Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

mich ein Viertelstündchen an die zwey Säulen, die
für die Ueberreste von dem Tempel des Jupiter Olym¬
pius gelten. Hier liess Dionysius dem Gott den golde¬
nen Mantel abnehmen, weil er meinte, er sey für den
Sommer zu schwer und für den Winter zu kalt; ein
wollener schicke sich besser für alle Jahrszeiten. Der
Herr war ein ganz eigener Haushofmeister, welches er
auch an dem Barte des Apollo zeigte. Als ich wieder
über den Anapus herüber war, dachte ich gerade nach
Neapolis herauf zu schneiden und so einen etwas an¬
dern Weg zurück zu nehmen. Die Sonne stand hoch
nicht ganz am Rande, ich sah alles vor mir und dachte
den Gang noch recht bequem zu machen. Aber o Syraka!
Syraka! An solchen Orten sollte man durchaus mit der
Charte in der Hand gehen. Ehe ich mirs versah war
ich im Sumpfe; ich dachte es zu zwingen und kam
immer tiefer hinein: ich dachte nun rechts umzukeh¬
ren um keinen zu grossen Umweg zu machen; und da
fiel ich denn einige Mahl bis an den Gürtel in noch
etwas schlimmeres als Wasser. Es ward Abend und
ich fürchtete man möchte das Thor schliessen; wo
man denn eben so unerbittlich ist als in Hamburg.
Endlich arbeitete ich mich doch mit vielem Schweiss
in einem nicht gar erbaulichen Aufzug wieder auf den
Weg, und kam so eben vor Thorschluss herein. Mein
Franzose, der auf mich in meinem Wirthshause warte¬
te, war schon meinetwegen in Angst, und erzählte mir
nun Wunderdinge von dem Sumpfe. Vor einiger Zeit,
als die Franzosen hier waren, hatten einige Offiziere
gejagt. Einer der Herrn verläuft sich auf einem klei¬
nen Abstecher in den Syraka, denkt wie ich, ist aber

mich ein Viertelstündchen an die zwey Säulen, die
für die Ueberreste von dem Tempel des Jupiter Olym¬
pius gelten. Hier lieſs Dionysius dem Gott den golde¬
nen Mantel abnehmen, weil er meinte, er sey für den
Sommer zu schwer und für den Winter zu kalt; ein
wollener schicke sich besser für alle Jahrszeiten. Der
Herr war ein ganz eigener Haushofmeister, welches er
auch an dem Barte des Apollo zeigte. Als ich wieder
über den Anapus herüber war, dachte ich gerade nach
Neapolis herauf zu schneiden und so einen etwas an¬
dern Weg zurück zu nehmen. Die Sonne stand hoch
nicht ganz am Rande, ich sah alles vor mir und dachte
den Gang noch recht bequem zu machen. Aber o Syraka!
Syraka! An solchen Orten sollte man durchaus mit der
Charte in der Hand gehen. Ehe ich mirs versah war
ich im Sumpfe; ich dachte es zu zwingen und kam
immer tiefer hinein: ich dachte nun rechts umzukeh¬
ren um keinen zu groſsen Umweg zu machen; und da
fiel ich denn einige Mahl bis an den Gürtel in noch
etwas schlimmeres als Wasser. Es ward Abend und
ich fürchtete man möchte das Thor schlieſsen; wo
man denn eben so unerbittlich ist als in Hamburg.
