Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

hen und auch in Italien nicht selten seyn sollen.
Uebrigens ist es mir ziemlich einerley, ob ich mich
auf Eyderdunen oder Bohnenstroh wälze: Sed quam
misere ista animalcula excruciare possint, apud nautas
expertus sum
; darum haben ihnen auch vermuthlich
die Griechen den verderblichen Nahmen gegeben.

Hier in Znaym musste ich zum ersten Mahl Wein
trinken, weil der Göttertrank der Germanen in Wal¬
halla nicht mehr zu finden war. Der Wein war das
Mass für vier und zwanzig Kreuzer sehr gut, wie mich
Schnorr versicherte; denn ich verstehe nichts davon
und trinke den besten Burgunder mit Wasser wie den
schlechtesten Potzdamer. Hier möchte ich wohl woh¬
nen, so lieblich und freundlich ist die ganze Gegend,
selbst unter dem Schnee. An der einen Seite stösst
die Stadt an ziemliche Anhöhen, und auf den andern,
vorzüglich nach Oestreich, wird die Nachbarschaft sehr
malerisch durch die Menge Weingärten, die alle an
sanften Abhängen hin gepflanzt sind. Die beyden
Klöster an den beyden Enden der Stadt sind, wie die
meisten Mönchsitze, treffliche Plätze. Das eine nach
der Oestreichischen Seite hat Joseph der Zweyte unter
andern mit eingezogen. Die Gebäude desselben sind
so stattlich, dass man sie für die Wohnung keines
kleinen Fürsten halten sollte. Im Kriege diente das
Kloster zu verschiedenen Behufen; bald zum Magazin,
bald zum Aufenthalt für Gefangene: jetzt steht es leer.

Die römische Ruine, die hier zu sehen ist, steht
zwey Stunden vor der Stadt, rechts hinab in einer
schönen Gegend. Da ich aber in Mähren keine rö¬
mischen Ruinen studieren will, wandelte ich meines

hen und auch in Italien nicht selten seyn sollen.
Uebrigens ist es mir ziemlich einerley, ob ich mich
auf Eyderdunen oder Bohnenstroh wälze: Sed quam
misere ista animalcula excruciare possint, apud nautas
expertus sum
; darum haben ihnen auch vermuthlich
die Griechen den verderblichen Nahmen gegeben.

Hier in Znaym muſste ich zum ersten Mahl Wein
trinken, weil der Göttertrank der Germanen in Wal¬
halla nicht mehr zu finden war. Der Wein war das
Maſs für vier und zwanzig Kreuzer sehr gut, wie mich
Schnorr versicherte; denn ich verstehe nichts davon
und trinke den besten Burgunder mit Wasser wie den
schlechtesten Potzdamer. Hier möchte ich wohl woh¬
nen, so lieblich und freundlich ist die ganze Gegend,
selbst unter dem Schnee. An der einen Seite stöſst
die Stadt an ziemliche Anhöhen, und auf den andern,
vorzüglich nach Oestreich, wird die Nachbarschaft sehr
malerisch durch die Menge Weingärten, die alle an
sanften Abhängen hin gepflanzt sind. Die beyden
Klöster an den beyden Enden der Stadt sind, wie die
meisten Mönchsitze, treffliche Plätze. Das eine nach
der Oestreichischen Seite hat Joseph der Zweyte unter
andern mit eingezogen. Die Gebäude desselben sind
so stattlich, daſs man sie für die Wohnung keines
kleinen Fürsten halten sollte. Im Kriege diente das
Kloster zu verschiedenen Behufen; bald zum Magazin,
bald zum Aufenthalt für Gefangene: jetzt steht es leer.

