Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Du siehst, ich bin nun auf der Rückkehr zu Dir.
Syrakus oder vielleicht schon Agrigent war das süd¬
lichste Ende meines Weges. Vor einigen Tagen ritt
ich zu Maulesel wieder mit einem ziemlich kleinen
Führer hierher. Man kann die Reise in einem Som¬
mertage sehr bequem machen; und wenn man recht
gut beritten ist, recht früh aufbricht und sich nicht
sehr viel umsieht, kann man wohl Augusta noch mit
nehmen. Die Maulesel machen einen barbarisch star¬
ken Schritt, und das Pungite, Don Juan, pungite!
wurde auch nicht gespart. Es war ein herrlicher war¬
mer Regenmorgen, als ich Syrakus verliess; der Him¬
mel hellte sich auf, als ich aus der Festung war, und
die Nachtigallen sangen wetteifernd in den Feigengär¬
ten und Mandelbäumen so schön, wie ich ihnen in Si¬
cilien gar nicht zugetraut hätte, da sie sich noch nicht
sonderlich hatten hören lassen. Ich ging wieder vor
der Feigenquelle vorbey und durch einen Strich der
schönen herrlichen Gegend von Augusta. Aber vor
derselben und nach derselben war es wüste; ununter¬
brochen wüste, bis diesseits der Berge an die Ufer des
Simäthus. In einem Wirthshause am Fusse der Ber¬
ge, ungefähr, ungefähr noch zehn Millien von Kata¬
nien, wo ich essen wollte und wenigstens Makkaro¬
nen suchte, gab der Wirth skoptisch zur Antwort: In
Katanien sind Makkaronen; hier ist nichts. Der
Mensch hatte die trotzige murrsinnige Physionomie
der gedrückten Armuth und des Mangels, der nicht
seine Schuld war, und gewann nicht eher eine etwas


Du siehst, ich bin nun auf der Rückkehr zu Dir.
Syrakus oder vielleicht schon Agrigent war das süd¬
lichste Ende meines Weges. Vor einigen Tagen ritt
ich zu Maulesel wieder mit einem ziemlich kleinen
Führer hierher. Man kann die Reise in einem Som¬
mertage sehr bequem machen; und wenn man recht
gut beritten ist, recht früh aufbricht und sich nicht
sehr viel umsieht, kann man wohl Augusta noch mit
nehmen. Die Maulesel machen einen barbarisch star¬
ken Schritt, und das Pungite, Don Juan, pungite!
wurde auch nicht gespart. Es war ein herrlicher war¬
mer Regenmorgen, als ich Syrakus verlieſs; der Him¬
mel hellte sich auf, als ich aus der Festung war, und
die Nachtigallen sangen wetteifernd in den Feigengär¬
ten und Mandelbäumen so schön, wie ich ihnen in Si¬
cilien gar nicht zugetraut hätte, da sie sich noch nicht
sonderlich hatten hören lassen. Ich ging wieder vor
der Feigenquelle vorbey und durch einen Strich der
schönen herrlichen Gegend von Augusta. Aber vor
derselben und nach derselben war es wüste; ununter¬
brochen wüste, bis diesseits der Berge an die Ufer des
Simäthus. In einem Wirthshause am Fuſse der Ber¬
ge, ungefähr, ungefähr noch zehn Millien von Kata¬
nien, wo ich essen wollte und wenigstens Makkaro¬
nen suchte, gab der Wirth skoptisch zur Antwort: In
Katanien sind Makkaronen; hier ist nichts. Der
Mensch hatte die trotzige murrsinnige Physionomie
der gedrückten Armuth und des Mangels, der nicht
seine Schuld war, und gewann nicht eher eine etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0294" n="[268]"/>
      <div>
        <dateline> <hi rendition="#right">Katanien.</hi> </dateline><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>u siehst, ich bin nun auf der Rückkehr zu Dir.<lb/>
Syrakus oder vielleicht schon Agrigent war das süd¬<lb/>
