Rede. Der Bruder erzählte mir seine Reisen und sei¬ ne Schicksale, und dass ihn der Papst kenne. Bald kam er auf meine Ketzerey und segnete sich. Er liess sich mein Seelenheil und meine Bekehrung noch et¬ was angelegener seyn, als der palermitanische Steuer¬ revisor in Agrigent, fand mich aber ganz refraktarisch: er musste mich mit seinem besten Futter in die Hölle gehen lassen. Der vornehmste Grund, den er brauch¬ te, mich zum Christen zu machen, war: Ich hätte doch einen sehr gefährlichen Weg vor mir, es seyen auf dem Berge schon viele umgekommen; nun könnte ich, wenn ich auch todt gefunden würde, nicht ein¬ mahl christlich begraben werden. Das war nun frey¬ lich ein triftiges Argument; denn bey diesen Herren ist kein Akatholikus ein Christ. Ich sagte ihm so sanft als möglich die Anekdote des Diogenes, der sich im ähnlichen Falle aus bat, man möchte ihm nach dem Tode einen Stock hinlegen, damit er die Hunde wegjagen könnte. Der Mann schüttelte den Kopf und -- trank sein Glas. Nun wurde mir ein Führer bestellt, der theuer genug war, und auf alle Fälle al¬ les in Ordnung gesetzt, wenn auch die Gesellschaft nicht kommen sollte. Eben als die Einrichtung ge¬ troffen worden war, wurde gemeldet, dass die Englän¬ der nicht kommen würden, sondern in Nikolosi blie¬ ben. Darüber war der Mann Gottes sehr ergrimmt und betete etwas unsanft, wie Elisa der Bärenprophet, über einige seiner Feinde unten in Katanien und oben in Nikolosi. Ich machte eine Ausflucht gegen über auf die Monti rossi, die sich bey der letzten grossen Eruption gebildet haben, vermuthlich von der Farbe
Rede. Der Bruder erzählte mir seine Reisen und sei¬ ne Schicksale, und daſs ihn der Papst kenne. Bald kam er auf meine Ketzerey und segnete sich. Er lieſs sich mein Seelenheil und meine Bekehrung noch et¬ was angelegener seyn, als der palermitanische Steuer¬ revisor in Agrigent, fand mich aber ganz refraktarisch: er muſste mich mit seinem besten Futter in die Hölle gehen lassen. Der vornehmste Grund, den er brauch¬ te, mich zum Christen zu machen, war: Ich hätte doch einen sehr gefährlichen Weg vor mir, es seyen auf dem Berge schon viele umgekommen; nun könnte ich, wenn ich auch todt gefunden würde, nicht ein¬ mahl christlich begraben werden. Das war nun frey¬ lich ein triftiges Argument; denn bey diesen Herren ist kein Akatholikus ein Christ. Ich sagte ihm so sanft als möglich die Anekdote des Diogenes, der sich im ähnlichen Falle aus bat, man möchte ihm nach dem Tode einen Stock hinlegen, damit er die Hunde wegjagen könnte. Der Mann schüttelte den Kopf und — trank sein Glas. Nun wurde mir ein Führer bestellt, der theuer genug war, und auf alle Fälle al¬ les in Ordnung gesetzt, wenn auch die Gesellschaft nicht kommen sollte. Eben als die Einrichtung ge¬ troffen worden war, wurde gemeldet, daſs die Englän¬ der nicht kommen würden, sondern in Nikolosi blie¬ ben. Darüber war der Mann Gottes sehr ergrimmt und betete etwas unsanft, wie Elisa der Bärenprophet, über einige seiner Feinde unten in Katanien und oben in Nikolosi. Ich machte eine Ausflucht gegen über auf die Monti rossi, die sich bey der letzten groſsen Eruption gebildet haben, vermuthlich von der Farbe
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0309"n="283"/>
Rede. Der Bruder erzählte mir seine Reisen und sei¬<lb/>
ne Schicksale, und daſs ihn der Papst kenne. Bald<lb/>
