hemenz auf mich zu, fasste mich beym Kragen und riss mich so heftig herum, dass das Schisma noch an meinem Rocke zu sehen ist. Wer seyd Ihr? -- Ein Reisender. -- Wo wollt Ihr hin? -- Nach Syrakus. -- Warum reitet Ihr nicht? -- Es ist mir zu theuer; ich habe nicht Geld genug dazu. -- Einer meiner Freun¬ de in Rom hat mich in dem barocken Aufzuge ge¬ zeichnet, den ich damals machte, damit ich, wie er sagte, doch sagen könnte, ich habe mich in Rom ma¬ len lassen. Ich schicke Dir die Zeichnung zur Er¬ bauung, und Du wirst hier wenigstens meine Eitel¬ keit nicht beschuldigen, dass sie sich ins beste Licht gesetzt hat. Man riss meinen Sack auf und fand frey¬ lich keine Herrlichkeiten, ein Hemde, zwey Bücher, ein Stück hartes Brot, ein Stückchen noch härteren Käse und einige Orangen. Man besah mich aufmerk¬ sam von der Ferse bis zur Scheitel. -- Ihr habt also kein Geld zum Reiten? -- Ich kann so viel nicht be¬ zahlen. -- Meine Figur und mein Sack schienen ihnen hierüber ein gleichlautendes Dokument zu seyn. Man nahm das weisse Buch, in welches ich einige Bemer¬ kungen geschrieben hatte um die Reminiscenzen zu erhalten; man fragte, was es wäre, und durchblätterte es, und Einer, der etwas Ansehen über die beyden Andern zu haben schien, machte Miene es einzustek¬ ken. Ich sagte etwas betroffen: Aber das ist mein Tagebuch mit einigen Reisebemerkungen für meine Freunde. Der Mensch betrachtete mich in meiner Verlegenheit, besann sich einige Augenblicke, gab mir das Buch zurück und sagte zu dem Andern: Gieb ihm Wein! Dieses hielt ich, und wohl mit Recht, für das
hemenz auf mich zu, faſste mich beym Kragen und riſs mich so heftig herum, daſs das Schisma noch an meinem Rocke zu sehen ist. Wer seyd Ihr? — Ein Reisender. — Wo wollt Ihr hin? — Nach Syrakus. — Warum reitet Ihr nicht? — Es ist mir zu theuer; ich habe nicht Geld genug dazu. — Einer meiner Freun¬ de in Rom hat mich in dem barocken Aufzuge ge¬ zeichnet, den ich damals machte, damit ich, wie er sagte, doch sagen könnte, ich habe mich in Rom ma¬ len lassen. Ich schicke Dir die Zeichnung zur Er¬ bauung, und Du wirst hier wenigstens meine Eitel¬ keit nicht beschuldigen, daſs sie sich ins beste Licht gesetzt hat. Man riſs meinen Sack auf und fand frey¬ lich keine Herrlichkeiten, ein Hemde, zwey Bücher, ein Stück hartes Brot, ein Stückchen noch härteren Käse und einige Orangen. Man besah mich aufmerk¬ sam von der Ferse bis zur Scheitel. — Ihr habt also kein Geld zum Reiten? — Ich kann so viel nicht be¬ zahlen. — Meine Figur und mein Sack schienen ihnen hierüber ein gleichlautendes Dokument zu seyn. Man nahm das weiſse Buch, in welches ich einige Bemer¬ kungen geschrieben hatte um die Reminiscenzen zu erhalten; man fragte, was es wäre, und durchblätterte es, und Einer, der etwas Ansehen über die beyden Andern zu haben schien, machte Miene es einzustek¬ ken. Ich sagte etwas betroffen: Aber das ist mein Tagebuch mit einigen Reisebemerkungen für meine Freunde. Der Mensch betrachtete mich in meiner Verlegenheit, besann sich einige Augenblicke, gab mir das Buch zurück und sagte zu dem Andern: Gieb ihm Wein! Dieses hielt ich, und wohl mit Recht, für das
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hemenz auf mich zu, faſste mich beym Kragen und
riſs mich so heftig herum, daſs das Schisma noch an
meinem Rocke zu sehen ist. Wer seyd Ihr? — Ein
Reisender. — Wo wollt Ihr hin? — Nach Syrakus. —
Warum reitet Ihr nicht? — Es ist mir zu theuer; ich
habe nicht Geld genug dazu. — Einer meiner Freun¬
de in Rom hat mich in dem barocken Aufzuge ge¬
zeichnet, den ich damals machte, damit ich, wie er
sagte, doch sagen könnte, ich habe mich in Rom ma¬
len lassen. Ich schicke Dir die Zeichnung zur Er¬
bauung, und Du wirst hier wenigstens meine Eitel¬
keit nicht beschuldigen, daſs sie sich ins beste Licht
gesetzt hat. Man riſs meinen Sack auf und fand frey¬
lich keine Herrlichkeiten, ein Hemde, zwey Bücher,
ein Stück hartes Brot, ein Stückchen noch härteren
Käse und einige Orangen. Man besah mich aufmerk¬
sam von der Ferse bis zur Scheitel. — Ihr habt also
kein Geld zum Reiten? — Ich kann so viel nicht be¬
zahlen. — Meine Figur und mein Sack schienen ihnen
hierüber ein gleichlautendes Dokument zu seyn. Man
nahm das weiſse Buch, in welches ich einige Bemer¬
kungen geschrieben hatte um die Reminiscenzen zu
erhalten; man fragte, was es wäre, und durchblätterte
es, und Einer, der etwas Ansehen über die beyden
Andern zu haben schien, machte Miene es einzustek¬
ken. Ich sagte etwas betroffen: Aber das ist mein
Tagebuch mit einigen Reisebemerkungen für meine
Freunde. Der Mensch betrachtete mich in meiner
Verlegenheit, besann sich einige Augenblicke, gab mir
das Buch zurück und sagte zu dem Andern: Gieb ihm
Wein! Dieses hielt ich, und wohl mit Recht, für das
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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