lichste Ende meines Weges. Vor einigen Tagen ritt<lb/>
ich zu Maulesel wieder mit einem ziemlich kleinen<lb/>
Führer hierher. Man kann die Reise in einem Som¬<lb/>
mertage sehr bequem machen; und wenn man recht<lb/>
gut beritten ist, recht früh aufbricht und sich nicht<lb/>
sehr viel umsieht, kann man wohl Augusta noch mit<lb/>
nehmen. Die Maulesel machen einen barbarisch star¬<lb/>
ken Schritt, und das <hi rendition="#i">Pungite, Don Juan, pungite!</hi><lb/>
wurde auch nicht gespart. Es war ein herrlicher war¬<lb/>
mer Regenmorgen, als ich Syrakus verlie&#x017F;s; der Him¬<lb/>
mel hellte sich auf, als ich aus der Festung war, und<lb/>
die Nachtigallen sangen wetteifernd in den Feigengär¬<lb/>
ten und Mandelbäumen so schön, wie ich ihnen in Si¬<lb/>
cilien gar nicht zugetraut hätte, da sie sich noch nicht<lb/>
sonderlich hatten hören lassen. Ich ging wieder vor<lb/>
der Feigenquelle vorbey und durch einen Strich der<lb/>
schönen herrlichen Gegend von Augusta. Aber vor<lb/>
derselben und nach derselben war es wüste; ununter¬<lb/>
brochen wüste, bis diesseits der Berge an die Ufer des<lb/>
Simäthus. In einem Wirthshause am Fu&#x017F;se der Ber¬<lb/>
ge, ungefähr, ungefähr noch zehn Millien von Kata¬<lb/>
nien, wo ich essen wollte und wenigstens Makkaro¬<lb/>
nen suchte, gab der Wirth skoptisch zur Antwort: In<lb/>
Katanien sind Makkaronen; hier ist nichts. Der<lb/>
Mensch hatte die trotzige murrsinnige Physionomie<lb/>
der gedrückten Armuth und des Mangels, der nicht<lb/>
seine Schuld war, und gewann nicht eher eine etwas<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[268]/0294] Katanien. Du siehst, ich bin nun auf der Rückkehr zu Dir. Syrakus oder vielleicht schon Agrigent war das süd¬ lichste Ende meines Weges. Vor einigen Tagen ritt ich zu Maulesel wieder mit einem ziemlich kleinen Führer hierher. Man kann die Reise in einem Som¬ mertage sehr bequem machen; und wenn man recht gut beritten ist, recht früh aufbricht und sich nicht sehr viel umsieht, kann man wohl Augusta noch mit nehmen. Die Maulesel machen einen barbarisch star¬ ken Schritt, und das Pungite, Don Juan, pungite! wurde auch nicht gespart. Es war ein herrlicher war¬ mer Regenmorgen, als ich Syrakus verlieſs; der Him¬ mel hellte sich auf, als ich aus der Festung war, und die Nachtigallen sangen wetteifernd in den Feigengär¬ ten und Mandelbäumen so schön, wie ich ihnen in Si¬ cilien gar nicht zugetraut hätte, da sie sich noch nicht sonderlich hatten hören lassen. Ich ging wieder vor der Feigenquelle vorbey und durch einen Strich der schönen herrlichen Gegend von Augusta. Aber vor derselben und nach derselben war es wüste; ununter¬ brochen wüste, bis diesseits der Berge an die Ufer des Simäthus. In einem Wirthshause am Fuſse der Ber¬ ge, ungefähr, ungefähr noch zehn Millien von Kata¬ nien, wo ich essen wollte und wenigstens Makkaro¬ nen suchte, gab der Wirth skoptisch zur Antwort: In Katanien sind Makkaronen; hier ist nichts. Der Mensch hatte die trotzige murrsinnige Physionomie der gedrückten Armuth und des Mangels, der nicht seine Schuld war, und gewann nicht eher eine etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/294
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. [268]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/294>, abgerufen am 19.11.2024.