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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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man künftig in Pästum wieder Rosen findet: wenig¬
stens will ich hiermit alle bitten, die nehmlichen Er¬
innerungen eindringlich zu wiederholen, bis es
fruchtet.

Eine Abhandlung über die Tempel erwarte nicht.
Ich setzte mich an einem Rest von Altar hin, der in
einem derselben noch zu finden ist, und ruhte eine
Viertelstunde unter meinen Freunden, den Griechen.
Wenn einer ihrer Geister zurück käme und mich Hy¬
perboreer unter den letzten Trümmern seiner Vater¬
stadt sähe! Hier ist mehr als in Agrigent. Ich bin
nicht der erste, welcher es anmerkt, was die Leute
für gewaltig hohe Stufen gemacht haben, hier und in
Agrigent. Man muss sehr elastisch steigen, oder man
ist in Gefahr sich einen Bruch zu schreiten. Dass ei¬
ner von den Tempeln dem Neptun gehöre, beruht
wahrscheinlich auf dem Umstand dass er der vorzüg¬
liche Schutzgott der Stadt war: so wie man eines der
Gebäude für eine Palästra hält, weil es anders als die
gewöhnlichen Tempel mit zwey Reihen Säulen über
einander gebaut ist. Sollte dieses nicht vielmehr ein
Bulevterion gewesen seyn? Denn es lässt sich nicht
wohl begreifen, wozu die obere Säulenreihe in einer
Palästra dienen sollte. Vielleicht war es auch Bulev¬
terion und Palästra zugleich; unten dieses, oben jenes.
Nicht weit von den Gebäuden zeigte man mir noch
eine Seltenheit, einen Stein, der nur vor kurzem ge¬
funden seyn muss, weil ich ihn noch von niemand
angeführt gefunden habe. Es ist aber nur ein ge¬
wöhnlicher Leichenstein, und zwar ziemlich neu aus
der lateinischen Zeit. Das Quadrat der Stadt ist noch

man künftig in Pästum wieder Rosen findet: wenig¬
stens will ich hiermit alle bitten, die nehmlichen Er¬
innerungen eindringlich zu wiederholen, bis es
fruchtet.

Eine Abhandlung über die Tempel erwarte nicht.
Ich setzte mich an einem Rest von Altar hin, der in
einem derselben noch zu finden ist, und ruhte eine
Viertelstunde unter meinen Freunden, den Griechen.
Wenn einer ihrer Geister zurück käme und mich Hy¬
perboreer unter den letzten Trümmern seiner Vater¬
stadt sähe! Hier ist mehr als in Agrigent. Ich bin
nicht der erste, welcher es anmerkt, was die Leute
für gewaltig hohe Stufen gemacht haben, hier und in
Agrigent. Man muſs sehr elastisch steigen, oder man
ist in Gefahr sich einen Bruch zu schreiten. Daſs ei¬
ner von den Tempeln dem Neptun gehöre, beruht
wahrscheinlich auf dem Umstand daſs er der vorzüg¬
liche Schutzgott der Stadt war: so wie man eines der
Gebäude für eine Palästra hält, weil es anders als die
gewöhnlichen Tempel mit zwey Reihen Säulen über
einander gebaut ist. Sollte dieses nicht vielmehr ein
Bulevterion gewesen seyn? Denn es läſst sich nicht
wohl begreifen, wozu die obere Säulenreihe in einer
Palästra dienen sollte. Vielleicht war es auch Bulev¬
terion und Palästra zugleich; unten dieses, oben jenes.
Nicht weit von den Gebäuden zeigte man mir noch
eine Seltenheit, einen Stein, der nur vor kurzem ge¬
funden seyn muſs, weil ich ihn noch von niemand
angeführt gefunden habe. Es ist aber nur ein ge¬
wöhnlicher Leichenstein, und zwar ziemlich neu aus
der lateinischen Zeit. Das Quadrat der Stadt ist noch

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[348/0374] man künftig in Pästum wieder Rosen findet: wenig¬ stens will ich hiermit alle bitten, die nehmlichen Er¬ innerungen eindringlich zu wiederholen, bis es fruchtet. Eine Abhandlung über die Tempel erwarte nicht. Ich setzte mich an einem Rest von Altar hin, der in einem derselben noch zu finden ist, und ruhte eine Viertelstunde unter meinen Freunden, den Griechen. Wenn einer ihrer Geister zurück käme und mich Hy¬ perboreer unter den letzten Trümmern seiner Vater¬ stadt sähe! Hier ist mehr als in Agrigent. Ich bin nicht der erste, welcher es anmerkt, was die Leute für gewaltig hohe Stufen gemacht haben, hier und in Agrigent. Man muſs sehr elastisch steigen, oder man ist in Gefahr sich einen Bruch zu schreiten. Daſs ei¬ ner von den Tempeln dem Neptun gehöre, beruht wahrscheinlich auf dem Umstand daſs er der vorzüg¬ liche Schutzgott der Stadt war: so wie man eines der Gebäude für eine Palästra hält, weil es anders als die gewöhnlichen Tempel mit zwey Reihen Säulen über einander gebaut ist. Sollte dieses nicht vielmehr ein Bulevterion gewesen seyn? Denn es läſst sich nicht wohl begreifen, wozu die obere Säulenreihe in einer Palästra dienen sollte. Vielleicht war es auch Bulev¬ terion und Palästra zugleich; unten dieses, oben jenes. Nicht weit von den Gebäuden zeigte man mir noch eine Seltenheit, einen Stein, der nur vor kurzem ge¬ funden seyn muſs, weil ich ihn noch von niemand angeführt gefunden habe. Es ist aber nur ein ge¬ wöhnlicher Leichenstein, und zwar ziemlich neu aus der lateinischen Zeit. Das Quadrat der Stadt ist noch

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/374>, abgerufen am 22.11.2024.