Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ner. Dem Sieyes, den die Parthey des Konsuls bey
jeder Gelegenheit als einen flachen sehr subalternen
Kopf darstellt, soll er auf eine Erinnerung sehr skop¬
tisch gesagt haben: Si j'avois ete roi en 1790, je le
serois encore; et si j'avois dit alors la messe, j'en fe¬
rois encore de meme
. Ich sage Dir, was man hier und
da bedächtlich an öffentlichen Orten spricht; denn laut
zu reden wagt es niemand, weil seine lettres de cachet
eben so sicher nach Bicetre führen als unter den Kö¬
nigen in die Bastille. Als das bekannte Buch über das
lebenslängliche Konsulat erschien und er es nicht mehr
unterdrücken konnte und doch den Verfasser, der ein
angesehener und von der Nation allgemein geachteter
Mann war, willkührlich gewaltsam in der Krise anzu¬
tasten nicht wagte, begnügte er sich zu sagen: Es sey
alles sehr gut, aber jetzt nur noch etwas zu früh. Je¬
dermann der etwas weiter blickte, behauptete, es sey
leider etwas zu spät. Das Gesetzgebende Korps nennt
man hier die Versammlung, durch welche er Gesetze
giebt. Als sein Kommissär, ich glaube Reding, mit
dem feinen Vorschlag des lebenslänglichen Konsulats
nicht sogleich überall erwünschten Eingang fand; son¬
dern vielmehr Schwierigkeiten aller Art antraf, soll er
bey dem schlimmen Rapport ungeduldig mit allen
Fingern geknackt und gesagt haben: Ah je saurai les
attraper
. Das hat er gehalten. Er schmiedete schnell,
weil es warm war: nach vierzehntägigen Abkühlungen
und Ueberlegungen möchte die Sache anders gegangen
seyn. Ueber die Stimmung werden sonderbare Anek¬
doten erzählt; aber sie ist geschehen.

Man nennt ihn hier mit verschiedenen Namen,

ner. Dem Sieyes, den die Parthey des Konsuls bey
jeder Gelegenheit als einen flachen sehr subalternen
Kopf darstellt, soll er auf eine Erinnerung sehr skop¬
tisch gesagt haben: Si j'avois été roi en 1790, je le
serois encore; et si j'avois dit alors la messe, j'en fe¬
rois encore de même
. Ich sage Dir, was man hier und
da bedächtlich an öffentlichen Orten spricht; denn laut
zu reden wagt es niemand, weil seine lettres de cachet
eben so sicher nach Bicetre führen als unter den Kö¬
nigen in die Bastille. Als das bekannte Buch über das
lebenslängliche Konsulat erschien und er es nicht mehr
unterdrücken konnte und doch den Verfasser, der ein
angesehener und von der Nation allgemein geachteter
Mann war, willkührlich gewaltsam in der Krise anzu¬
tasten nicht wagte, begnügte er sich zu sagen: Es sey
alles sehr gut, aber jetzt nur noch etwas zu früh. Je¬
dermann der etwas weiter blickte, behauptete, es sey
leider etwas zu spät. Das Gesetzgebende Korps nennt
man hier die Versammlung, durch welche er Gesetze
giebt. Als sein Kommissär, ich glaube Reding, mit
dem feinen Vorschlag des lebenslänglichen Konsulats
nicht sogleich überall erwünschten Eingang fand; son¬
dern vielmehr Schwierigkeiten aller Art antraf, soll er
bey dem schlimmen Rapport ungeduldig mit allen
Fingern geknackt und gesagt haben: Ah je saurai les
attraper
. Das hat er gehalten. Er schmiedete schnell,
weil es warm war: nach vierzehntägigen Abkühlungen
und Ueberlegungen möchte die Sache anders gegangen
seyn. Ueber die Stimmung werden sonderbare Anek¬
doten erzählt; aber sie ist geschehen.

