Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.mögen noch jenseit des Rheins in der Freiheit. Vor Frankfurt muss dem Anschein nach durch den mögen noch jenseit des Rheins in der Freiheit. Vor Frankfurt muſs dem Anschein nach durch den <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0509" n="481 "/> mögen noch jenseit des Rheins in der Freiheit. Vor<lb/> Hochheim wandelte ich in Gesellschaft eines Spazier¬<lb/> gängers der Gegend, wie es schien, den Berg herauf.<lb/> Der Mann nahm mit vielem Murrsinn von der ersten<lb/> muntern hübschen Erntearbeiterin im Felde Gelegen¬<lb/> heit eine furchtbare Rhapsodie über die Weiber zu hal¬<lb/> ten, hatte aber ganz das Ansehen, als ob er der Mi¬<lb/> sogyn nicht immer gewesen wäre und nicht immer<lb/> bleiben würde: denn alles Uebertriebene hält nicht<lb/> lange. Er nahm sein Beyspiel nicht bloſs von den<lb/> Linden weg und aus dem Egalitätspalaste, und muſste<lb/> tiefer in die Verdorbenheit der Welt mit dem Ge¬<lb/> schlecht verflochten seyn. Er machte mit lebhaftem<lb/> Kolorit ein Gemälde, gegen welches Juvenals <hi rendition="#fr #i">lassata<lb/> viris</hi> noch eine Vestalin war; und ich war froh, als<lb/> mich der Wagen auf der Ebene wieder einholte und<lb/> ich wieder einsteigen konnte. Du weiſst, ich habe<lb/> eben nicht Ursache geflissentlich den Enkomiasten der<lb/> Damen zu machen; indessen muſs man ihnen doch<lb/> die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daſs sie — nicht<lb/> schlimmer sind als die Männer: und die meisten ihrer<lb/> Sünden leiden noch etwas mehr Apologie als die Sotti¬<lb/> sen unseres Geschlechts.</p><lb/> <p>Frankfurt muſs dem Anschein nach durch den<lb/> Krieg weit mehr gewonnen als verloren haben. Der<lb/> Verlust war öffentlich und momentan; der Gewinn<lb/> ging fast durch alle Klassen und war dauernd. Es ist<lb/> überall Wohlstand und Vorrath; man bauet und bes¬<lb/> sert und erweitert von allen Seiten: und die ganze Ge¬<lb/> gend rund umher ist wie ein Paradies; besonders<lb/> nach Offenbach hinüber. Man glaubt in Oberitalien<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [481 /0509]
mögen noch jenseit des Rheins in der Freiheit. Vor
Hochheim wandelte ich in Gesellschaft eines Spazier¬
gängers der Gegend, wie es schien, den Berg herauf.
Der Mann nahm mit vielem Murrsinn von der ersten
muntern hübschen Erntearbeiterin im Felde Gelegen¬
heit eine furchtbare Rhapsodie über die Weiber zu hal¬
ten, hatte aber ganz das Ansehen, als ob er der Mi¬
sogyn nicht immer gewesen wäre und nicht immer
bleiben würde: denn alles Uebertriebene hält nicht
lange. Er nahm sein Beyspiel nicht bloſs von den
Linden weg und aus dem Egalitätspalaste, und muſste
tiefer in die Verdorbenheit der Welt mit dem Ge¬
schlecht verflochten seyn. Er machte mit lebhaftem
Kolorit ein Gemälde, gegen welches Juvenals lassata
viris noch eine Vestalin war; und ich war froh, als
mich der Wagen auf der Ebene wieder einholte und
ich wieder einsteigen konnte. Du weiſst, ich habe
eben nicht Ursache geflissentlich den Enkomiasten der
Damen zu machen; indessen muſs man ihnen doch
die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daſs sie — nicht
schlimmer sind als die Männer: und die meisten ihrer
Sünden leiden noch etwas mehr Apologie als die Sotti¬
sen unseres Geschlechts.
Frankfurt muſs dem Anschein nach durch den
Krieg weit mehr gewonnen als verloren haben. Der
Verlust war öffentlich und momentan; der Gewinn
ging fast durch alle Klassen und war dauernd. Es ist
überall Wohlstand und Vorrath; man bauet und bes¬
sert und erweitert von allen Seiten: und die ganze Ge¬
gend rund umher ist wie ein Paradies; besonders
nach Offenbach hinüber. Man glaubt in Oberitalien
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |