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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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und die man gewöhnlich nur Virgils Schule nennt.
Wenn man nun gleich den Ort wohl sehr uneigent¬
lich Virgils Schule nennt, so ist es doch sehr wahr-,
scheinlich, dass er hier oft gearbeitet haben mag. Es
ist eine der angenehmsten klassischen mythologischen
Stellen, welche die Einbildungskraft sich nur schaffen
kann. Vermuthlich gehört der Platz zu den Gärten
des Pollio. Er hatte hier um sich her einen grossen
Theil von dem Theater seiner Aeneide, alle Oerter
die an den Meerbusen von Neapel und Bajä liegen,
von den phlegräischen Feldern bis nach Surrent.

Nicht weit von der Landspitze und von dem
Wirthshause, wo ich einkehrte, stand ehemals ein al¬
ter Tempel der Fortuna, von dem noch einige Säulen
und etwas Gemäuer zu sehen sind. Jetzt hat man an
dem Orte ein christliches Kirchlein gebauet und es der
Madonna della fortuna geweiht. Man hat bekanntlich
manches aus dem Heidenthum in den christlichen Ri¬
tus übergetragen, die Saturnalien, das Weihwasser und
vieles andere; aber besser hätte man nicht umändern
können: denn es ist wohl auf der ganzen Erde, in der
wahren Geschichte und in der Fabellehre kein anderes
Weib, das ein solches Glück gemacht hätte, als diese
Madonna. Ein wenig weiter landeinwärts sind in den
Gärten noch die gemauerten Tiefen, die man mit
Wahrscheinlichkeit für die Fischhälter des Pollio an¬
nimmt, und in dieser Meinung eine grosse marmorne
Tafel an der Thür angebracht hat, auf welcher latei¬
nisch alle Gräuel abscheulich genug beschrieben sind,
die der Heide hier getrieben hat; wo denn natürlich
die Milde unserer Religion und unserer Regierungen

und die man gewöhnlich nur Virgils Schule nennt.
Wenn man nun gleich den Ort wohl sehr uneigent¬
lich Virgils Schule nennt, so ist es doch sehr wahr-,
scheinlich, daſs er hier oft gearbeitet haben mag. Es
ist eine der angenehmsten klassischen mythologischen
Stellen, welche die Einbildungskraft sich nur schaffen
kann. Vermuthlich gehört der Platz zu den Gärten
des Pollio. Er hatte hier um sich her einen groſsen
Theil von dem Theater seiner Aeneide, alle Oerter
die an den Meerbusen von Neapel und Bajä liegen,
von den phlegräischen Feldern bis nach Surrent.

Nicht weit von der Landspitze und von dem
Wirthshause, wo ich einkehrte, stand ehemals ein al¬
ter Tempel der Fortuna, von dem noch einige Säulen
und etwas Gemäuer zu sehen sind. Jetzt hat man an
dem Orte ein christliches Kirchlein gebauet und es der
Madonna della fortuna geweiht. Man hat bekanntlich
manches aus dem Heidenthum in den christlichen Ri¬
tus übergetragen, die Saturnalien, das Weihwasser und
vieles andere; aber besser hätte man nicht umändern
können: denn es ist wohl auf der ganzen Erde, in der
wahren Geschichte und in der Fabellehre kein anderes
Weib, das ein solches Glück gemacht hätte, als diese
Madonna. Ein wenig weiter landeinwärts sind in den
Gärten noch die gemauerten Tiefen, die man mit
Wahrscheinlichkeit für die Fischhälter des Pollio an¬
nimmt, und in dieser Meinung eine groſse marmorne
Tafel an der Thür angebracht hat, auf welcher latei¬
niſch alle Gräuel abscheulich genug beschrieben sind,
die der Heide hier getrieben hat; wo denn natürlich
die Milde unserer Religion und unserer Regierungen

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[194/0220] und die man gewöhnlich nur Virgils Schule nennt. Wenn man nun gleich den Ort wohl sehr uneigent¬ lich Virgils Schule nennt, so ist es doch sehr wahr-, scheinlich, daſs er hier oft gearbeitet haben mag. Es ist eine der angenehmsten klassischen mythologischen Stellen, welche die Einbildungskraft sich nur schaffen kann. Vermuthlich gehört der Platz zu den Gärten des Pollio. Er hatte hier um sich her einen groſsen Theil von dem Theater seiner Aeneide, alle Oerter die an den Meerbusen von Neapel und Bajä liegen, von den phlegräischen Feldern bis nach Surrent. Nicht weit von der Landspitze und von dem Wirthshause, wo ich einkehrte, stand ehemals ein al¬ ter Tempel der Fortuna, von dem noch einige Säulen und etwas Gemäuer zu sehen sind. Jetzt hat man an dem Orte ein christliches Kirchlein gebauet und es der Madonna della fortuna geweiht. Man hat bekanntlich manches aus dem Heidenthum in den christlichen Ri¬ tus übergetragen, die Saturnalien, das Weihwasser und vieles andere; aber besser hätte man nicht umändern können: denn es ist wohl auf der ganzen Erde, in der wahren Geschichte und in der Fabellehre kein anderes Weib, das ein solches Glück gemacht hätte, als diese Madonna. Ein wenig weiter landeinwärts sind in den Gärten noch die gemauerten Tiefen, die man mit Wahrscheinlichkeit für die Fischhälter des Pollio an¬ nimmt, und in dieser Meinung eine groſse marmorne Tafel an der Thür angebracht hat, auf welcher latei¬ niſch alle Gräuel abscheulich genug beschrieben sind, die der Heide hier getrieben hat; wo denn natürlich die Milde unserer Religion und unserer Regierungen

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/220>, abgerufen am 25.11.2024.