Man erzählte mir, dass vor einigen Monaten ein Deut¬ scher mit seiner Frau aus Malta durch Sturm hier ein¬ zulaufen genöthigt worden sey, und, da er keinen Pass gehabt, zwanzig Tage habe hier bleiben müssen, bis man Befehl von Palermo eingeholt habe. Solche Gui¬ gnons können eintreten.
Um nicht noch einmal in den Bergen herum zu irren, nahm ich nun endlich einen Maulesel mit ei¬ nem Führer hierher nach Syrakus. Ich hatte eine grosse Strecke Weges an dem Meerbusen wieder zu¬ rück zu machen. So lange ich mich in der Gegend von Augusta befand, war die Kultur ziemlich gut; aber so wie wir Syrakus näher kamen, ward es im¬ mer wüster und leerer. Der Aetna, der über die an¬ dern Berge hervor ragte, rauchte in der schönen Mor¬ genluft. Der Mauleseltreiber hatte mir zum Führer einen kleinen Buben mitgegeben, der sich, sobald wir heraus waren, auf die Kruppe schwang, mir einen kleinen eisernen Stachel zum Sporn gab, und so mit mir und dem Maulesel über die Felsen hintrabte. Diese Thiere hören auf nichts als diesen Stachel, der ihnen statt aller übrigen Treibmittel am Halse appli¬ ziert wird. Wenn es nicht recht gehen wollte, rief der kleine Mephistophiles hinter mir: Pungite, Don Juan, sempre pungite. Siehst Du, so kurz und leicht ist die Weisheit der Mauleseltreiber und der Politiker. Das scheint das Schiboletchen aller Minister zu seyn. Wie der Hals des Staats sich bey dem Stachel befindet, was kümmert das die Herren? Wenn es nur geht oder wenigstens schleicht. Mein kleiner Führer er¬ zählte mir hier und da Geschichten von Todtschlagen,
Man erzählte mir, daſs vor einigen Monaten ein Deut¬ scher mit seiner Frau aus Malta durch Sturm hier ein¬ zulaufen genöthigt worden sey, und, da er keinen Paſs gehabt, zwanzig Tage habe hier bleiben müssen, bis man Befehl von Palermo eingeholt habe. Solche Gui¬ gnons können eintreten.
Um nicht noch einmal in den Bergen herum zu irren, nahm ich nun endlich einen Maulesel mit ei¬ nem Führer hierher nach Syrakus. Ich hatte eine groſse Strecke Weges an dem Meerbusen wieder zu¬ rück zu machen. So lange ich mich in der Gegend von Augusta befand, war die Kultur ziemlich gut; aber so wie wir Syrakus näher kamen, ward es im¬ mer wüster und leerer. Der Aetna, der über die an¬ dern Berge hervor ragte, rauchte in der schönen Mor¬ genluft. Der Mauleseltreiber hatte mir zum Führer einen kleinen Buben mitgegeben, der sich, sobald wir heraus waren, auf die Kruppe schwang, mir einen kleinen eisernen Stachel zum Sporn gab, und so mit mir und dem Maulesel über die Felsen hintrabte. Diese Thiere hören auf nichts als diesen Stachel, der ihnen statt aller übrigen Treibmittel am Halse appli¬ ziert wird. Wenn es nicht recht gehen wollte, rief der kleine Mephistophiles hinter mir: Pungite, Don Juan, sempre pungite. Siehst Du, so kurz und leicht ist die Weisheit der Mauleseltreiber und der Politiker. Das scheint das Schiboletchen aller Minister zu seyn. Wie der Hals des Staats sich bey dem Stachel befindet, was kümmert das die Herren? Wenn es nur geht oder wenigstens schleicht. Mein kleiner Führer er¬ zählte mir hier und da Geschichten von Todtschlagen,
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0266"n="240"/>
Man erzählte mir, daſs vor einigen Monaten ein Deut¬<lb/>
scher mit seiner Frau aus Malta durch Sturm hier ein¬<lb/>
zulaufen genöthigt worden sey, und, da er keinen Paſs<lb/>
