Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

üppigen Vegetation aller Art. Auch mehrere Palm¬
bäume traf ich hier schon, da in Rom nur ein einzi¬
ger als eine Seltenheit nicht weit vom Kolosseum ge¬
zeigt wird. Von der letzten Station führt eine herrli¬
che Allee der schönsten und grössten Aprikosenbäume
in die Stadt.

Mein Franzose kam, und es fand sich, dass der
arme Teufel mit seiner Börse auf den Hefen war. Ich
musste ihn also doch nach Neapel hinüber transpor¬
tieren helfen. Zu Abend traf ich ein Paar ziemlich
reiche Mayländer, die mit schöner Equipage von Nea¬
pel kamen, und wir assen zusammen. Die Herren
waren ganz verblüfft zu hören, dass ich von Leipzig
nach Agrigent tornistern wollte, bloss um an dem süd¬
lichen Ufer Siciliens etwas herumzuschlendern und et¬
wa junge Mandeln und ganz frische Apfelsinen dort
zu essen. Die Unterhaltung war sehr lebhaft und an¬
genehm, und die Norditaliäner schienen die schöne
Neapel quouis modo, literärisch, ästhetisch und phy¬
sisch genossen zu haben. Morgen gehts ins Reich
hinüber; denn so nennt man hier das Neapolitanische.



Der Morgen war frisch und schön, als wir Anxur
verliessen, der Wind stark und die Brandung hoch¬
stürmend, so dass ich am Strande eingenetzt war, ehe
ich daran dachte. Die Wogen schlugen majestätisch
an den steilen Felsen herauf. Am Eingange des Reichs
hatte mein französischer Reisekamerad Zwist mit der

üppigen Vegetation aller Art. Auch mehrere Palm¬
bäume traf ich hier schon, da in Rom nur ein einzi¬
ger als eine Seltenheit nicht weit vom Kolosseum ge¬
zeigt wird. Von der letzten Station führt eine herrli¬
che Allee der schönsten und gröſsten Aprikosenbäume
in die Stadt.

Mein Franzose kam, und es fand sich, daſs der
arme Teufel mit seiner Börse auf den Hefen war. Ich
muſste ihn also doch nach Neapel hinüber transpor¬
tieren helfen. Zu Abend traf ich ein Paar ziemlich
reiche Mayländer, die mit schöner Equipage von Nea¬
pel kamen, und wir aſsen zusammen. Die Herren
waren ganz verblüfft zu hören, daſs ich von Leipzig
nach Agrigent tornistern wollte, bloſs um an dem süd¬
lichen Ufer Siciliens etwas herumzuschlendern und et¬
wa junge Mandeln und ganz frische Apfelsinen dort
zu essen. Die Unterhaltung war sehr lebhaft und an¬
genehm, und die Norditaliäner schienen die schöne
Neapel quouis modo, literärisch, ästhetisch und phy¬
sisch genossen zu haben. Morgen gehts ins Reich
hinüber; denn so nennt man hier das Neapolitanische.



Der Morgen war frisch und schön, als wir Anxur
verlieſsen, der Wind stark und die Brandung hoch¬
stürmend, so daſs ich am Strande eingenetzt war, ehe
ich daran dachte. Die Wogen schlugen majestätisch
an den steilen Felsen herauf. Am Eingange des Reichs
hatte mein französischer Reisekamerad Zwist mit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0198" n="172"/>
üppigen Vegetation aller Art. Auch mehrere Palm¬<lb/>
bäume traf ich hier schon, da in Rom nur ein einzi¬<lb/>
ger als eine Seltenheit nicht weit vom Kolosseum ge¬<lb/>
zeigt wird. Von der letzten Station führt eine herrli¬<lb/>
che Allee der schönsten und grö&#x017F;sten Aprikosenbäume<lb/>
in die Stadt.</p><lb/>
        <p>Mein Franzose kam, und es fand sich, da&#x017F;s der<lb/>
arme Teufel mit seiner Börse auf den Hefen war. Ich<lb/>
mu&#x017F;ste ihn also doch nach Neapel hinüber transpor¬<lb/>
tieren helfen. Zu Abend traf ich ein Paar ziemlich<lb/>
reiche Mayländer, die mit schöner Equipage von Nea¬<lb/>
pel kamen, und wir a&#x017F;sen zusammen. Die Herren<lb/>
waren ganz verblüfft zu hören, da&#x017F;s ich von Leipzig<lb/>
nach Agrigent tornistern wollte, blo&#x017F;s um an dem süd¬<lb/>
lichen Ufer Siciliens etwas herumzuschlendern und et¬<lb/>
wa junge Mandeln und ganz frische Apfelsinen dort<lb/>
zu essen. Die Unterhaltung war sehr lebhaft und an¬<lb/>
genehm, und die Norditaliäner schienen die schöne<lb/>
Neapel <hi rendition="#i">quouis modo</hi>, literärisch, ästhetisch und phy¬<lb/>
sisch genossen zu haben. Morgen gehts ins Reich<lb/>
hinüber; denn so nennt man hier das Neapolitanische.</p><lb/>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Neapel</hi>.</hi> </dateline><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Morgen war frisch und schön, als wir Anxur<lb/>
verlie&#x017F;sen, der Wind stark und die Brandung hoch¬<lb/>
stürmend, so da&#x017F;s ich am Strande eingenetzt war, ehe<lb/>
ich daran dachte. Die Wogen schlugen majestätisch<lb/>
an den steilen Felsen herauf. Am Eingange des Reichs<lb/>
hatte mein französischer Reisekamerad Zwist mit der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0198] üppigen Vegetation aller Art. Auch mehrere Palm¬ bäume traf ich hier schon, da in Rom nur ein einzi¬ ger als eine Seltenheit nicht weit vom Kolosseum ge¬ zeigt wird. Von der letzten Station führt eine herrli¬ che Allee der schönsten und gröſsten Aprikosenbäume in die Stadt. Mein Franzose kam, und es fand sich, daſs der arme Teufel mit seiner Börse auf den Hefen war. Ich muſste ihn also doch nach Neapel hinüber transpor¬ tieren helfen. Zu Abend traf ich ein Paar ziemlich reiche Mayländer, die mit schöner Equipage von Nea¬ pel kamen, und wir aſsen zusammen. Die Herren waren ganz verblüfft zu hören, daſs ich von Leipzig nach Agrigent tornistern wollte, bloſs um an dem süd¬ lichen Ufer Siciliens etwas herumzuschlendern und et¬ wa junge Mandeln und ganz frische Apfelsinen dort zu essen. Die Unterhaltung war sehr lebhaft und an¬ genehm, und die Norditaliäner schienen die schöne Neapel quouis modo, literärisch, ästhetisch und phy¬ sisch genossen zu haben. Morgen gehts ins Reich hinüber; denn so nennt man hier das Neapolitanische. Neapel. Der Morgen war frisch und schön, als wir Anxur verlieſsen, der Wind stark und die Brandung hoch¬ stürmend, so daſs ich am Strande eingenetzt war, ehe ich daran dachte. Die Wogen schlugen majestätisch an den steilen Felsen herauf. Am Eingange des Reichs hatte mein französischer Reisekamerad Zwist mit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/198
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/198>, abgerufen am 19.11.2024.