kam er auf meine Ketzerey und segnete sich. Er lieſs<lb/>
sich mein Seelenheil und meine Bekehrung noch et¬<lb/>
was angelegener seyn, als der palermitanische Steuer¬<lb/>
revisor in Agrigent, fand mich aber ganz refraktarisch:<lb/>
er muſste mich mit seinem besten Futter in die Hölle<lb/>
gehen lassen. Der vornehmste Grund, den er brauch¬<lb/>
te, mich zum Christen zu machen, war: Ich hätte<lb/>
doch einen sehr gefährlichen Weg vor mir, es seyen<lb/>
auf dem Berge schon viele umgekommen; nun könnte<lb/>
ich, wenn ich auch todt gefunden würde, nicht ein¬<lb/>
mahl christlich begraben werden. Das war nun frey¬<lb/>
lich ein triftiges Argument; denn bey diesen Herren<lb/>
ist kein Akatholikus ein Christ. Ich sagte ihm so<lb/>
sanft als möglich die Anekdote des Diogenes, der sich<lb/>
im ähnlichen Falle aus bat, man möchte ihm nach<lb/>
dem Tode einen Stock hinlegen, damit er die Hunde<lb/>
wegjagen könnte. Der Mann schüttelte den Kopf<lb/>
und — trank sein Glas. Nun wurde mir ein Führer<lb/>
bestellt, der theuer genug war, und auf alle Fälle al¬<lb/>
les in Ordnung gesetzt, wenn auch die Gesellschaft<lb/>
nicht kommen sollte. Eben als die Einrichtung ge¬<lb/>
troffen worden war, wurde gemeldet, daſs die Englän¬<lb/>
der nicht kommen würden, sondern in Nikolosi blie¬<lb/>
ben. Darüber war der Mann Gottes sehr ergrimmt<lb/>
und betete etwas unsanft, wie Elisa der Bärenprophet,<lb/>
über einige seiner Feinde unten in Katanien und oben<lb/>
in Nikolosi. Ich machte eine Ausflucht gegen über<lb/>
auf die <hirendition="#i">Monti rossi</hi>, die sich bey der letzten groſsen<lb/>
Eruption gebildet haben, vermuthlich von der Farbe<lb/></p></div></body></text></TEI>
[283/0309]
Rede. Der Bruder erzählte mir seine Reisen und sei¬
ne Schicksale, und daſs ihn der Papst kenne. Bald
kam er auf meine Ketzerey und segnete sich. Er lieſs
sich mein Seelenheil und meine Bekehrung noch et¬
was angelegener seyn, als der palermitanische Steuer¬
revisor in Agrigent, fand mich aber ganz refraktarisch:
er muſste mich mit seinem besten Futter in die Hölle
gehen lassen. Der vornehmste Grund, den er brauch¬
te, mich zum Christen zu machen, war: Ich hätte
doch einen sehr gefährlichen Weg vor mir, es seyen
auf dem Berge schon viele umgekommen; nun könnte
ich, wenn ich auch todt gefunden würde, nicht ein¬
mahl christlich begraben werden. Das war nun frey¬
lich ein triftiges Argument; denn bey diesen Herren
ist kein Akatholikus ein Christ. Ich sagte ihm so
sanft als möglich die Anekdote des Diogenes, der sich
im ähnlichen Falle aus bat, man möchte ihm nach
dem Tode einen Stock hinlegen, damit er die Hunde
wegjagen könnte. Der Mann schüttelte den Kopf
und — trank sein Glas. Nun wurde mir ein Führer
bestellt, der theuer genug war, und auf alle Fälle al¬
les in Ordnung gesetzt, wenn auch die Gesellschaft
nicht kommen sollte. Eben als die Einrichtung ge¬
troffen worden war, wurde gemeldet, daſs die Englän¬
der nicht kommen würden, sondern in Nikolosi blie¬
ben. Darüber war der Mann Gottes sehr ergrimmt
und betete etwas unsanft, wie Elisa der Bärenprophet,
über einige seiner Feinde unten in Katanien und oben
in Nikolosi. Ich machte eine Ausflucht gegen über
auf die Monti rossi, die sich bey der letzten groſsen
Eruption gebildet haben, vermuthlich von der Farbe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/309>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.