Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.königlich betrogen. Jetzt nahm ich es unwillkührlich Ich hatte mich bis tief in die Nacht verspätet, königlich betrogen. Jetzt nahm ich es unwillkührlich Ich hatte mich bis tief in die Nacht verspätet, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0346" n="320"/> königlich betrogen. Jetzt nahm ich es unwillkührlich<lb/> von der linken Seite, nach welcher sich das Idolchen<lb/> immer neigte, schloſs unwillkührlich das Glas auf,<lb/> nahm das elfenbeinerne Täfelchen heraus und er¬<lb/> schrak, als ich es heftig unwillkührlich in zehen Stü¬<lb/> cke zersplittert zwischen dem Daumen hielt. War das<lb/> lauter Rache Rosaliens und der vom Eryx? Mögen<lb/> sie sich an niemand bitterer rächen! Ich hielt die<lb/> Trümmerchen in der Hand; Freund Schnorr mag ver¬<lb/> zeihen: er hatte mit Liebe an dem Bildchen gepinselt.<lb/> Einige Minuten hielt mich Phantasus noch mit Weh¬<lb/> muth am Original; ich saſs auf einem Felsenstücke<lb/> des Erkta und sah es im Geist an der Spree im gol¬<lb/> denen Wagen rollen. Rolle zu; und so flogen die<lb/> Stücke mit der goldenen Einfassung den Abgrund hin¬<lb/> unter. Ehemals wäre ich dem Bildchen nachgesprun¬<lb/> gen; noch jetzt dem Original. Aber ich stieg nun ru¬<lb/> hig den Schneckengang nach der Königsstadt hinab;<lb/> die röthlichen Wölkchen vom Aetna her flockten lieb¬<lb/> lich mir vor den Augen. Ich vergaſs das Gemälde;<lb/> möge es dem Original wohl gehen!</p><lb/> <p>Ich hatte mich bis tief in die Nacht verspätet,<lb/> und wurde zu Hause gräſslich bewillkommt. Aber da<lb/> muſs ich Dir noch mehreres erzählen, ehe Du dieses<lb/> gehörig verstehest. Du erinnerst dich des guten Steuer¬<lb/> revisors, der sich in Agrigent meiner so freundschaft¬<lb/> lich annahm, daſs er fast die Menschheit streitig<lb/> machte. Kaum hatte ich in meinem Wirthshause die<lb/> erste Nacht ausgeschlafen, als mein Steuerrevisor zu<lb/> mir herein trat. Das that mir nun recht wohl; denn<lb/> wer freut sich nicht, daſs sich jemand um ihn beküm¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [320/0346]
königlich betrogen. Jetzt nahm ich es unwillkührlich
von der linken Seite, nach welcher sich das Idolchen
immer neigte, schloſs unwillkührlich das Glas auf,
nahm das elfenbeinerne Täfelchen heraus und er¬
schrak, als ich es heftig unwillkührlich in zehen Stü¬
cke zersplittert zwischen dem Daumen hielt. War das
lauter Rache Rosaliens und der vom Eryx? Mögen
sie sich an niemand bitterer rächen! Ich hielt die
Trümmerchen in der Hand; Freund Schnorr mag ver¬
zeihen: er hatte mit Liebe an dem Bildchen gepinselt.
Einige Minuten hielt mich Phantasus noch mit Weh¬
muth am Original; ich saſs auf einem Felsenstücke
des Erkta und sah es im Geist an der Spree im gol¬
denen Wagen rollen. Rolle zu; und so flogen die
Stücke mit der goldenen Einfassung den Abgrund hin¬
unter. Ehemals wäre ich dem Bildchen nachgesprun¬
gen; noch jetzt dem Original. Aber ich stieg nun ru¬
hig den Schneckengang nach der Königsstadt hinab;
die röthlichen Wölkchen vom Aetna her flockten lieb¬
lich mir vor den Augen. Ich vergaſs das Gemälde;
möge es dem Original wohl gehen!
Ich hatte mich bis tief in die Nacht verspätet,
und wurde zu Hause gräſslich bewillkommt. Aber da
muſs ich Dir noch mehreres erzählen, ehe Du dieses
gehörig verstehest. Du erinnerst dich des guten Steuer¬
revisors, der sich in Agrigent meiner so freundschaft¬
lich annahm, daſs er fast die Menschheit streitig
machte. Kaum hatte ich in meinem Wirthshause die
erste Nacht ausgeschlafen, als mein Steuerrevisor zu
mir herein trat. Das that mir nun recht wohl; denn
wer freut sich nicht, daſs sich jemand um ihn beküm¬
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Zitationshilfe: | Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/346>, abgerufen am 28.07.2024. |