denen man dieses hier nicht hätte erwarten sollen: bey der Sibylle ist es etwas anders.
Von Salerne aus war ich mit einer Dame aus Ka¬ serta und ihrem Vetter zurück gefahren. Als diese hörten, dass ich von Portici aus auf den Berg wollte, thaten sie den Vorschlag Parthie zu machen. Ich hatte nichts dagegen; wir mietheten Esel und ritten. Was vorher zu sehen war geschah; die Dame konnte, als wir absteigen mussten, zu Fusse nicht weit fort und blieb zurück; und ich war so ungalant mich nicht darum zu bekümmern. Der Herr Vetter strengte sich an, und arbeitete mir nach. Als wir an die Oeff¬ nung gekommen waren, aus welcher der letzte Strom über Torre del Greco hinunter gebrochen war, wollte der Führer nicht weiter und sagte, weiter ginge sein Akkord nicht. Ich wollte mich weiter nicht über die Unverschämtheit des Betrügers ärgern und erklärte ihm ganz kurz und laut, er möchte machen was er wollte; ich würde hinauf steigen. Doch nicht allein? meinte er. Ganz allein, sagte ich, wenn niemand mit mir geht; und ich stapelte immer rasch den Sand¬ berg hinauf. Er besann sich doch und folgte. Es ist eine Arbeit, die schwerer ist als auf den Aetna zu ge¬ hen; wenigstens über den Schnee, wie ich es fand. Der Sand und die Asche machen das Steigen entsetz¬ lich beschwerlich: man sinkt fast so viel rückwärts, als man vorwärts geht. Es war übrigens Gewitterluft und drückend heiss. Endlich kam ich oben an dem Rande an. Der Krater ist jetzt, wie Du schon weisst, eingestürzt, der Berg ein beträchtliches niedriger, und es ist gar keine eigentliche grössere Oeffnung mehr
23
denen man dieses hier nicht hätte erwarten sollen: bey der Sibylle ist es etwas anders.
Von Salerne aus war ich mit einer Dame aus Ka¬ serta und ihrem Vetter zurück gefahren. Als diese hörten, daſs ich von Portici aus auf den Berg wollte, thaten sie den Vorschlag Parthie zu machen. Ich hatte nichts dagegen; wir mietheten Esel und ritten. Was vorher zu sehen war geschah; die Dame konnte, als wir absteigen muſsten, zu Fuſse nicht weit fort und blieb zurück; und ich war so ungalant mich nicht darum zu bekümmern. Der Herr Vetter strengte sich an, und arbeitete mir nach. Als wir an die Oeff¬ nung gekommen waren, aus welcher der letzte Strom über Torre del Greco hinunter gebrochen war, wollte der Führer nicht weiter und sagte, weiter ginge sein Akkord nicht. Ich wollte mich weiter nicht über die Unverschämtheit des Betrügers ärgern und erklärte ihm ganz kurz und laut, er möchte machen was er wollte; ich würde hinauf steigen. Doch nicht allein? meinte er. Ganz allein, sagte ich, wenn niemand mit mir geht; und ich stapelte immer rasch den Sand¬ berg hinauf. Er besann sich doch und folgte. Es ist eine Arbeit, die schwerer ist als auf den Aetna zu ge¬ hen; wenigstens über den Schnee, wie ich es fand. Der Sand und die Asche machen das Steigen entsetz¬ lich beschwerlich: man sinkt fast so viel rückwärts, als man vorwärts geht. Es war übrigens Gewitterluft und drückend heiſs. Endlich kam ich oben an dem Rande an. Der Krater ist jetzt, wie Du schon weiſst, eingestürzt, der Berg ein beträchtliches niedriger, und es ist gar keine eigentliche gröſsere Oeffnung mehr
23
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0379"n="351 "/>
denen man dieses hier nicht hätte erwarten sollen: bey<lb/>
der Sibylle ist es etwas anders.</p><lb/><p>Von Salerne aus war ich mit einer Dame aus Ka¬<lb/>
