ihm zu seinen Absichten in Europa als etwas undienst¬ lich vorkommen, auf diese gute kluge Weise fortzu¬ schaffen suche, welches man auch hier und da zu merken scheint. Auch werden die Unruhen dort viel¬ leicht geflissentlich nicht so schnell gedämpft, als wohl sonst die französische Energie vermöchte.
Die freundliche Aufnahme des Generals hielt mich mehrere Tage länger hier, als ich zu bleiben gesonnen war; und in den Mussenstunden lese ich mit viel Ge¬ nuss Wielands Oberon, den mir ein Landsmann brachte. Die ersten Tage hatte man mich im Wirthshause mit einem gewissen Misstrauen wie einen gewöhnlichen Tornisterträger behandelt, da ich aber täglich zum Ge¬ neral ging, feine Hemden in die Wäsche gab, artige Leute zum Besuch auf meinem Zimmer empfing, und vorzüglich wohl da ich einige schwere Goldstücke wechseln liess, ward das ganze Haus vom Prinzipal bis zum letzten Stubenfeger ungewöhnlich artig. Noch muss ich Dir bemerken, dass ich in Mailand von ganz Italien nach meinem Geschmack die schönsten Weiber gefunden habe; den Korso in Rom nicht ausgenom¬ men. Ich urtheile nach den Promenaden, die hier sehr volkreich sind, und nach den Schauspielen. Hier im Hause hatte ich nun vermuthlich, wie in Italien oft, das Unglück, für einen reichen Sonderling zu gel¬ ten, den man nach seiner Weise behandeln müsse. Ich mochte in Unteritalien und Sicilien oft protestieren so viel ich wollte, und meine Deutschheit behaupten, so war Signor Inglese und Eccellenza; und man mach¬ te die Rechnung darnach. So etwas mochte man auch nach verjüngtem Massstabe in Mailand denken. Die
ihm zu seinen Absichten in Europa als etwas undienst¬ lich vorkommen, auf diese gute kluge Weise fortzu¬ schaffen suche, welches man auch hier und da zu merken scheint. Auch werden die Unruhen dort viel¬ leicht geflissentlich nicht so schnell gedämpft, als wohl sonst die französische Energie vermöchte.
Die freundliche Aufnahme des Generals hielt mich mehrere Tage länger hier, als ich zu bleiben gesonnen war; und in den Muſsenstunden lese ich mit viel Ge¬ nuſs Wielands Oberon, den mir ein Landsmann brachte. Die ersten Tage hatte man mich im Wirthshause mit einem gewissen Miſstrauen wie einen gewöhnlichen Tornisterträger behandelt, da ich aber täglich zum Ge¬ neral ging, feine Hemden in die Wäsche gab, artige Leute zum Besuch auf meinem Zimmer empfing, und vorzüglich wohl da ich einige schwere Goldstücke wechseln lieſs, ward das ganze Haus vom Prinzipal bis zum letzten Stubenfeger ungewöhnlich artig. Noch muſs ich Dir bemerken, daſs ich in Mailand von ganz Italien nach meinem Geschmack die schönsten Weiber gefunden habe; den Korso in Rom nicht ausgenom¬ men. Ich urtheile nach den Promenaden, die hier sehr volkreich sind, und nach den Schauspielen. Hier im Hause hatte ich nun vermuthlich, wie in Italien oft, das Unglück, für einen reichen Sonderling zu gel¬ ten, den man nach seiner Weise behandeln müsse. Ich mochte in Unteritalien und Sicilien oft protestieren so viel ich wollte, und meine Deutschheit behaupten, so war Signor Inglese und Eccellenza; und man mach¬ te die Rechnung darnach. So etwas mochte man auch nach verjüngtem Maſsstabe in Mailand denken. Die
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ihm zu seinen Absichten in Europa als etwas undienst¬
lich vorkommen, auf diese gute kluge Weise fortzu¬
schaffen suche, welches man auch hier und da zu
merken scheint. Auch werden die Unruhen dort viel¬
leicht geflissentlich nicht so schnell gedämpft, als wohl
sonst die französische Energie vermöchte.
Die freundliche Aufnahme des Generals hielt mich
mehrere Tage länger hier, als ich zu bleiben gesonnen
war; und in den Muſsenstunden lese ich mit viel Ge¬
nuſs Wielands Oberon, den mir ein Landsmann brachte.
Die ersten Tage hatte man mich im Wirthshause mit
einem gewissen Miſstrauen wie einen gewöhnlichen
Tornisterträger behandelt, da ich aber täglich zum Ge¬
neral ging, feine Hemden in die Wäsche gab, artige
Leute zum Besuch auf meinem Zimmer empfing, und
vorzüglich wohl da ich einige schwere Goldstücke
wechseln lieſs, ward das ganze Haus vom Prinzipal
bis zum letzten Stubenfeger ungewöhnlich artig. Noch
muſs ich Dir bemerken, daſs ich in Mailand von ganz
Italien nach meinem Geschmack die schönsten Weiber
gefunden habe; den Korso in Rom nicht ausgenom¬
men. Ich urtheile nach den Promenaden, die hier
sehr volkreich sind, und nach den Schauspielen. Hier
im Hause hatte ich nun vermuthlich, wie in Italien
oft, das Unglück, für einen reichen Sonderling zu gel¬
ten, den man nach seiner Weise behandeln müsse.
Ich mochte in Unteritalien und Sicilien oft protestieren
so viel ich wollte, und meine Deutschheit behaupten,
so war Signor Inglese und Eccellenza; und man mach¬
te die Rechnung darnach. So etwas mochte man auch
nach verjüngtem Maſsstabe in Mailand denken. Die
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 410 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/438>, abgerufen am 25.11.2024.
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