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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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gleich die Ehreneinladung bestimmt ausschlug: denn
es zeigt wenigstens, ich sehe noch aus, als ob ich eine
Patrone beissen und mit schlagen könne. Im Wilden
Manne war die Gesellschaft an des Wirthstafel ziem¬
lich zahlreich und sehr artig. Der französische Kom¬
mandant, zu dem ich wegen meines Passes ging, war
freundlich und höflich. Der preussische Pass war in
Mailand revidiert worden, und der General Charpen¬
tier hatte daselbst bloss darauf geschrieben, dass er
durch die Schweiz nach Paris gültig sey. In Basel
wies man mich damit an den ersten Gränzposten, un¬
gefähr noch eine Stunde vor der Stadt. Als ich dort
ankam, sahe der Offizier nur flüchtig hinein, gab ihn
zurück und sagte: Vous etes bien en regle. Bon voya¬
ge!
und seitdem bin ich nirgends mehr darnach ge¬
fragt worden. So wie ich in das französische Gebiet
trat, war alles merklich wohlfeiler und man war
durchaus höflicher und billiger. In einem Dorfe nicht
weit von Belfort hielt ich eine herrliche Mittagsmahl¬
zeit mit Suppe, Rindfleisch, Zwischengericht, Braten,
zweyerley Desert und gutem Wein und zahlte dafür
dreyssig Sols. Dafür hätte ich jenseit der Alpen we¬
nigstens dreymal so viel bezahlen müssen. Den nehm¬
lichen Abend, vier Meilen von Basel, zahlte ich für
ein recht gutes Quartier mit Zehrung nur sechs und
vierzig Sols. So ging es verhältnissmässig immer fort;
und auch nicht viel theurer ist es in Paris. Mir thut
die Humanität und das allgemeine Wohlbefinden bes¬
ser als der wohlfeile Preis. Man spricht dort noch et¬
was deutsch und Leute von Erziehung bemühen sich
beyde Sprachen richtig und angenehm zu reden. Das

gleich die Ehreneinladung bestimmt ausschlug: denn
es zeigt wenigstens, ich sehe noch aus, als ob ich eine
Patrone beiſsen und mit schlagen könne. Im Wilden
Manne war die Gesellschaft an des Wirthstafel ziem¬
lich zahlreich und sehr artig. Der französische Kom¬
mandant, zu dem ich wegen meines Passes ging, war
freundlich und höflich. Der preuſsische Paſs war in
Mailand revidiert worden, und der General Charpen¬
tier hatte daselbst bloſs darauf geschrieben, daſs er
durch die Schweiz nach Paris gültig sey. In Basel
wies man mich damit an den ersten Gränzposten, un¬
gefähr noch eine Stunde vor der Stadt. Als ich dort
ankam, sahe der Offizier nur flüchtig hinein, gab ihn
zurück und sagte: Vous etes bien en regle. Bon voya¬
ge!
und seitdem bin ich nirgends mehr darnach ge¬
fragt worden. So wie ich in das französische Gebiet
trat, war alles merklich wohlfeiler und man war
durchaus höflicher und billiger. In einem Dorfe nicht
weit von Belfort hielt ich eine herrliche Mittagsmahl¬
zeit mit Suppe, Rindfleisch, Zwischengericht, Braten,
zweyerley Desert und gutem Wein und zahlte dafür
dreyſsig Sols. Dafür hätte ich jenseit der Alpen we¬
nigstens dreymal so viel bezahlen müssen. Den nehm¬
lichen Abend, vier Meilen von Basel, zahlte ich für
ein recht gutes Quartier mit Zehrung nur sechs und
vierzig Sols. So ging es verhältniſsmäſsig immer fort;
und auch nicht viel theurer ist es in Paris. Mir thut
die Humanität und das allgemeine Wohlbefinden bes¬
ser als der wohlfeile Preis. Man spricht dort noch et¬
was deutsch und Leute von Erziehung bemühen sich
beyde Sprachen richtig und angenehm zu reden. Das

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[438 /0466] gleich die Ehreneinladung bestimmt ausschlug: denn es zeigt wenigstens, ich sehe noch aus, als ob ich eine Patrone beiſsen und mit schlagen könne. Im Wilden Manne war die Gesellschaft an des Wirthstafel ziem¬ lich zahlreich und sehr artig. Der französische Kom¬ mandant, zu dem ich wegen meines Passes ging, war freundlich und höflich. Der preuſsische Paſs war in Mailand revidiert worden, und der General Charpen¬ tier hatte daselbst bloſs darauf geschrieben, daſs er durch die Schweiz nach Paris gültig sey. In Basel wies man mich damit an den ersten Gränzposten, un¬ gefähr noch eine Stunde vor der Stadt. Als ich dort ankam, sahe der Offizier nur flüchtig hinein, gab ihn zurück und sagte: Vous etes bien en regle. Bon voya¬ ge! und seitdem bin ich nirgends mehr darnach ge¬ fragt worden. So wie ich in das französische Gebiet trat, war alles merklich wohlfeiler und man war durchaus höflicher und billiger. In einem Dorfe nicht weit von Belfort hielt ich eine herrliche Mittagsmahl¬ zeit mit Suppe, Rindfleisch, Zwischengericht, Braten, zweyerley Desert und gutem Wein und zahlte dafür dreyſsig Sols. Dafür hätte ich jenseit der Alpen we¬ nigstens dreymal so viel bezahlen müssen. Den nehm¬ lichen Abend, vier Meilen von Basel, zahlte ich für ein recht gutes Quartier mit Zehrung nur sechs und vierzig Sols. So ging es verhältniſsmäſsig immer fort; und auch nicht viel theurer ist es in Paris. Mir thut die Humanität und das allgemeine Wohlbefinden bes¬ ser als der wohlfeile Preis. Man spricht dort noch et¬ was deutsch und Leute von Erziehung bemühen sich beyde Sprachen richtig und angenehm zu reden. Das

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 438 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/466>, abgerufen am 23.11.2024.