lien gut betragen, so wie man ihnen das nehmliche Zeugniss auch wohl in Deutschland nicht versagen kann. Man erzählt Beyspiele von Aufopferung und Edelmuth, die dem humanen Zuhörer ausserordentlich wohl thun, und seine sympathetische Natur für den Gegensatz entschädigen, der sich zuweilen zeigt. Ein¬ zelne Generale, Kommissäre und Offiziere machen oft grelle Ausnahmen. Unter den Generalen wird Murat als Erpresser und Plagegeist überall genannt; und mich däucht der Augenschein bestätigt die Beschuldigung: er wird bey einem grossen Aufwand reich. Ich habe eine ewige Regel, deren Richtigkeit ich mir nicht ab¬ streiten lasse. Wer in dem Dienst des Staats reich wird, kann kein Mann von edelm Charakter seyn. Je¬ der Staat besoldet seine Diener nur so, dass sie anstän¬ dig leben und höchstens einen Sichherheitspfennig sparen können: aber zum Reichthum kann es auf ei¬ ne ehrenvolle Weise durchaus keiner bringen. Es giebt nach meiner Meinung nur zwey rechtliche Wege zum Reichthum, nehmlich Handel und Oekonomie; einige wenige Glücksfälle ausgenommen. Ist der Staatsdie¬ ner zugleich Handelsmann, so hört er eben dadurch auf einem wichtigen Posten gut vorzustehen. Die Kommissäre haben einmal das unselige Privilegium die Nationen zu betrügen, weil man ihnen unmöglich alles genau durchschauen kann; und die französischen sollen es sehr ausgedehnt gebraucht haben. Revoltie¬ rend für mich ist es gewesen, wenn ich hörte, dass viele französische Offiziere frey durch alle Provinzen reisten, mit oder ohne Geschäft, sich nach ihrem Cha¬ rakter für sich und ihre Begleitung eine Menge Pfer¬
lien gut betragen, so wie man ihnen das nehmliche Zeugniſs auch wohl in Deutschland nicht versagen kann. Man erzählt Beyspiele von Aufopferung und Edelmuth, die dem humanen Zuhörer auſserordentlich wohl thun, und seine sympathetische Natur für den Gegensatz entschädigen, der sich zuweilen zeigt. Ein¬ zelne Generale, Kommissäre und Offiziere machen oft grelle Ausnahmen. Unter den Generalen wird Murat als Erpresser und Plagegeist überall genannt; und mich däucht der Augenschein bestätigt die Beschuldigung: er wird bey einem groſsen Aufwand reich. Ich habe eine ewige Regel, deren Richtigkeit ich mir nicht ab¬ streiten lasse. Wer in dem Dienst des Staats reich wird, kann kein Mann von edelm Charakter seyn. Je¬ der Staat besoldet seine Diener nur so, daſs sie anstän¬ dig leben und höchstens einen Sichherheitspfennig sparen können: aber zum Reichthum kann es auf ei¬ ne ehrenvolle Weise durchaus keiner bringen. Es giebt nach meiner Meinung nur zwey rechtliche Wege zum Reichthum, nehmlich Handel und Oekonomie; einige wenige Glücksfälle ausgenommen. Ist der Staatsdie¬ ner zugleich Handelsmann, so hört er eben dadurch auf einem wichtigen Posten gut vorzustehen. Die Kommissäre haben einmal das unselige Privilegium die Nationen zu betrügen, weil man ihnen unmöglich alles genau durchschauen kann; und die französischen sollen es sehr ausgedehnt gebraucht haben. Revoltie¬ rend für mich ist es gewesen, wenn ich hörte, daſs viele französische Offiziere frey durch alle Provinzen reisten, mit oder ohne Geschäft, sich nach ihrem Cha¬ rakter für sich und ihre Begleitung eine Menge Pfer¬
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lien gut betragen, so wie man ihnen das nehmliche
Zeugniſs auch wohl in Deutschland nicht versagen
kann. Man erzählt Beyspiele von Aufopferung und
Edelmuth, die dem humanen Zuhörer auſserordentlich
wohl thun, und seine sympathetische Natur für den
Gegensatz entschädigen, der sich zuweilen zeigt. Ein¬
zelne Generale, Kommissäre und Offiziere machen oft
grelle Ausnahmen. Unter den Generalen wird Murat
als Erpresser und Plagegeist überall genannt; und mich
däucht der Augenschein bestätigt die Beschuldigung:
er wird bey einem groſsen Aufwand reich. Ich habe
eine ewige Regel, deren Richtigkeit ich mir nicht ab¬
streiten lasse. Wer in dem Dienst des Staats reich
wird, kann kein Mann von edelm Charakter seyn. Je¬
der Staat besoldet seine Diener nur so, daſs sie anstän¬
dig leben und höchstens einen Sichherheitspfennig
sparen können: aber zum Reichthum kann es auf ei¬
ne ehrenvolle Weise durchaus keiner bringen. Es giebt
nach meiner Meinung nur zwey rechtliche Wege zum
Reichthum, nehmlich Handel und Oekonomie; einige
wenige Glücksfälle ausgenommen. Ist der Staatsdie¬
ner zugleich Handelsmann, so hört er eben dadurch
auf einem wichtigen Posten gut vorzustehen. Die
Kommissäre haben einmal das unselige Privilegium
die Nationen zu betrügen, weil man ihnen unmöglich
alles genau durchschauen kann; und die französischen
sollen es sehr ausgedehnt gebraucht haben. Revoltie¬
rend für mich ist es gewesen, wenn ich hörte, daſs
viele französische Offiziere frey durch alle Provinzen
reisten, mit oder ohne Geschäft, sich nach ihrem Cha¬
rakter für sich und ihre Begleitung eine Menge Pfer¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 433 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/461>, abgerufen am 22.11.2024.
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