Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

hat Monumente besserer Bedeutung hinterlassen. Wo
bey Fraskati wahrscheinlich des grossen Tullius Tusku¬
lum gestanden hat, sieht man jetzt sehr analog --
eine Papiermühle. Das Plätzchen ist sehr philosophisch;
nur würde Thucydides hier schwerlich de natura deo¬
rum geschrieben haben. Der schönste Ort von allen
antiken Gebäuden, die ich noch gesehen habe, ist un¬
streitig die Ville des Mecän in Tivoli. Man kann an¬
nehmen, dass der Schmeichler Horaz hier mehrere
seiner lieblichsten Oden gedichtet habe, für den gewal¬
tigen Mann, neben und unter dem er hier hauste.
Man wollte mich unten am Flusse jenseits in ein
Haus führen, wo noch Horazens Bad zu sehen seyn
soll; aber ich hatte nicht Lust: es fiel mir seine Cani¬
dia ein. Virgil war ein feinerer Mann und ein besse¬
rer Mensch. Kein Stein ist hier oben ohne Namen
und um die Kaskade und die Grotte und um die
Kaskadellen. Wenn ich Dir die Kaskadellen von un¬
serm Reinhart mit bringen könnte, das würde für
Dich noch Beute aus Hesperien seyn: ich bin nur
Laie.

Von den Kunstschätzen in Rom darf ich nicht
anfangen. Die Franzosen haben allerdings vieles fort¬
geschafft; aber der Abgang wird bey dem grossen
Reichthum doch nicht sehr vermisst. Ueberdiess haben
sie mit wahrem Ehrgefühl kein Privateigenthum ange¬
tastet. Einigen ihrer vehementesten Gegner haben sie
gedroht; doch ist es bey den Drohungen geblieben:
und die Privatsammlungen sind bekanntlich zahlreich
und sehr ansehnlich. Nur einige sind durch die Zeit¬
umstände von ihren Besitzern zersplittert worden; vor¬

hat Monumente besserer Bedeutung hinterlassen. Wo
bey Fraskati wahrscheinlich des groſsen Tullius Tusku¬
lum gestanden hat, sieht man jetzt sehr analog —
eine Papiermühle. Das Plätzchen ist sehr philosophisch;
nur würde Thucydides hier schwerlich de natura deo¬
rum geschrieben haben. Der schönste Ort von allen
antiken Gebäuden, die ich noch gesehen habe, ist un¬
streitig die Ville des Mecän in Tivoli. Man kann an¬
nehmen, daſs der Schmeichler Horaz hier mehrere
seiner lieblichsten Oden gedichtet habe, für den gewal¬
tigen Mann, neben und unter dem er hier hauste.
Man wollte mich unten am Flusse jenseits in ein
Haus führen, wo noch Horazens Bad zu sehen seyn
soll; aber ich hatte nicht Lust: es fiel mir seine Cani¬
dia ein. Virgil war ein feinerer Mann und ein besse¬
rer Mensch. Kein Stein ist hier oben ohne Namen
und um die Kaskade und die Grotte und um die
Kaskadellen. Wenn ich Dir die Kaskadellen von un¬
serm Reinhart mit bringen könnte, das würde für
Dich noch Beute aus Hesperien seyn: ich bin nur
Laie.

