Von Rom hierher ging ich halb im Wagen, halb zu Fusse; im Wagen so weit ich musste, zu so weit ich konnte. Man hatte während meines Aufenthalts in Rom auf der Strasse von Florenz Kouriere geplün¬ dert, Soldaten erschossen und grosse Summen geraubt. Es wäre Tollkühnheit gewesen, allein zu wallfahrten, wenn man nicht geradezu ein Bettler war, und sich durch das cantabit vacuus sichern konnte. Ich fuhr also mit einer Gesellschaft nach Florenz. Von Ron¬ ciglione nach Viterbo gehts am See hinauf über den Ciminus. Auf dem Berge empfehle ich Dir die Aus¬ sicht rechts hinüber nach dem Soratte; sie ist herr¬ lich. Man sieht hinüber nach Nepi und Civitacastella¬ na, bis fast nach Otrikoli, und weiter hin in die noch beschneyten Apenninen. Die Nebelwölkchen kräusel¬ ten sich herrlich und bezeichneten den Lauf der Ti¬ ber. Trotz der gedrohten Gefahr konnte ich doch nicht im Wagen bleiben, und trollte meistens zu Fusse voraus und hinterher. Nicht weit von Viterbo begeg¬ nete uns eine Gesellschaft, die nach aller Beschreibung, die ich schon in Rom von ihnen hatte, eine Karavane deutscher Künstler war, welche nach Paris von Rom gingen. Der Wagen fuhr eben bergab sehr schnell, und ich konnte mich nicht erkundigen.
Du kannst denken, dass ich auf Thümmels Em¬ pfehlung in Montefiaskone den Estest nicht vergass. Er ist für mich der erste Wein der Erde; und doch hatte ich nicht bischöfliches Blut: zwey Flaschen trank
Mailand.
Von Rom hierher ging ich halb im Wagen, halb zu Fuſse; im Wagen so weit ich muſste, zu so weit ich konnte. Man hatte während meines Aufenthalts in Rom auf der Straſse von Florenz Kouriere geplün¬ dert, Soldaten erschossen und groſse Summen geraubt. Es wäre Tollkühnheit gewesen, allein zu wallfahrten, wenn man nicht geradezu ein Bettler war, und sich durch das cantabit vacuus sichern konnte. Ich fuhr also mit einer Gesellschaft nach Florenz. Von Ron¬ ciglione nach Viterbo gehts am See hinauf über den Ciminus. Auf dem Berge empfehle ich Dir die Aus¬ sicht rechts hinüber nach dem Soratte; sie ist herr¬ lich. Man sieht hinüber nach Nepi und Civitacastella¬ na, bis fast nach Otrikoli, und weiter hin in die noch beschneyten Apenninen. Die Nebelwölkchen kräusel¬ ten sich herrlich und bezeichneten den Lauf der Ti¬ ber. Trotz der gedrohten Gefahr konnte ich doch nicht im Wagen bleiben, und trollte meistens zu Fuſse voraus und hinterher. Nicht weit von Viterbo begeg¬ nete uns eine Gesellschaft, die nach aller Beschreibung, die ich schon in Rom von ihnen hatte, eine Karavane deutscher Künstler war, welche nach Paris von Rom gingen. Der Wagen fuhr eben bergab sehr schnell, und ich konnte mich nicht erkundigen.
Du kannst denken, daſs ich auf Thümmels Em¬ pfehlung in Montefiaskone den Estest nicht vergaſs. Er ist für mich der erste Wein der Erde; und doch hatte ich nicht bischöfliches Blut: zwey Flaschen trank
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[[384]/0412]
Mailand.
Von Rom hierher ging ich halb im Wagen, halb zu
Fuſse; im Wagen so weit ich muſste, zu so weit
ich konnte. Man hatte während meines Aufenthalts
in Rom auf der Straſse von Florenz Kouriere geplün¬
dert, Soldaten erschossen und groſse Summen geraubt.
Es wäre Tollkühnheit gewesen, allein zu wallfahrten,
wenn man nicht geradezu ein Bettler war, und sich
durch das cantabit vacuus sichern konnte. Ich fuhr
also mit einer Gesellschaft nach Florenz. Von Ron¬
ciglione nach Viterbo gehts am See hinauf über den
Ciminus. Auf dem Berge empfehle ich Dir die Aus¬
sicht rechts hinüber nach dem Soratte; sie ist herr¬
lich. Man sieht hinüber nach Nepi und Civitacastella¬
na, bis fast nach Otrikoli, und weiter hin in die noch
beschneyten Apenninen. Die Nebelwölkchen kräusel¬
ten sich herrlich und bezeichneten den Lauf der Ti¬
ber. Trotz der gedrohten Gefahr konnte ich doch
nicht im Wagen bleiben, und trollte meistens zu Fuſse
voraus und hinterher. Nicht weit von Viterbo begeg¬
nete uns eine Gesellschaft, die nach aller Beschreibung,
die ich schon in Rom von ihnen hatte, eine Karavane
deutscher Künstler war, welche nach Paris von Rom
gingen. Der Wagen fuhr eben bergab sehr schnell,
und ich konnte mich nicht erkundigen.
Du kannst denken, daſs ich auf Thümmels Em¬
pfehlung in Montefiaskone den Estest nicht vergaſs.
Er ist für mich der erste Wein der Erde; und doch
hatte ich nicht bischöfliches Blut: zwey Flaschen trank
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. [384]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/412>, abgerufen am 19.11.2024.
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