gehabt, zwanzig Tage habe hier bleiben müssen, bis<lb/>
man Befehl von Palermo eingeholt habe. Solche Gui¬<lb/>
gnons können eintreten.</p><lb/><p>Um nicht noch einmal in den Bergen herum zu<lb/>
irren, nahm ich nun endlich einen Maulesel mit ei¬<lb/>
nem Führer hierher nach Syrakus. Ich hatte eine<lb/>
groſse Strecke Weges an dem Meerbusen wieder zu¬<lb/>
rück zu machen. So lange ich mich in der Gegend<lb/>
von Augusta befand, war die Kultur ziemlich gut;<lb/>
aber so wie wir Syrakus näher kamen, ward es im¬<lb/>
mer wüster und leerer. Der Aetna, der über die an¬<lb/>
dern Berge hervor ragte, rauchte in der schönen Mor¬<lb/>
genluft. Der Mauleseltreiber hatte mir zum Führer<lb/>
einen kleinen Buben mitgegeben, der sich, sobald wir<lb/>
heraus waren, auf die Kruppe schwang, mir einen<lb/>
kleinen eisernen Stachel zum Sporn gab, und so mit<lb/>
mir und dem Maulesel über die Felsen hintrabte.<lb/>
Diese Thiere hören auf nichts als diesen Stachel, der<lb/>
ihnen statt aller übrigen Treibmittel am Halse appli¬<lb/>
ziert wird. Wenn es nicht recht gehen wollte, rief<lb/>
der kleine Mephistophiles hinter mir: <hirendition="#i">Pungite</hi>, <hirendition="#i">Don<lb/>
Juan</hi>, <hirendition="#i">sempre pungite</hi>. Siehst Du, so kurz und leicht<lb/>
ist die Weisheit der Mauleseltreiber und der Politiker.<lb/>
Das scheint das Schiboletchen aller Minister zu seyn.<lb/>
Wie der Hals des Staats sich bey dem Stachel befindet,<lb/>
was kümmert das die Herren? Wenn es nur geht<lb/>
oder wenigstens schleicht. Mein kleiner Führer er¬<lb/>
zählte mir hier und da Geschichten von Todtschlagen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[240/0266]
Man erzählte mir, daſs vor einigen Monaten ein Deut¬
scher mit seiner Frau aus Malta durch Sturm hier ein¬
zulaufen genöthigt worden sey, und, da er keinen Paſs
gehabt, zwanzig Tage habe hier bleiben müssen, bis
man Befehl von Palermo eingeholt habe. Solche Gui¬
gnons können eintreten.
Um nicht noch einmal in den Bergen herum zu
irren, nahm ich nun endlich einen Maulesel mit ei¬
nem Führer hierher nach Syrakus. Ich hatte eine
groſse Strecke Weges an dem Meerbusen wieder zu¬
rück zu machen. So lange ich mich in der Gegend
von Augusta befand, war die Kultur ziemlich gut;
aber so wie wir Syrakus näher kamen, ward es im¬
mer wüster und leerer. Der Aetna, der über die an¬
dern Berge hervor ragte, rauchte in der schönen Mor¬
genluft. Der Mauleseltreiber hatte mir zum Führer
einen kleinen Buben mitgegeben, der sich, sobald wir
heraus waren, auf die Kruppe schwang, mir einen
kleinen eisernen Stachel zum Sporn gab, und so mit
mir und dem Maulesel über die Felsen hintrabte.
Diese Thiere hören auf nichts als diesen Stachel, der
ihnen statt aller übrigen Treibmittel am Halse appli¬
ziert wird. Wenn es nicht recht gehen wollte, rief
der kleine Mephistophiles hinter mir: Pungite, Don
Juan, sempre pungite. Siehst Du, so kurz und leicht
ist die Weisheit der Mauleseltreiber und der Politiker.
Das scheint das Schiboletchen aller Minister zu seyn.
Wie der Hals des Staats sich bey dem Stachel befindet,
was kümmert das die Herren? Wenn es nur geht
oder wenigstens schleicht. Mein kleiner Führer er¬
zählte mir hier und da Geschichten von Todtschlagen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/266>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.