Endlich arbeitete ich mich doch mit vielem Schweiſs
in einem nicht gar erbaulichen Aufzug wieder auf den
Weg, und kam so eben vor Thorschluſs herein. Mein
Franzose, der auf mich in meinem Wirthshause warte¬
te, war schon meinetwegen in Angst, und erzählte mir
nun Wunderdinge von dem Sumpfe. Vor einiger Zeit,
als die Franzosen hier waren, hatten einige Offiziere
gejagt. Einer der Herrn verläuft sich auf einem klei¬
nen Abstecher in den Syraka, denkt wie ich, ist aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0270" n="244"/>
mich ein Viertelstündchen an die zwey Säulen, die<lb/>
für die Ueberreste von dem Tempel des Jupiter Olym¬<lb/>
pius gelten. Hier lie&#x017F;s Dionysius dem Gott den golde¬<lb/>
nen Mantel abnehmen, weil er meinte, er sey für den<lb/>
Sommer zu schwer und für den Winter zu kalt; ein<lb/>
wollener schicke sich besser für alle Jahrszeiten. Der<lb/>
Herr war ein ganz eigener Haushofmeister, welches er<lb/>
auch an dem Barte des Apollo zeigte. Als ich wieder<lb/>
über den Anapus herüber war, dachte ich gerade nach<lb/>
Neapolis herauf zu schneiden und so einen etwas an¬<lb/>
dern Weg zurück zu nehmen. Die Sonne stand hoch<lb/>
nicht ganz am Rande, ich sah alles vor mir und dachte<lb/>
den Gang noch recht bequem zu machen. Aber o Syraka!<lb/>
Syraka! An solchen Orten sollte man durchaus mit der<lb/>
Charte in der Hand gehen. Ehe ich mirs versah war<lb/>
ich im Sumpfe; ich dachte es zu zwingen und kam<lb/>
immer tiefer hinein: ich dachte nun rechts umzukeh¬<lb/>
ren um keinen zu gro&#x017F;sen Umweg zu machen; und da<lb/>
fiel ich denn einige Mahl bis an den Gürtel in noch<lb/>
etwas schlimmeres als Wasser. Es ward Abend und<lb/>
ich fürchtete man möchte das Thor schlie&#x017F;sen; wo<lb/>
man denn eben so unerbittlich ist als in Hamburg.<lb/>
Endlich arbeitete ich mich doch mit vielem Schwei&#x017F;s<lb/>
in einem nicht gar erbaulichen Aufzug wieder auf den<lb/>
Weg, und kam so eben vor Thorschlu&#x017F;s herein. Mein<lb/>
Franzose, der auf mich in meinem Wirthshause warte¬<lb/>
te, war schon meinetwegen in Angst, und erzählte mir<lb/>
nun Wunderdinge von dem Sumpfe. Vor einiger Zeit,<lb/>
als die Franzosen hier waren, hatten einige Offiziere<lb/>
gejagt. Einer der Herrn verläuft sich auf einem klei¬<lb/>
nen Abstecher in den Syraka, denkt wie ich, ist aber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0270] mich ein Viertelstündchen an die zwey Säulen, die für die Ueberreste von dem Tempel des Jupiter Olym¬ pius gelten. Hier lieſs Dionysius dem Gott den golde¬ nen Mantel abnehmen, weil er meinte, er sey für den Sommer zu schwer und für den Winter zu kalt; ein wollener schicke sich besser für alle Jahrszeiten. Der Herr war ein ganz eigener Haushofmeister, welches er auch an dem Barte des Apollo zeigte. Als ich wieder über den Anapus herüber war, dachte ich gerade nach Neapolis herauf zu schneiden und so einen etwas an¬ dern Weg zurück zu nehmen. Die Sonne stand hoch nicht ganz am Rande, ich sah alles vor mir und dachte den Gang noch recht bequem zu machen. Aber o Syraka! Syraka! An solchen Orten sollte man durchaus mit der Charte in der Hand gehen. Ehe ich mirs versah war ich im Sumpfe; ich dachte es zu zwingen und kam immer tiefer hinein: ich dachte nun rechts umzukeh¬ ren um keinen zu groſsen Umweg zu machen; und da fiel ich denn einige Mahl bis an den Gürtel in noch etwas schlimmeres als Wasser. Es ward Abend und ich fürchtete man möchte das Thor schlieſsen; wo man denn eben so unerbittlich ist als in Hamburg. Endlich arbeitete ich mich doch mit vielem Schweiſs in einem nicht gar erbaulichen Aufzug wieder auf den Weg, und kam so eben vor Thorschluſs herein. Mein Franzose, der auf mich in meinem Wirthshause warte¬ te, war schon meinetwegen in Angst, und erzählte mir nun Wunderdinge von dem Sumpfe. Vor einiger Zeit, als die Franzosen hier waren, hatten einige Offiziere gejagt. Einer der Herrn verläuft sich auf einem klei¬ nen Abstecher in den Syraka, denkt wie ich, ist aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/270
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/270>, abgerufen am 22.11.2024.