Man nennt ihn hier mit verschiedenen Namen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0492" n="464 "/>
ner. Dem Sieyes, den die Parthey des Konsuls bey<lb/>
jeder Gelegenheit als einen flachen sehr subalternen<lb/>
Kopf darstellt, soll er auf eine Erinnerung sehr skop¬<lb/>
tisch gesagt haben: <hi rendition="#i">Si j'avois été roi en</hi> 1790<hi rendition="#i">, je le<lb/>
serois encore; et si j'avois dit alors la messe, j'en fe¬<lb/>
rois encore de même</hi>. Ich sage Dir, was man hier und<lb/>
da bedächtlich an öffentlichen Orten spricht; denn laut<lb/>
zu reden wagt es niemand, weil seine <hi rendition="#i">lettres de cachet</hi><lb/>
eben so sicher nach Bicetre führen als unter den Kö¬<lb/>
nigen in die Bastille. Als das bekannte Buch über das<lb/>
lebenslängliche Konsulat erschien und er es nicht mehr<lb/>
unterdrücken konnte und doch den Verfasser, der ein<lb/>
angesehener und von der Nation allgemein geachteter<lb/>
Mann war, willkührlich gewaltsam in der Krise anzu¬<lb/>
tasten nicht wagte, begnügte er sich zu sagen: Es sey<lb/>
alles sehr gut, aber jetzt nur noch etwas zu früh. Je¬<lb/>
dermann der etwas weiter blickte, behauptete, es sey<lb/>
leider etwas zu spät. Das Gesetzgebende Korps nennt<lb/>
man hier die Versammlung, durch welche er Gesetze<lb/>
giebt. Als sein Kommissär, ich glaube Reding, mit<lb/>
dem feinen Vorschlag des lebenslänglichen Konsulats<lb/>
nicht sogleich überall erwünschten Eingang fand; son¬<lb/>
dern vielmehr Schwierigkeiten aller Art antraf, soll er<lb/>
bey dem schlimmen Rapport ungeduldig mit allen<lb/>
Fingern geknackt und gesagt haben: <hi rendition="#i">Ah je saurai les<lb/>
attraper</hi>. Das hat er gehalten. Er schmiedete schnell,<lb/>
weil es warm war: nach vierzehntägigen Abkühlungen<lb/>
und Ueberlegungen möchte die Sache anders gegangen<lb/>
seyn. Ueber die Stimmung werden sonderbare Anek¬<lb/>
doten erzählt; aber sie ist geschehen.</p><lb/>
        <p>Man nennt ihn hier mit verschiedenen Namen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464 /0492] ner. Dem Sieyes, den die Parthey des Konsuls bey jeder Gelegenheit als einen flachen sehr subalternen Kopf darstellt, soll er auf eine Erinnerung sehr skop¬ tisch gesagt haben: Si j'avois été roi en 1790, je le serois encore; et si j'avois dit alors la messe, j'en fe¬ rois encore de même. Ich sage Dir, was man hier und da bedächtlich an öffentlichen Orten spricht; denn laut zu reden wagt es niemand, weil seine lettres de cachet eben so sicher nach Bicetre führen als unter den Kö¬ nigen in die Bastille. Als das bekannte Buch über das lebenslängliche Konsulat erschien und er es nicht mehr unterdrücken konnte und doch den Verfasser, der ein angesehener und von der Nation allgemein geachteter Mann war, willkührlich gewaltsam in der Krise anzu¬ tasten nicht wagte, begnügte er sich zu sagen: Es sey alles sehr gut, aber jetzt nur noch etwas zu früh. Je¬ dermann der etwas weiter blickte, behauptete, es sey leider etwas zu spät. Das Gesetzgebende Korps nennt man hier die Versammlung, durch welche er Gesetze giebt. Als sein Kommissär, ich glaube Reding, mit dem feinen Vorschlag des lebenslänglichen Konsulats nicht sogleich überall erwünschten Eingang fand; son¬ dern vielmehr Schwierigkeiten aller Art antraf, soll er bey dem schlimmen Rapport ungeduldig mit allen Fingern geknackt und gesagt haben: Ah je saurai les attraper. Das hat er gehalten. Er schmiedete schnell, weil es warm war: nach vierzehntägigen Abkühlungen und Ueberlegungen möchte die Sache anders gegangen seyn. Ueber die Stimmung werden sonderbare Anek¬ doten erzählt; aber sie ist geschehen. Man nennt ihn hier mit verschiedenen Namen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/492
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 464 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/492>, abgerufen am 22.11.2024.