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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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senweg hinunter, und ich begreife nicht, wie sie mit
gewöhnlicher Besinnung es wagen konnten, sie weiter
zu verfolgen. Sie gingen in das Manöver und bezahl¬
ten für ihre Kurzsichtigkeit unten sehr theuer. Es ist
traurig für die Humanität, dass man sich mit Tiger¬
wuth sogar unter den Zweigen des friedlichen Oehl¬
baums schlägt. So sehr ich zuweilen der Härte be¬
schuldiget werde, ein Oehlbaum und ein Weitzenfeld
würde mir immer ein Heiligthum seyn; und ich
könnte mich gleich zur Kartätsche gegen denjenigen
stellen, der beydes zerstört. Die Sonne ging unter
als ich den schönen Olivenwald herab kam, und kaum
konnte ich unter den Weinstöcken noch einige Veil¬
chen und Hyacinthen pflücken, die dort ohne Pflege
blühen.

Es war zu spät noch die Reste des Theaters in
den Gärten des Bischofs zu sehen, und den andern
Morgen wanderte ich nach Narni. Die Gegend von
Narni aus an der Nera hinunter ist furchtbar schön.
Die Brücke bey Borghetto über die Tiber ist zwar ein
sehr braves Stück Arbeit, aber als Monument für
drey Päpste immer sehr kleinlich, wenn man sie nur
gegen die Reste des alten ponte rotto bey Narni über
die Nera hält. Das sind doch noch Triumphbogen,
die Sinn haben, diese Brücke und der Trajanische
bey Ankona. Der schönste ist wohl der Wasserfall
des Velino, der oben für die ganze Gegend von Rieti
schon über zwey tausend Jahre eine Wohlthat ist, weil
er sie vor Ueberschwemmungen schützt. Ich bekenne,
dass ich für zwecklose Pracht, wenn es auch Riesen¬
werke wären, keine sonderliche Stimmung habe.

senweg hinunter, und ich begreife nicht, wie sie mit
gewöhnlicher Besinnung es wagen konnten, sie weiter
zu verfolgen. Sie gingen in das Manöver und bezahl¬
ten für ihre Kurzsichtigkeit unten sehr theuer. Es ist
traurig für die Humanität, daſs man sich mit Tiger¬
wuth sogar unter den Zweigen des friedlichen Oehl¬
baums schlägt. So sehr ich zuweilen der Härte be¬
schuldiget werde, ein Oehlbaum und ein Weitzenfeld
würde mir immer ein Heiligthum seyn; und ich
könnte mich gleich zur Kartätsche gegen denjenigen
stellen, der beydes zerstört. Die Sonne ging unter
als ich den schönen Olivenwald herab kam, und kaum
konnte ich unter den Weinstöcken noch einige Veil¬
chen und Hyacinthen pflücken, die dort ohne Pflege
blühen.

Es war zu spät noch die Reste des Theaters in
den Gärten des Bischofs zu sehen, und den andern
Morgen wanderte ich nach Narni. Die Gegend von
Narni aus an der Nera hinunter ist furchtbar schön.
Die Brücke bey Borghetto über die Tiber ist zwar ein
sehr braves Stück Arbeit, aber als Monument für
drey Päpste immer sehr kleinlich, wenn man sie nur
gegen die Reste des alten ponte rotto bey Narni über
die Nera hält. Das sind doch noch Triumphbogen,
die Sinn haben, diese Brücke und der Trajanische
bey Ankona. Der schönste ist wohl der Wasserfall
des Velino, der oben für die ganze Gegend von Rieti
schon über zwey tausend Jahre eine Wohlthat ist, weil
er sie vor Ueberschwemmungen schützt. Ich bekenne,
daſs ich für zwecklose Pracht, wenn es auch Riesen¬
werke wären, keine sonderliche Stimmung habe.

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[151/0177] senweg hinunter, und ich begreife nicht, wie sie mit gewöhnlicher Besinnung es wagen konnten, sie weiter zu verfolgen. Sie gingen in das Manöver und bezahl¬ ten für ihre Kurzsichtigkeit unten sehr theuer. Es ist traurig für die Humanität, daſs man sich mit Tiger¬ wuth sogar unter den Zweigen des friedlichen Oehl¬ baums schlägt. So sehr ich zuweilen der Härte be¬ schuldiget werde, ein Oehlbaum und ein Weitzenfeld würde mir immer ein Heiligthum seyn; und ich könnte mich gleich zur Kartätsche gegen denjenigen stellen, der beydes zerstört. Die Sonne ging unter als ich den schönen Olivenwald herab kam, und kaum konnte ich unter den Weinstöcken noch einige Veil¬ chen und Hyacinthen pflücken, die dort ohne Pflege blühen. Es war zu spät noch die Reste des Theaters in den Gärten des Bischofs zu sehen, und den andern Morgen wanderte ich nach Narni. Die Gegend von Narni aus an der Nera hinunter ist furchtbar schön. Die Brücke bey Borghetto über die Tiber ist zwar ein sehr braves Stück Arbeit, aber als Monument für drey Päpste immer sehr kleinlich, wenn man sie nur gegen die Reste des alten ponte rotto bey Narni über die Nera hält. Das sind doch noch Triumphbogen, die Sinn haben, diese Brücke und der Trajanische bey Ankona. Der schönste ist wohl der Wasserfall des Velino, der oben für die ganze Gegend von Rieti schon über zwey tausend Jahre eine Wohlthat ist, weil er sie vor Ueberschwemmungen schützt. Ich bekenne, daſs ich für zwecklose Pracht, wenn es auch Riesen¬ werke wären, keine sonderliche Stimmung habe.

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/177>, abgerufen am 30.11.2024.