Nach seinen Briefen musste er ein sehr braver Offizier gewesen seyn, der selbst bey Perugia ein Detachement kommandierte; und ich habe ihn als einen ehrlichen Mann kennen lernen. Wir assen zusammen in Veletri und trollten sodann ganz vergnügt die Berge hinab in die Sümpfe hinein, die einige Stunden hinter der Stadt ihren Anfang nehmen. In Cisterne wollten wir übernachten; aber das Wirthshaus hatte die schlechte¬ ste Miene von der Welt, und die päpstlichen Drajoner trieben ein gewaltig lärmendes Wesen. Uebrigens fiel mir ein, dass dieses vermuthlich der Ort war, wo Ho¬ raz so sehr von den Flöhen gebissen wurde und noch andere traurige Abenteuer hatte, dass auch der Apo¬ stel Paulus hier geschlafen haben soll, ehe man ihn in Rom in die Kerker des Kapitols einsperrte. Das war nun lauter böses Omen. Wir beschlossen also, zu¬ mahl da es noch hoch am Tage war, noch eine Sta¬ tion weiter zu wandeln, bis Torre di tre ponti. Hier kamen wir aus dem Regen in die Traufe. Es war ein grosses leeres Haus; der Wirth war nach Paris gereist, um, wenn es möglich wäre, seine Habe wieder zu erhalten, die man ihm in die Wette geraubt hatte. Erst plünderten die Neapolitaner, dann die Franzosen, dann wieder die Neapolitaner, und die Streiter des heiligen Vaters zur Gesellschaft: das ist nun so römi¬ sche Wirthschaft. Es war im ganzen Hause kein Bett, und die Leute sahen nicht ausserordentlich freundlich aus. Der Wirth war abwesend; es waren viel Fremde da, die in den pontinischen Sümpfen, wohin sogar der Auswurf aus Rom flüchtet, kein grosses Zutrauen einflössen können. Die alte gutmüthige Haushälterin
Nach seinen Briefen muſste er ein sehr braver Offizier gewesen seyn, der selbst bey Perugia ein Detachement kommandierte; und ich habe ihn als einen ehrlichen Mann kennen lernen. Wir aſsen zusammen in Veletri und trollten sodann ganz vergnügt die Berge hinab in die Sümpfe hinein, die einige Stunden hinter der Stadt ihren Anfang nehmen. In Cisterne wollten wir übernachten; aber das Wirthshaus hatte die schlechte¬ ste Miene von der Welt, und die päpstlichen Drajoner trieben ein gewaltig lärmendes Wesen. Uebrigens fiel mir ein, daſs dieses vermuthlich der Ort war, wo Ho¬ raz so sehr von den Flöhen gebissen wurde und noch andere traurige Abenteuer hatte, daſs auch der Apo¬ stel Paulus hier geschlafen haben soll, ehe man ihn in Rom in die Kerker des Kapitols einsperrte. Das war nun lauter böses Omen. Wir beschlossen also, zu¬ mahl da es noch hoch am Tage war, noch eine Sta¬ tion weiter zu wandeln, bis Torre di tre ponti. Hier kamen wir aus dem Regen in die Traufe. Es war ein groſses leeres Haus; der Wirth war nach Paris gereist, um, wenn es möglich wäre, seine Habe wieder zu erhalten, die man ihm in die Wette geraubt hatte. Erst plünderten die Neapolitaner, dann die Franzosen, dann wieder die Neapolitaner, und die Streiter des heiligen Vaters zur Gesellschaft: das ist nun so römi¬ sche Wirthschaft. Es war im ganzen Hause kein Bett, und die Leute sahen nicht auſserordentlich freundlich aus. Der Wirth war abwesend; es waren viel Fremde da, die in den pontinischen Sümpfen, wohin sogar der Auswurf aus Rom flüchtet, kein groſses Zutrauen einflöſsen können. Die alte gutmüthige Haushälterin
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Nach seinen Briefen muſste er ein sehr braver Offizier
gewesen seyn, der selbst bey Perugia ein Detachement
kommandierte; und ich habe ihn als einen ehrlichen
Mann kennen lernen. Wir aſsen zusammen in Veletri
und trollten sodann ganz vergnügt die Berge hinab in
die Sümpfe hinein, die einige Stunden hinter der
Stadt ihren Anfang nehmen. In Cisterne wollten wir
übernachten; aber das Wirthshaus hatte die schlechte¬
ste Miene von der Welt, und die päpstlichen Drajoner
trieben ein gewaltig lärmendes Wesen. Uebrigens fiel
mir ein, daſs dieses vermuthlich der Ort war, wo Ho¬
raz so sehr von den Flöhen gebissen wurde und noch
andere traurige Abenteuer hatte, daſs auch der Apo¬
stel Paulus hier geschlafen haben soll, ehe man ihn
in Rom in die Kerker des Kapitols einsperrte. Das
war nun lauter böses Omen. Wir beschlossen also, zu¬
mahl da es noch hoch am Tage war, noch eine Sta¬
tion weiter zu wandeln, bis Torre di tre ponti. Hier
kamen wir aus dem Regen in die Traufe. Es war ein
groſses leeres Haus; der Wirth war nach Paris gereist,
um, wenn es möglich wäre, seine Habe wieder zu
erhalten, die man ihm in die Wette geraubt hatte.
Erst plünderten die Neapolitaner, dann die Franzosen,
dann wieder die Neapolitaner, und die Streiter des
heiligen Vaters zur Gesellschaft: das ist nun so römi¬
sche Wirthschaft. Es war im ganzen Hause kein Bett,
und die Leute sahen nicht auſserordentlich freundlich
aus. Der Wirth war abwesend; es waren viel Fremde
da, die in den pontinischen Sümpfen, wohin sogar
der Auswurf aus Rom flüchtet, kein groſses Zutrauen
einflöſsen können. Die alte gutmüthige Haushälterin
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/195>, abgerufen am 28.11.2024.
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