Gesellschaft Froschragout essen: es war kein anderes Fleisch da. Mir war es einerley, ich esse gern Frösche; aber diese Mahlzeit ist doch sonst nicht jedermanns Sache. So ging mirs noch mehrere Mal auf der Reise. In Paris nimmt man freylich noch keine Notiz davon; aber man that es auch ehemals nicht. Die alten Na¬ men der Oerter und Gassen treten nach und nach alle wieder ein, und eine republikanische Charte von der Stadt ist fast gar nicht mehr zu brauchen. Viele stellen sich, als ob sie die neuen Namen gar nicht wüssten; so sah mich ein sehr wohlgekleideter Mann glupisch an, als ich in die rue de la loi wollte, wiess mich aber sehr höflich weiter, als ich sie rue de Richelieu nannte. Das Pantheon heisst wieder die heilige Genoveve, und wird höchst wahrscheinlich nur unter dieser Rubrik vollendet werden. Ob sich alles so sanft wieder ma¬ chen wird, weiss der Himmel. Man scheint jetzt von allen Seiten mit gehörigen Modifikationen darauf hin¬ zuarbeiten. Die wieder eingewanderten und wieder eingesetzten Geistlichen treten schon überall von neuem mit ihren Anmasslichkeiten hervor und finden Eng¬ brüstigkeit genug für ihre Lehre. Sie versagen, wie man erzählt, hier und da die Absolution, wenn man die Güter der Emigranten nicht wieder heraus geben will. Das kann in einzelnen Fällen sogar republikani¬ sche Gerechtigkeit seyn: aber der Missbrauch kann weit führen. Man erzählt viele Beyspiele, dass die franzö¬ sischen Roskolniks durchaus keine gemischten Ehen ge¬ statten. Lasst nur erst die Geistlichkeit in die Justiz greifen, so seyd ihr verloren. Vor einigen Tagen las ich eine ziemlich sonderbare Abhandlung in einem
Gesellschaft Froschragout essen: es war kein anderes Fleisch da. Mir war es einerley, ich esse gern Frösche; aber diese Mahlzeit ist doch sonst nicht jedermanns Sache. So ging mirs noch mehrere Mal auf der Reise. In Paris nimmt man freylich noch keine Notiz davon; aber man that es auch ehemals nicht. Die alten Na¬ men der Oerter und Gassen treten nach und nach alle wieder ein, und eine republikanische Charte von der Stadt ist fast gar nicht mehr zu brauchen. Viele stellen sich, als ob sie die neuen Namen gar nicht wüſsten; so sah mich ein sehr wohlgekleideter Mann glupisch an, als ich in die rue de la loi wollte, wieſs mich aber sehr höflich weiter, als ich sie rue de Richelieu nannte. Das Pantheon heiſst wieder die heilige Genoveve, und wird höchst wahrscheinlich nur unter dieser Rubrik vollendet werden. Ob sich alles so sanft wieder ma¬ chen wird, weiſs der Himmel. Man scheint jetzt von allen Seiten mit gehörigen Modifikationen darauf hin¬ zuarbeiten. Die wieder eingewanderten und wieder eingesetzten Geistlichen treten schon überall von neuem mit ihren Anmaſslichkeiten hervor und finden Eng¬ brüstigkeit genug für ihre Lehre. Sie versagen, wie man erzählt, hier und da die Absolution, wenn man die Güter der Emigranten nicht wieder heraus geben will. Das kann in einzelnen Fällen sogar republikani¬ sche Gerechtigkeit seyn: aber der Miſsbrauch kann weit führen. Man erzählt viele Beyspiele, daſs die franzö¬ sischen Roskolniks durchaus keine gemischten Ehen ge¬ statten. Laſst nur erst die Geistlichkeit in die Justiz greifen, so seyd ihr verloren. Vor einigen Tagen las ich eine ziemlich sonderbare Abhandlung in einem
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Gesellschaft Froschragout essen: es war kein anderes
Fleisch da. Mir war es einerley, ich esse gern Frösche;
aber diese Mahlzeit ist doch sonst nicht jedermanns
Sache. So ging mirs noch mehrere Mal auf der Reise.
In Paris nimmt man freylich noch keine Notiz davon;
aber man that es auch ehemals nicht. Die alten Na¬
men der Oerter und Gassen treten nach und nach
alle wieder ein, und eine republikanische Charte von der
Stadt ist fast gar nicht mehr zu brauchen. Viele stellen
sich, als ob sie die neuen Namen gar nicht wüſsten;
so sah mich ein sehr wohlgekleideter Mann glupisch
an, als ich in die rue de la loi wollte, wieſs mich aber
sehr höflich weiter, als ich sie rue de Richelieu nannte.
Das Pantheon heiſst wieder die heilige Genoveve, und
wird höchst wahrscheinlich nur unter dieser Rubrik
vollendet werden. Ob sich alles so sanft wieder ma¬
chen wird, weiſs der Himmel. Man scheint jetzt von
allen Seiten mit gehörigen Modifikationen darauf hin¬
zuarbeiten. Die wieder eingewanderten und wieder
eingesetzten Geistlichen treten schon überall von neuem
mit ihren Anmaſslichkeiten hervor und finden Eng¬
brüstigkeit genug für ihre Lehre. Sie versagen, wie
man erzählt, hier und da die Absolution, wenn man
die Güter der Emigranten nicht wieder heraus geben
will. Das kann in einzelnen Fällen sogar republikani¬
sche Gerechtigkeit seyn: aber der Miſsbrauch kann weit
führen. Man erzählt viele Beyspiele, daſs die franzö¬
sischen Roskolniks durchaus keine gemischten Ehen ge¬
statten. Laſst nur erst die Geistlichkeit in die Justiz
greifen, so seyd ihr verloren. Vor einigen Tagen las
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 467 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/495>, abgerufen am 22.11.2024.
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