Von den Kunstschätzen in Rom darf ich nicht
anfangen. Die Franzosen haben allerdings vieles fort¬
geschafft; aber der Abgang wird bey dem groſsen
Reichthum doch nicht sehr vermiſst. Ueberdieſs haben
sie mit wahrem Ehrgefühl kein Privateigenthum ange¬
tastet. Einigen ihrer vehementesten Gegner haben sie
gedroht; doch ist es bey den Drohungen geblieben:
und die Privatsammlungen sind bekanntlich zahlreich
und sehr ansehnlich. Nur einige sind durch die Zeit¬
umstände von ihren Besitzern zersplittert worden; vor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0397" n="369 "/>
hat Monumente besserer Bedeutung hinterlassen. Wo<lb/>
bey Fraskati wahrscheinlich des gro&#x017F;sen Tullius Tusku¬<lb/>
lum gestanden hat, sieht man jetzt sehr analog &#x2014;<lb/>
eine Papiermühle. Das Plätzchen ist sehr philosophisch;<lb/>
nur würde Thucydides hier schwerlich <hi rendition="#i">de natura deo</hi>¬<lb/><hi rendition="#i">rum</hi> geschrieben haben. Der schönste Ort von allen<lb/>
antiken Gebäuden, die ich noch gesehen habe, ist un¬<lb/>
streitig die Ville des Mecän in Tivoli. Man kann an¬<lb/>
nehmen, da&#x017F;s der Schmeichler Horaz hier mehrere<lb/>
seiner lieblichsten Oden gedichtet habe, für den gewal¬<lb/>
tigen Mann, neben und unter dem er hier hauste.<lb/>
Man wollte mich unten am Flusse jenseits in ein<lb/>
Haus führen, wo noch Horazens Bad zu sehen seyn<lb/>
soll; aber ich hatte nicht Lust: es fiel mir seine Cani¬<lb/>
dia ein. Virgil war ein feinerer Mann und ein besse¬<lb/>
rer Mensch. Kein Stein ist hier oben ohne Namen<lb/>
und um die Kaskade und die Grotte und um die<lb/>
Kaskadellen. Wenn ich Dir die Kaskadellen von un¬<lb/>
serm Reinhart mit bringen könnte, das würde für<lb/>
Dich noch Beute aus Hesperien seyn: ich bin nur<lb/>
Laie.</p><lb/>
        <p>Von den Kunstschätzen in Rom darf ich nicht<lb/>
anfangen. Die Franzosen haben allerdings vieles fort¬<lb/>
geschafft; aber der Abgang wird bey dem gro&#x017F;sen<lb/>
Reichthum doch nicht sehr vermi&#x017F;st. Ueberdie&#x017F;s haben<lb/>
sie mit wahrem Ehrgefühl kein Privateigenthum ange¬<lb/>
tastet. Einigen ihrer vehementesten Gegner haben sie<lb/>
gedroht; doch ist es bey den Drohungen geblieben:<lb/>
und die Privatsammlungen sind bekanntlich zahlreich<lb/>
und sehr ansehnlich. Nur einige sind durch die Zeit¬<lb/>
umstände von ihren Besitzern zersplittert worden; vor¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369 /0397] hat Monumente besserer Bedeutung hinterlassen. Wo bey Fraskati wahrscheinlich des groſsen Tullius Tusku¬ lum gestanden hat, sieht man jetzt sehr analog — eine Papiermühle. Das Plätzchen ist sehr philosophisch; nur würde Thucydides hier schwerlich de natura deo¬ rum geschrieben haben. Der schönste Ort von allen antiken Gebäuden, die ich noch gesehen habe, ist un¬ streitig die Ville des Mecän in Tivoli. Man kann an¬ nehmen, daſs der Schmeichler Horaz hier mehrere seiner lieblichsten Oden gedichtet habe, für den gewal¬ tigen Mann, neben und unter dem er hier hauste. Man wollte mich unten am Flusse jenseits in ein Haus führen, wo noch Horazens Bad zu sehen seyn soll; aber ich hatte nicht Lust: es fiel mir seine Cani¬ dia ein. Virgil war ein feinerer Mann und ein besse¬ rer Mensch. Kein Stein ist hier oben ohne Namen und um die Kaskade und die Grotte und um die Kaskadellen. Wenn ich Dir die Kaskadellen von un¬ serm Reinhart mit bringen könnte, das würde für Dich noch Beute aus Hesperien seyn: ich bin nur Laie. Von den Kunstschätzen in Rom darf ich nicht anfangen. Die Franzosen haben allerdings vieles fort¬ geschafft; aber der Abgang wird bey dem groſsen Reichthum doch nicht sehr vermiſst. Ueberdieſs haben sie mit wahrem Ehrgefühl kein Privateigenthum ange¬ tastet. Einigen ihrer vehementesten Gegner haben sie gedroht; doch ist es bey den Drohungen geblieben: und die Privatsammlungen sind bekanntlich zahlreich und sehr ansehnlich. Nur einige sind durch die Zeit¬ umstände von ihren Besitzern zersplittert worden; vor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/397
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 369 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/397>, abgerufen am 25.11.2024.