den. Wenn wir einigen Engländern glauben wollen, die durch ihren persönlichen Charakter ihre Glaubwür¬ digkeit nicht verwirkt haben, so ist der Nordländer Suworow, wenn auch alles wahr war, was von ihm erzählt wird, immer noch ein Muster der Humanität gegen den Helden des Tages Bonaparte, der auf seinen morgenländischen Feldzügen die Gefangenen zu Tau¬ senden nieder kartätschen liess.
Hier oben behauptete man, wenn Suworow Zeit gehabt hätte nur noch sechs Tausend Mann über den Berg hinüber nach Zürich zu werfen, so wäre die Schlacht eben so fürchterlich gegen die Franzosen aus¬ gefallen, wie nun gegen die Russen. Alle Franzosen, mit denen ich über die Geschichte gesprochen habe, gestehen das nehmliche ein und sagen, bloss die Ent¬ fernung des Erzherzogs, der in die Falle des falschen Manövers am Unterrhein ging, sey die Ursache ihres Glücks gewesen; und sie bekennen, dass sie im gan¬ zen Kriege meistens nur die Fehler der Gegner gewon¬ nen haben. Hier in Zürich habe ich rund umher mich nach dem Betragen der Russen erkundigt, und man giebt ihnen überall das Zeugniss einer guten Auf¬ führung, die man doch anderwärts als abscheulich ge¬ schildert hat. Das thut Partheygeist. Man beklagt sich weit mehr über die Franzosen, deren Art Krieg zu führen dem Lande entsetzlich drückend seyn muss, da sie selten Magazine bey sich haben und zusammen treiben was möglich ist. Das geht einmal und zwey¬ mal; das drittemal muss es gefährlich werden; welches die Schlauköpfe sehr wohl wissen. Sie berechnen nur klug; Humanität ist ihnen sehr subalterner Zweck.
den. Wenn wir einigen Engländern glauben wollen, die durch ihren persönlichen Charakter ihre Glaubwür¬ digkeit nicht verwirkt haben, so ist der Nordländer Suworow, wenn auch alles wahr war, was von ihm erzählt wird, immer noch ein Muster der Humanität gegen den Helden des Tages Bonaparte, der auf seinen morgenländischen Feldzügen die Gefangenen zu Tau¬ senden nieder kartätschen lieſs.
Hier oben behauptete man, wenn Suworow Zeit gehabt hätte nur noch sechs Tausend Mann über den Berg hinüber nach Zürich zu werfen, so wäre die Schlacht eben so fürchterlich gegen die Franzosen aus¬ gefallen, wie nun gegen die Russen. Alle Franzosen, mit denen ich über die Geschichte gesprochen habe, gestehen das nehmliche ein und sagen, bloſs die Ent¬ fernung des Erzherzogs, der in die Falle des falschen Manövers am Unterrhein ging, sey die Ursache ihres Glücks gewesen; und sie bekennen, daſs sie im gan¬ zen Kriege meistens nur die Fehler der Gegner gewon¬ nen haben. Hier in Zürich habe ich rund umher mich nach dem Betragen der Russen erkundigt, und man giebt ihnen überall das Zeugniſs einer guten Auf¬ führung, die man doch anderwärts als abscheulich ge¬ schildert hat. Das thut Partheygeist. Man beklagt sich weit mehr über die Franzosen, deren Art Krieg zu führen dem Lande entsetzlich drückend seyn muſs, da sie selten Magazine bey sich haben und zusammen treiben was möglich ist. Das geht einmal und zwey¬ mal; das drittemal muſs es gefährlich werden; welches die Schlauköpfe sehr wohl wissen. Sie berechnen nur klug; Humanität ist ihnen sehr subalterner Zweck.
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[417 /0445]
den. Wenn wir einigen Engländern glauben wollen,
die durch ihren persönlichen Charakter ihre Glaubwür¬
digkeit nicht verwirkt haben, so ist der Nordländer
Suworow, wenn auch alles wahr war, was von ihm
erzählt wird, immer noch ein Muster der Humanität
gegen den Helden des Tages Bonaparte, der auf seinen
morgenländischen Feldzügen die Gefangenen zu Tau¬
senden nieder kartätschen lieſs.
Hier oben behauptete man, wenn Suworow Zeit
gehabt hätte nur noch sechs Tausend Mann über den
Berg hinüber nach Zürich zu werfen, so wäre die
Schlacht eben so fürchterlich gegen die Franzosen aus¬
gefallen, wie nun gegen die Russen. Alle Franzosen,
mit denen ich über die Geschichte gesprochen habe,
gestehen das nehmliche ein und sagen, bloſs die Ent¬
fernung des Erzherzogs, der in die Falle des falschen
Manövers am Unterrhein ging, sey die Ursache ihres
Glücks gewesen; und sie bekennen, daſs sie im gan¬
zen Kriege meistens nur die Fehler der Gegner gewon¬
nen haben. Hier in Zürich habe ich rund umher
mich nach dem Betragen der Russen erkundigt, und
man giebt ihnen überall das Zeugniſs einer guten Auf¬
führung, die man doch anderwärts als abscheulich ge¬
schildert hat. Das thut Partheygeist. Man beklagt sich
weit mehr über die Franzosen, deren Art Krieg zu
führen dem Lande entsetzlich drückend seyn muſs, da
sie selten Magazine bey sich haben und zusammen
treiben was möglich ist. Das geht einmal und zwey¬
mal; das drittemal muſs es gefährlich werden; welches
die Schlauköpfe sehr wohl wissen. Sie berechnen nur
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 417 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/445>, abgerufen am 22.11.2024.
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