und sollte. Der Mann kennt sein Publikum und weiſs ihm zu geben was ihm schmeckt. Sein groſser Vorzug ist Lokalität, deren er sich oft mit einer Freymüthigkeit bedient, die ihm selbst und der Wiener Duldsamkeit noch Ehre macht. Ich habe auf seinem Theater über die Nationalnarr¬ heiten der Wiener Reichen und Höflinge Dinge gehört, die man in Dresden nicht dürfte laut werden lassen, ohne sich von höherem Orte eine strenge Weisung über Vermessenheit zuzuziehen. Mehrere seiner Stücke scheint er im eigentlichsten Sinne nur für sich selbst gemacht zu haben; und ich muſs bekennen, daſs mir seine barocke Personalität als Tyroler Wastel ungemei¬ nes Vergnügen gemacht hat. Es ist den Wienern von feinem Ton und Geschmack gar nicht übel zu neh¬ men, daſs sie zuweilen zu ihm und Kasperle heraus¬ fahren und das Nationaltheater und die Italiäner leer lassen. Seine Leute singen für die Vorstadt verhält¬ niſsmäſsig weit besser, als jene für die Burg. Die Klei¬
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Und ihre lächerliche Wuth
Im Schwindel durch die Fistelhöhen
Von ihrem Brett herunter krähen,
Wie Meister Hahns gekappte Brut.
Wenn ich des Hämmlings Singsang nicht
Wie die Taranteltänze hasse,
So setze mich des Himmels Strafgericht
Mit ihm in Eine Klasse.
Schikaneder treibt sein Wesen in der Vorstadt an
der Wien, wo er sich ein gar stattliches Haus gebaut
hat, dessen Einrichtung mancher Schauspieldirektor
mit Nutzen besuchen könnte und sollte. Der Mann
kennt sein Publikum und weiſs ihm zu geben was ihm
schmeckt. Sein groſser Vorzug ist Lokalität, deren er
sich oft mit einer Freymüthigkeit bedient, die ihm
selbst und der Wiener Duldsamkeit noch Ehre macht.
Ich habe auf seinem Theater über die Nationalnarr¬
heiten der Wiener Reichen und Höflinge Dinge gehört,
die man in Dresden nicht dürfte laut werden lassen,
ohne sich von höherem Orte eine strenge Weisung
über Vermessenheit zuzuziehen. Mehrere seiner Stücke
scheint er im eigentlichsten Sinne nur für sich selbst
gemacht zu haben; und ich muſs bekennen, daſs mir
seine barocke Personalität als Tyroler Wastel ungemei¬
nes Vergnügen gemacht hat. Es ist den Wienern von
feinem Ton und Geschmack gar nicht übel zu neh¬
men, daſs sie zuweilen zu ihm und Kasperle heraus¬
fahren und das Nationaltheater und die Italiäner leer
lassen. Seine Leute singen für die Vorstadt verhält¬
niſsmäſsig weit besser, als jene für die Burg. Die Klei¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/60>, abgerufen am 25.11.2024.
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