serta und ihrem Vetter zurück gefahren. Als diese<lb/>
hörten, daſs ich von Portici aus auf den Berg wollte,<lb/>
thaten sie den Vorschlag Parthie zu machen. Ich<lb/>
hatte nichts dagegen; wir mietheten Esel und ritten.<lb/>
Was vorher zu sehen war geschah; die Dame konnte,<lb/>
als wir absteigen muſsten, zu Fuſse nicht weit fort<lb/>
und blieb zurück; und ich war so ungalant mich<lb/>
nicht darum zu bekümmern. Der Herr Vetter strengte<lb/>
sich an, und arbeitete mir nach. Als wir an die Oeff¬<lb/>
nung gekommen waren, aus welcher der letzte Strom<lb/>
über Torre del Greco hinunter gebrochen war, wollte<lb/>
der Führer nicht weiter und sagte, weiter ginge sein<lb/>
Akkord nicht. Ich wollte mich weiter nicht über die<lb/>
Unverschämtheit des Betrügers ärgern und erklärte<lb/>
ihm ganz kurz und laut, er möchte machen was er<lb/>
wollte; ich würde hinauf steigen. Doch nicht allein?<lb/>
meinte er. Ganz allein, sagte ich, wenn niemand<lb/>
mit mir geht; und ich stapelte immer rasch den Sand¬<lb/>
berg hinauf. Er besann sich doch und folgte. Es ist<lb/>
eine Arbeit, die schwerer ist als auf den Aetna zu ge¬<lb/>
hen; wenigstens über den Schnee, wie ich es fand.<lb/>
Der Sand und die Asche machen das Steigen entsetz¬<lb/>
lich beschwerlich: man sinkt fast so viel rückwärts,<lb/>
als man vorwärts geht. Es war übrigens Gewitterluft<lb/>
und drückend heiſs. Endlich kam ich oben an dem<lb/>
Rande an. Der Krater ist jetzt, wie Du schon weiſst,<lb/>
eingestürzt, der Berg ein beträchtliches niedriger, und<lb/>
es ist gar keine eigentliche gröſsere Oeffnung mehr<lb/><fwplace="bottom"type="sig">23<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[351 /0379]
denen man dieses hier nicht hätte erwarten sollen: bey
der Sibylle ist es etwas anders.
Von Salerne aus war ich mit einer Dame aus Ka¬
serta und ihrem Vetter zurück gefahren. Als diese
hörten, daſs ich von Portici aus auf den Berg wollte,
thaten sie den Vorschlag Parthie zu machen. Ich
hatte nichts dagegen; wir mietheten Esel und ritten.
Was vorher zu sehen war geschah; die Dame konnte,
als wir absteigen muſsten, zu Fuſse nicht weit fort
und blieb zurück; und ich war so ungalant mich
nicht darum zu bekümmern. Der Herr Vetter strengte
sich an, und arbeitete mir nach. Als wir an die Oeff¬
nung gekommen waren, aus welcher der letzte Strom
über Torre del Greco hinunter gebrochen war, wollte
der Führer nicht weiter und sagte, weiter ginge sein
Akkord nicht. Ich wollte mich weiter nicht über die
Unverschämtheit des Betrügers ärgern und erklärte
ihm ganz kurz und laut, er möchte machen was er
wollte; ich würde hinauf steigen. Doch nicht allein?
meinte er. Ganz allein, sagte ich, wenn niemand
mit mir geht; und ich stapelte immer rasch den Sand¬
berg hinauf. Er besann sich doch und folgte. Es ist
eine Arbeit, die schwerer ist als auf den Aetna zu ge¬
hen; wenigstens über den Schnee, wie ich es fand.
Der Sand und die Asche machen das Steigen entsetz¬
lich beschwerlich: man sinkt fast so viel rückwärts,
als man vorwärts geht. Es war übrigens Gewitterluft
und drückend heiſs. Endlich kam ich oben an dem
Rande an. Der Krater ist jetzt, wie Du schon weiſst,
eingestürzt, der Berg ein beträchtliches niedriger, und
es ist gar keine eigentliche gröſsere Oeffnung mehr
23
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 351 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/379>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.