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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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mit etwas bösem Gewissen voraus, weil ich dem Herrn
Zolleinnehmer nicht gern in die Hände fallen wollte.
Dieser Herr hatte nehmlich auf meiner Hinreise einen
sehr grossen Gefallen an meinem Seehundstornister
bekommen, wollte ihn durchaus haben und bot mir
bis zu drey goldenen Unzen darauf. Ich wollte ihn
nicht missen, hatte seiner Zudringlichkeit aber doch
einige Hoffnung gemacht, wenn ich zurück käme: und
jetzt wollte ich ihn eben so wenig missen. Wer bringt
nicht gern Haut und Fell und alles wieder heil mit
sich zurück? Durch die Pontinen ging es diessmal die
Nacht, welches ich sehr wohl zufrieden war. Der
Morgen graute, als wir in Veletri eintrafen. Nun kam
aber eine ächt italiänische Stelle, über der ich leicht
hätte den Hals brechen können.

Ich habe die Gewohnheit beständig voraus zu lau¬
fen, wo ich kann. Zwischen Gensano und Aricia ist
eine schöne Waldgegend, durch welche die Strasse
geht. Oben am Berge bat der Postillion, wir möchten
aussteigen, weil er vermuthlich den Hemmschuh ein¬
legen wollte und am Wagen etwas zu hämmern hatte.
Der Offizier blieb bey seinen Depeschen am Wagen,
und ich schlenderte leicht und unbefangen den Berg
hinunter in den Wald hinein, und dachte wie
ich Freund Reinhart in Aricia überraschen würde, der
jetzt daselbst seyn wollte. Ungefähr sieben Minuten
mochte ich so fort gewandelt seyn, da stürzten links
aus dem Gebüsche vier Kerle auf mich zu. Ihre Both¬
schaft erklärte sich sogleich. Einer fasste mich bey
der Krause und setzte mir den Dolch an die Kehle;
der andere am Arm, und setzte mir den Dolch auf

mit etwas bösem Gewissen voraus, weil ich dem Herrn
Zolleinnehmer nicht gern in die Hände fallen wollte.
Dieser Herr hatte nehmlich auf meiner Hinreise einen
sehr groſsen Gefallen an meinem Seehundstornister
bekommen, wollte ihn durchaus haben und bot mir
bis zu drey goldenen Unzen darauf. Ich wollte ihn
nicht missen, hatte seiner Zudringlichkeit aber doch
einige Hoffnung gemacht, wenn ich zurück käme: und
jetzt wollte ich ihn eben so wenig missen. Wer bringt
nicht gern Haut und Fell und alles wieder heil mit
sich zurück? Durch die Pontinen ging es dieſsmal die
Nacht, welches ich sehr wohl zufrieden war. Der
Morgen graute, als wir in Veletri eintrafen. Nun kam
aber eine ächt italiänische Stelle, über der ich leicht
hätte den Hals brechen können.

Ich habe die Gewohnheit beständig voraus zu lau¬
fen, wo ich kann. Zwischen Gensano und Aricia ist
eine schöne Waldgegend, durch welche die Straſse
geht. Oben am Berge bat der Postillion, wir möchten
aussteigen, weil er vermuthlich den Hemmschuh ein¬
legen wollte und am Wagen etwas zu hämmern hatte.
Der Offizier blieb bey seinen Depeschen am Wagen,
und ich schlenderte leicht und unbefangen den Berg
hinunter in den Wald hinein, und dachte wie
ich Freund Reinhart in Aricia überraschen würde, der
jetzt daselbst seyn wollte. Ungefähr sieben Minuten
mochte ich so fort gewandelt seyn, da stürzten links
aus dem Gebüsche vier Kerle auf mich zu. Ihre Both¬
schaft erklärte sich sogleich. Einer faſste mich bey
der Krause und setzte mir den Dolch an die Kehle;
der andere am Arm, und setzte mir den Dolch auf

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[361 /0389] mit etwas bösem Gewissen voraus, weil ich dem Herrn Zolleinnehmer nicht gern in die Hände fallen wollte. Dieser Herr hatte nehmlich auf meiner Hinreise einen sehr groſsen Gefallen an meinem Seehundstornister bekommen, wollte ihn durchaus haben und bot mir bis zu drey goldenen Unzen darauf. Ich wollte ihn nicht missen, hatte seiner Zudringlichkeit aber doch einige Hoffnung gemacht, wenn ich zurück käme: und jetzt wollte ich ihn eben so wenig missen. Wer bringt nicht gern Haut und Fell und alles wieder heil mit sich zurück? Durch die Pontinen ging es dieſsmal die Nacht, welches ich sehr wohl zufrieden war. Der Morgen graute, als wir in Veletri eintrafen. Nun kam aber eine ächt italiänische Stelle, über der ich leicht hätte den Hals brechen können. Ich habe die Gewohnheit beständig voraus zu lau¬ fen, wo ich kann. Zwischen Gensano und Aricia ist eine schöne Waldgegend, durch welche die Straſse geht. Oben am Berge bat der Postillion, wir möchten aussteigen, weil er vermuthlich den Hemmschuh ein¬ legen wollte und am Wagen etwas zu hämmern hatte. Der Offizier blieb bey seinen Depeschen am Wagen, und ich schlenderte leicht und unbefangen den Berg hinunter in den Wald hinein, und dachte wie ich Freund Reinhart in Aricia überraschen würde, der jetzt daselbst seyn wollte. Ungefähr sieben Minuten mochte ich so fort gewandelt seyn, da stürzten links aus dem Gebüsche vier Kerle auf mich zu. Ihre Both¬ schaft erklärte sich sogleich. Einer faſste mich bey der Krause und setzte mir den Dolch an die Kehle; der andere am Arm, und setzte mir den Dolch auf

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 361 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/389>, abgerufen am 25.11.2024.