nien, das man seit dem es bekannt ist zum Paradiese erhoben hat, für das die römischen Soldaten ihr Ka¬ pitol vergessen wollten. Es ist wahr, der Strich zwi¬ schen Aversa, Kapua, Kaserta, Nola und Neapel, zwischen dem Vesuv, dem Gaurus und den hohen Apenninen, oder das sogenannte Kampanerthal, ist von allem was ich in der alten und neuen Welt bis jetzt noch gesehen habe der schönste Platz, wo die Natur alle ihre Gaben bis zur höchsten Verschwendung ausgegossen hat. Jeder Fusstritt trieft von Segen. Du pflanzest einen Baum, und er wächst in kurzer Zeit schwelgerisch breit und hoch empor; Du hängst einen Weinstock daran und er wird stark wie ein Stamm, und seine Reben laufen weitausgreifend durch die Krone der Ulme; der Oehlbaum steht mit bescheide¬ ner Schönheit an dem Abhange der schützenden Berge; die Feige schwillt üppig unter dem grossen Blatte am gesegneten Aste; gegen über glüht im sonnigen Thale die Orange, und unter dem Obstwalde wallt der Wei¬ tzen, nickt die Bohne, in reicher lieblicher Mischung. Der Arbeiter erntet dreyfach auf dem nehmlichen Bo¬ den in Fülle, Obst und Wein und Weitzen; und alles ist üppige ewig jugendliche Kraft. Unter diesen magi¬ schen Abwechselungen kamen wir in einigen Stunden in Parthenope an. Der stattliche dicke Herr, mein Nachbar, schien die Deutschen etwas in Affektion ge¬ nommen zu haben, war ehemahls einige Monathe in Wien und Prag gewesen, wusste einige Dutzend Wör¬ ter von unserer Sprache, und war die Gefälligkeit selbst. Er war aus dem königlichen Hause, und mich wunderte seine Artigkeit etwas, da sonst Höflichkeit in
nien, das man seit dem es bekannt ist zum Paradiese erhoben hat, für das die römischen Soldaten ihr Ka¬ pitol vergessen wollten. Es ist wahr, der Strich zwi¬ schen Aversa, Kapua, Kaserta, Nola und Neapel, zwischen dem Vesuv, dem Gaurus und den hohen Apenninen, oder das sogenannte Kampanerthal, ist von allem was ich in der alten und neuen Welt bis jetzt noch gesehen habe der schönste Platz, wo die Natur alle ihre Gaben bis zur höchsten Verschwendung ausgegossen hat. Jeder Fuſstritt trieft von Segen. Du pflanzest einen Baum, und er wächst in kurzer Zeit schwelgerisch breit und hoch empor; Du hängst einen Weinstock daran und er wird stark wie ein Stamm, und seine Reben laufen weitausgreifend durch die Krone der Ulme; der Oehlbaum steht mit bescheide¬ ner Schönheit an dem Abhange der schützenden Berge; die Feige schwillt üppig unter dem groſsen Blatte am gesegneten Aste; gegen über glüht im sonnigen Thale die Orange, und unter dem Obstwalde wallt der Wei¬ tzen, nickt die Bohne, in reicher lieblicher Mischung. Der Arbeiter erntet dreyfach auf dem nehmlichen Bo¬ den in Fülle, Obst und Wein und Weitzen; und alles ist üppige ewig jugendliche Kraft. Unter diesen magi¬ schen Abwechselungen kamen wir in einigen Stunden in Parthenope an. Der stattliche dicke Herr, mein Nachbar, schien die Deutschen etwas in Affektion ge¬ nommen zu haben, war ehemahls einige Monathe in Wien und Prag gewesen, wuſste einige Dutzend Wör¬ ter von unserer Sprache, und war die Gefälligkeit selbst. Er war aus dem königlichen Hause, und mich wunderte seine Artigkeit etwas, da sonst Höflichkeit in
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nien, das man seit dem es bekannt ist zum Paradiese
erhoben hat, für das die römischen Soldaten ihr Ka¬
pitol vergessen wollten. Es ist wahr, der Strich zwi¬
schen Aversa, Kapua, Kaserta, Nola und Neapel,
zwischen dem Vesuv, dem Gaurus und den hohen
Apenninen, oder das sogenannte Kampanerthal, ist
von allem was ich in der alten und neuen Welt bis
jetzt noch gesehen habe der schönste Platz, wo die
Natur alle ihre Gaben bis zur höchsten Verschwendung
ausgegossen hat. Jeder Fuſstritt trieft von Segen. Du
pflanzest einen Baum, und er wächst in kurzer Zeit
schwelgerisch breit und hoch empor; Du hängst einen
Weinstock daran und er wird stark wie ein Stamm,
und seine Reben laufen weitausgreifend durch die
Krone der Ulme; der Oehlbaum steht mit bescheide¬
ner Schönheit an dem Abhange der schützenden Berge;
die Feige schwillt üppig unter dem groſsen Blatte am
gesegneten Aste; gegen über glüht im sonnigen Thale
die Orange, und unter dem Obstwalde wallt der Wei¬
tzen, nickt die Bohne, in reicher lieblicher Mischung.
Der Arbeiter erntet dreyfach auf dem nehmlichen Bo¬
den in Fülle, Obst und Wein und Weitzen; und alles
ist üppige ewig jugendliche Kraft. Unter diesen magi¬
schen Abwechselungen kamen wir in einigen Stunden
in Parthenope an. Der stattliche dicke Herr, mein
Nachbar, schien die Deutschen etwas in Affektion ge¬
nommen zu haben, war ehemahls einige Monathe in
Wien und Prag gewesen, wuſste einige Dutzend Wör¬
ter von unserer Sprache, und war die Gefälligkeit
selbst. Er war aus dem königlichen Hause, und mich
wunderte seine Artigkeit etwas, da sonst Höflichkeit in
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/211>, abgerufen am 26.11.2024.
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