Die römische Ruine, die hier zu sehen ist, steht
zwey Stunden vor der Stadt, rechts hinab in einer
schönen Gegend. Da ich aber in Mähren keine rö¬
mischen Ruinen studieren will, wandelte ich meines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0049" n="23"/>
hen und auch in Italien nicht selten seyn sollen.<lb/>
Uebrigens ist es mir ziemlich einerley, ob ich mich<lb/>
auf Eyderdunen oder Bohnenstroh wälze: <hi rendition="#i">Sed quam<lb/>
misere ista animalcula excruciare possint, apud nautas<lb/>
expertus sum</hi>; darum haben ihnen auch vermuthlich<lb/>
die Griechen den verderblichen Nahmen gegeben.</p><lb/>
        <p>Hier in Znaym mu&#x017F;ste ich zum ersten Mahl Wein<lb/>
trinken, weil der Göttertrank der Germanen in Wal¬<lb/>
halla nicht mehr zu finden war. Der Wein war das<lb/>
Ma&#x017F;s für vier und zwanzig Kreuzer sehr gut, wie mich<lb/>
Schnorr versicherte; denn ich verstehe nichts davon<lb/>
und trinke den besten Burgunder mit Wasser wie den<lb/>
schlechtesten Potzdamer. Hier möchte ich wohl woh¬<lb/>
nen, so lieblich und freundlich ist die ganze Gegend,<lb/>
selbst unter dem Schnee. An der einen Seite stö&#x017F;st<lb/>
die Stadt an ziemliche Anhöhen, und auf den andern,<lb/>
vorzüglich nach Oestreich, wird die Nachbarschaft sehr<lb/>
malerisch durch die Menge Weingärten, die alle an<lb/>
sanften Abhängen hin gepflanzt sind. Die beyden<lb/>
Klöster an den beyden Enden der Stadt sind, wie die<lb/>
meisten Mönchsitze, treffliche Plätze. Das eine nach<lb/>
der Oestreichischen Seite hat Joseph der Zweyte unter<lb/>
andern mit eingezogen. Die Gebäude desselben sind<lb/>
so stattlich, da&#x017F;s man sie für die Wohnung keines<lb/>
kleinen Fürsten halten sollte. Im Kriege diente das<lb/>
Kloster zu verschiedenen Behufen; bald zum Magazin,<lb/>
bald zum Aufenthalt für Gefangene: jetzt steht es leer.</p><lb/>
        <p>Die römische Ruine, die hier zu sehen ist, steht<lb/>
zwey Stunden vor der Stadt, rechts hinab in einer<lb/>
schönen Gegend. Da ich aber in Mähren keine rö¬<lb/>
mischen Ruinen studieren will, wandelte ich meines<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0049] hen und auch in Italien nicht selten seyn sollen. Uebrigens ist es mir ziemlich einerley, ob ich mich auf Eyderdunen oder Bohnenstroh wälze: Sed quam misere ista animalcula excruciare possint, apud nautas expertus sum; darum haben ihnen auch vermuthlich die Griechen den verderblichen Nahmen gegeben. Hier in Znaym muſste ich zum ersten Mahl Wein trinken, weil der Göttertrank der Germanen in Wal¬ halla nicht mehr zu finden war. Der Wein war das Maſs für vier und zwanzig Kreuzer sehr gut, wie mich Schnorr versicherte; denn ich verstehe nichts davon und trinke den besten Burgunder mit Wasser wie den schlechtesten Potzdamer. Hier möchte ich wohl woh¬ nen, so lieblich und freundlich ist die ganze Gegend, selbst unter dem Schnee. An der einen Seite stöſst die Stadt an ziemliche Anhöhen, und auf den andern, vorzüglich nach Oestreich, wird die Nachbarschaft sehr malerisch durch die Menge Weingärten, die alle an sanften Abhängen hin gepflanzt sind. Die beyden Klöster an den beyden Enden der Stadt sind, wie die meisten Mönchsitze, treffliche Plätze. Das eine nach der Oestreichischen Seite hat Joseph der Zweyte unter andern mit eingezogen. Die Gebäude desselben sind so stattlich, daſs man sie für die Wohnung keines kleinen Fürsten halten sollte. Im Kriege diente das Kloster zu verschiedenen Behufen; bald zum Magazin, bald zum Aufenthalt für Gefangene: jetzt steht es leer. Die römische Ruine, die hier zu sehen ist, steht zwey Stunden vor der Stadt, rechts hinab in einer schönen Gegend. Da ich aber in Mähren keine rö¬ mischen Ruinen studieren will, wandelte ich meines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/49
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/49>, abgerufen am 24.11.2024.