Da ward die Gegend menschenleer Und öd' und öder um mich her, Und Wein wuchs wild auf meinen Wegen. Da stand ich einsam an dem Thore Und an dem hohen Säulengang, Wo ehmals dem entzückten Ohre Ein voller Zug in vollem Chore Das hohe Lob der Gottheit sang. Verwüstung herrschet um die Mauer, Wo einst die Glücklichen gewohnt, Und mit geheimen tiefem Schauer Sah ich umher und sahe nichts verschont; Und meine Freude ward nun Trauer. Umsonst blickt Titan hier so milde, Umsonst bekrönet er im Jahr Zwey Mal mit Ernte die Gefilde; Du suchst von allem, was einst war, Umsonst die Spur; ein zottiger Barbar Schleicht mit der Dummheit Ebenbilde, Ein Troglodyt, erbärmlicher als Wilde, Um den verschütteten Altar. Nur hier und da im hohen Grase wallt, Den Menschensinn noch greller anzustossen, Dumpf murmelnd eine Mönchsgestalt. Freund, denke Dir die Seelenlosen, In Pastum blühen keine Rosen.
Ich gebe Dir zu, dass in diesen Versen wenig Poesie ist; aber desto mehr ist darin lautere Wahrheit.
Da ward die Gegend menschenleer Und öd' und öder um mich her, Und Wein wuchs wild auf meinen Wegen. Da stand ich einsam an dem Thore Und an dem hohen Säulengang, Wo ehmals dem entzückten Ohre Ein voller Zug in vollem Chore Das hohe Lob der Gottheit sang. Verwüstung herrschet um die Mauer, Wo einst die Glücklichen gewohnt, Und mit geheimen tiefem Schauer Sah ich umher und sahe nichts verschont; Und meine Freude ward nun Trauer. Umsonst blickt Titan hier so milde, Umsonst bekrönet er im Jahr Zwey Mal mit Ernte die Gefilde; Du suchst von allem, was einst war, Umsonst die Spur; ein zottiger Barbar Schleicht mit der Dummheit Ebenbilde, Ein Troglodyt, erbärmlicher als Wilde, Um den verschütteten Altar. Nur hier und da im hohen Grase wallt, Den Menschensinn noch greller anzustoſsen, Dumpf murmelnd eine Mönchsgestalt. Freund, denke Dir die Seelenlosen, In Pastum blühen keine Rosen.
Ich gebe Dir zu, daſs in diesen Versen wenig Poesie ist; aber desto mehr ist darin lautere Wahrheit.
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Da ward die Gegend menschenleer
Und öd' und öder um mich her,
Und Wein wuchs wild auf meinen Wegen.
Da stand ich einsam an dem Thore
Und an dem hohen Säulengang,
Wo ehmals dem entzückten Ohre
Ein voller Zug in vollem Chore
Das hohe Lob der Gottheit sang.
Verwüstung herrschet um die Mauer,
Wo einst die Glücklichen gewohnt,
Und mit geheimen tiefem Schauer
Sah ich umher und sahe nichts verschont;
Und meine Freude ward nun Trauer.
Umsonst blickt Titan hier so milde,
Umsonst bekrönet er im Jahr
Zwey Mal mit Ernte die Gefilde;
Du suchst von allem, was einst war,
Umsonst die Spur; ein zottiger Barbar
Schleicht mit der Dummheit Ebenbilde,
Ein Troglodyt, erbärmlicher als Wilde,
Um den verschütteten Altar.
Nur hier und da im hohen Grase wallt,
Den Menschensinn noch greller anzustoſsen,
Dumpf murmelnd eine Mönchsgestalt.
Freund, denke Dir die Seelenlosen,
In Pastum blühen keine Rosen.
Ich gebe Dir zu, daſs in diesen Versen wenig
Poesie ist; aber desto mehr ist darin lautere Wahrheit.
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/372>, abgerufen am 16.02.2025.
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