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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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ganze See und den Taurus zu unsern Füssen. Ganz
rein war die Luft nicht, aber ohne Wolken; um de¬
sto magischer war die Scene. Hinter uns lag noch
alles in Nacht und vor uns tanzten hier und da Nebel¬
gestalten auf dem Ocean. Wer kann beschreiben?
Nimm deinen Benda, und lass auf silbernem Flügel
dem Mädchen auf Naxos die Sonne aufgehen: und
wenn Du nicht Etwas von unserm Vergnügen hast,
so kann Dir kein Gott helfen. So ging uns Titan
auf; aber wir waren über dem werdenden Gewitter:
es konnte uns nicht erreichen. Einer der Herren lief
wehklagend und hoch aufschreyend um die Trümmern
herum; denn er hatte die Finger erfroren. Wir hal¬
fen mit Schnee und rieben und wuschen, und arbei¬
teten uns endlich zu dem Gipfel des Berges hinauf.
Mich däucht, man müsste bis zum Philosophenthurm
reiten können; bis dahin ist es nicht zu sehr jäh:
aber die Kälte verbietet es; wenigstens möchte ich
desswegen nicht von der Kavalkade seyn. Von hier
aus kann man nicht mehr gehen; man muss steigen,
und zuweilen klettern, und zuweilen klimmen. Es
scheint noch eine Viertelstunde bis zur höchsten Spitze
zu seyn, aber es ist wohl noch ein Stündchen Arbeit.
Die Britten letzten sich mit Rum, und da ich von
dergleichen Zeug nichts trinke, ass ich von Zeit zu
Zeit eine Apfelsine aus der Tasche. Sie waren ziem¬
lich gefroren; aber ich habe nie so etwas köstliches
genossen. Als ich keine Apfelsinen mehr hatte, denn
der Appetit war stark, stillte ich den Durst mit Schnee,
arbeitete immer vorwärts, und war zur Ehre der deut¬
schen Nation der Erste an dem obersten Felsenrande

ganze See und den Taurus zu unsern Füſsen. Ganz
rein war die Luft nicht, aber ohne Wolken; um de¬
sto magischer war die Scene. Hinter uns lag noch
alles in Nacht und vor uns tanzten hier und da Nebel¬
gestalten auf dem Ocean. Wer kann beschreiben?
Nimm deinen Benda, und laſs auf silbernem Flügel
dem Mädchen auf Naxos die Sonne aufgehen: und
wenn Du nicht Etwas von unserm Vergnügen hast,
so kann Dir kein Gott helfen. So ging uns Titan
auf; aber wir waren über dem werdenden Gewitter:
es konnte uns nicht erreichen. Einer der Herren lief
wehklagend und hoch aufschreyend um die Trümmern
herum; denn er hatte die Finger erfroren. Wir hal¬
fen mit Schnee und rieben und wuschen, und arbei¬
teten uns endlich zu dem Gipfel des Berges hinauf.
Mich däucht, man müſste bis zum Philosophenthurm
reiten können; bis dahin ist es nicht zu sehr jäh:
aber die Kälte verbietet es; wenigstens möchte ich
deſswegen nicht von der Kavalkade seyn. Von hier
aus kann man nicht mehr gehen; man muſs steigen,
und zuweilen klettern, und zuweilen klimmen. Es
scheint noch eine Viertelstunde bis zur höchsten Spitze
zu seyn, aber es ist wohl noch ein Stündchen Arbeit.
Die Britten letzten sich mit Rum, und da ich von
dergleichen Zeug nichts trinke, aſs ich von Zeit zu
Zeit eine Apfelsine aus der Tasche. Sie waren ziem¬
lich gefroren; aber ich habe nie so etwas köstliches
genossen. Als ich keine Apfelsinen mehr hatte, denn
der Appetit war stark, stillte ich den Durst mit Schnee,
arbeitete immer vorwärts, und war zur Ehre der deut¬
schen Nation der Erste an dem obersten Felsenrande

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[287/0313] ganze See und den Taurus zu unsern Füſsen. Ganz rein war die Luft nicht, aber ohne Wolken; um de¬ sto magischer war die Scene. Hinter uns lag noch alles in Nacht und vor uns tanzten hier und da Nebel¬ gestalten auf dem Ocean. Wer kann beschreiben? Nimm deinen Benda, und laſs auf silbernem Flügel dem Mädchen auf Naxos die Sonne aufgehen: und wenn Du nicht Etwas von unserm Vergnügen hast, so kann Dir kein Gott helfen. So ging uns Titan auf; aber wir waren über dem werdenden Gewitter: es konnte uns nicht erreichen. Einer der Herren lief wehklagend und hoch aufschreyend um die Trümmern herum; denn er hatte die Finger erfroren. Wir hal¬ fen mit Schnee und rieben und wuschen, und arbei¬ teten uns endlich zu dem Gipfel des Berges hinauf. Mich däucht, man müſste bis zum Philosophenthurm reiten können; bis dahin ist es nicht zu sehr jäh: aber die Kälte verbietet es; wenigstens möchte ich deſswegen nicht von der Kavalkade seyn. Von hier aus kann man nicht mehr gehen; man muſs steigen, und zuweilen klettern, und zuweilen klimmen. Es scheint noch eine Viertelstunde bis zur höchsten Spitze zu seyn, aber es ist wohl noch ein Stündchen Arbeit. Die Britten letzten sich mit Rum, und da ich von dergleichen Zeug nichts trinke, aſs ich von Zeit zu Zeit eine Apfelsine aus der Tasche. Sie waren ziem¬ lich gefroren; aber ich habe nie so etwas köstliches genossen. Als ich keine Apfelsinen mehr hatte, denn der Appetit war stark, stillte ich den Durst mit Schnee, arbeitete immer vorwärts, und war zur Ehre der deut¬ schen Nation der Erste an dem obersten Felsenrande

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/313>, abgerufen am 22.11.2024.