reichliche Unterhaltung für ihre Liebslingsfächer. Aber ich dachte weder an alte noch neue Kriege und zog gerades Weges ins Wirthshaus, das Hotel de Naples. Auf mein ltaliänisch war man nicht ausserordentlich höflich, vermuthlich weil es nicht sonderlich gut war. Ne pourrai je pas parler au maitre de la maison? fragte ich etwas trotzig, indem ich meinen Tornister abwarf. Auf einmahl war alles freundlich, und alles war zu haben. Sonderbar, wie zuweilen einige Worte so oder so wirken können, nachdem man sie hier oder da sagt. In Ferrara mochte ich wohl mit meinem Reisesacke einigen Herren etwas drollig vorkommen, und sie schienen sich hinter mir über mich mit lau¬ tem Gelächter etwas zu erlustigen. Qu'est ce qu'il y a la, Messieurs? fragte ich mit einer enrhumierten rauhen Stimme. Niente, Signore, war die Antwort; und alles trat still in eine bescheidnere Entfernung. In Spoleto hätte mir die Frage ein Stilet gelten kön¬ nen. Ich fand in dem Hotel de Naples zwey Kauf¬ leute und drey Schiffer; der Kellner war ein joviali¬ scher Mensch; man begrüsste mich in einer Minute zehn Mahl mit dem Prädikate cittadino, gab mir den Ehrenplatz und fütterte mich a qui mieux mit den be¬ sten Gerichten. Es machte keinen Unterschied als man nun erfuhr, ich sey ein Deutscher; so sehr be¬ stimmt der erste Augenblick die künftige Behandlung. Wir pflanzten uns, da der Abend sehr rauh und stür¬ misch war, um den Kamin her, machten einen trau¬ lichen freundlichen Familienzirkel und tändelten mit einem kleinen allerliebsten Jungen, der wie ein Toast
reichliche Unterhaltung für ihre Liebslingsfächer. Aber ich dachte weder an alte noch neue Kriege und zog gerades Weges ins Wirthshaus, das Hotel de Naples. Auf mein ltaliänisch war man nicht auſserordentlich höflich, vermuthlich weil es nicht sonderlich gut war. Ne pourrai je pas parler au maitre de la maison? fragte ich etwas trotzig, indem ich meinen Tornister abwarf. Auf einmahl war alles freundlich, und alles war zu haben. Sonderbar, wie zuweilen einige Worte so oder so wirken können, nachdem man sie hier oder da sagt. In Ferrara mochte ich wohl mit meinem Reisesacke einigen Herren etwas drollig vorkommen, und sie schienen sich hinter mir über mich mit lau¬ tem Gelächter etwas zu erlustigen. Qu'est ce qu'il y a là, Messieurs? fragte ich mit einer enrhumierten rauhen Stimme. Niente, Signore, war die Antwort; und alles trat still in eine bescheidnere Entfernung. In Spoleto hätte mir die Frage ein Stilet gelten kön¬ nen. Ich fand in dem Hotel de Naples zwey Kauf¬ leute und drey Schiffer; der Kellner war ein joviali¬ scher Mensch; man begrüſste mich in einer Minute zehn Mahl mit dem Prädikate cittadino, gab mir den Ehrenplatz und fütterte mich à qui mieux mit den be¬ sten Gerichten. Es machte keinen Unterschied als man nun erfuhr, ich sey ein Deutscher; so sehr be¬ stimmt der erste Augenblick die künftige Behandlung. Wir pflanzten uns, da der Abend sehr rauh und stür¬ misch war, um den Kamin her, machten einen trau¬ lichen freundlichen Familienzirkel und tändelten mit einem kleinen allerliebsten Jungen, der wie ein Toast
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reichliche Unterhaltung für ihre Liebslingsfächer. Aber
ich dachte weder an alte noch neue Kriege und zog
gerades Weges ins Wirthshaus, das Hotel de Naples.
Auf mein ltaliänisch war man nicht auſserordentlich
höflich, vermuthlich weil es nicht sonderlich gut war.
Ne pourrai je pas parler au maitre de la maison?
fragte ich etwas trotzig, indem ich meinen Tornister
abwarf. Auf einmahl war alles freundlich, und alles
war zu haben. Sonderbar, wie zuweilen einige Worte
so oder so wirken können, nachdem man sie hier oder
da sagt. In Ferrara mochte ich wohl mit meinem
Reisesacke einigen Herren etwas drollig vorkommen,
und sie schienen sich hinter mir über mich mit lau¬
tem Gelächter etwas zu erlustigen. Qu'est ce qu'il
y a là, Messieurs? fragte ich mit einer enrhumierten
rauhen Stimme. Niente, Signore, war die Antwort;
und alles trat still in eine bescheidnere Entfernung.
In Spoleto hätte mir die Frage ein Stilet gelten kön¬
nen. Ich fand in dem Hotel de Naples zwey Kauf¬
leute und drey Schiffer; der Kellner war ein joviali¬
scher Mensch; man begrüſste mich in einer Minute
zehn Mahl mit dem Prädikate cittadino, gab mir den
Ehrenplatz und fütterte mich à qui mieux mit den be¬
sten Gerichten. Es machte keinen Unterschied als
man nun erfuhr, ich sey ein Deutscher; so sehr be¬
stimmt der erste Augenblick die künftige Behandlung.
Wir pflanzten uns, da der Abend sehr rauh und stür¬
misch war, um den Kamin her, machten einen trau¬
lichen freundlichen Familienzirkel und tändelten mit
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/148>, abgerufen am 28.11.2024.
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