Markusplatze, wo ich für billige Bezahlung ziemlich gutes Quatier und artige Bewirthung fand.
Den dritten Februar, wenn ich mich nicht irre, kam ich in Venedig an, und lief gleich den Morgen darauf mit einem alten abgedankten Bootsmann, der von Lissabon bis Konstantinopel und auf der afrikani¬ schen Seite zurück die ganze Küste kannte, und jetzt den Lohnbedienten machen musste, in der Stadt her¬ um; sah mehr als zwanzig Kirchen in einigen Stun¬ den, von der Kathedrale des heiligen Markus herab bis auf das kleinste Kapellchen der ehemaligen Beherr¬ scherin des Adria. Wenn ich Künstler oder nur Ken¬ ner wäre, könnte ich Dir viel erzählen von dem was da ist und was da war. Aber das alles ist Dir wahr¬ scheinlich schon aus Büchern bekannt; und ich würde mir vielleicht weder mit der Aufzählung noch mit dem Urtheil grosse Ehre erwerben. Der Pallast der Republik sieht jetzt sehr öde aus, und der Rialto ist mit Kanonen besetzt. Auch am Ende des Markuspla¬ tzes nach dem Hafen zu haben die Oestreicher sechs Kanonen stehen, und gegen über auf Sankt George hatten schon die Franzosen eine Batterie angelegt, wel¬ che die Kaiserlichen natürlich unterhalten und erwei¬ tern. Die Parthie des Rialto hat meine Erwartung nicht befriedigt; aber der Markusplatz hat sie, auch so wie er noch jetzt ist, übertroffen.
Es mögen jetzt ungefähr drey Regimenter hier liegen, eine sehr kleine Anzahl für ernsthafte Vorfälle. So wie die Stimmung jetzt ist, nähme und behauptete man mit zehn tausend Mann Venedig; wenn man nehmlich im Anfange energisch und sodann klug und
Markusplatze, wo ich für billige Bezahlung ziemlich gutes Quatier und artige Bewirthung fand.
Den dritten Februar, wenn ich mich nicht irre, kam ich in Venedig an, und lief gleich den Morgen darauf mit einem alten abgedankten Bootsmann, der von Lissabon bis Konstantinopel und auf der afrikani¬ schen Seite zurück die ganze Küste kannte, und jetzt den Lohnbedienten machen muſste, in der Stadt her¬ um; sah mehr als zwanzig Kirchen in einigen Stun¬ den, von der Kathedrale des heiligen Markus herab bis auf das kleinste Kapellchen der ehemaligen Beherr¬ scherin des Adria. Wenn ich Künstler oder nur Ken¬ ner wäre, könnte ich Dir viel erzählen von dem was da ist und was da war. Aber das alles ist Dir wahr¬ scheinlich schon aus Büchern bekannt; und ich würde mir vielleicht weder mit der Aufzählung noch mit dem Urtheil groſse Ehre erwerben. Der Pallast der Republik sieht jetzt sehr öde aus, und der Rialto ist mit Kanonen besetzt. Auch am Ende des Markuspla¬ tzes nach dem Hafen zu haben die Oestreicher sechs Kanonen stehen, und gegen über auf Sankt George hatten schon die Franzosen eine Batterie angelegt, wel¬ che die Kaiserlichen natürlich unterhalten und erwei¬ tern. Die Parthie des Rialto hat meine Erwartung nicht befriedigt; aber der Markusplatz hat sie, auch so wie er noch jetzt ist, übertroffen.
Es mögen jetzt ungefähr drey Regimenter hier liegen, eine sehr kleine Anzahl für ernsthafte Vorfälle. So wie die Stimmung jetzt ist, nähme und behauptete man mit zehn tausend Mann Venedig; wenn man nehmlich im Anfange energisch und sodann klug und
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Markusplatze, wo ich für billige Bezahlung ziemlich
gutes Quatier und artige Bewirthung fand.
Den dritten Februar, wenn ich mich nicht irre,
kam ich in Venedig an, und lief gleich den Morgen
darauf mit einem alten abgedankten Bootsmann, der
von Lissabon bis Konstantinopel und auf der afrikani¬
schen Seite zurück die ganze Küste kannte, und jetzt
den Lohnbedienten machen muſste, in der Stadt her¬
um; sah mehr als zwanzig Kirchen in einigen Stun¬
den, von der Kathedrale des heiligen Markus herab
bis auf das kleinste Kapellchen der ehemaligen Beherr¬
scherin des Adria. Wenn ich Künstler oder nur Ken¬
ner wäre, könnte ich Dir viel erzählen von dem was
da ist und was da war. Aber das alles ist Dir wahr¬
scheinlich schon aus Büchern bekannt; und ich würde
mir vielleicht weder mit der Aufzählung noch mit
dem Urtheil groſse Ehre erwerben. Der Pallast der
Republik sieht jetzt sehr öde aus, und der Rialto ist
mit Kanonen besetzt. Auch am Ende des Markuspla¬
tzes nach dem Hafen zu haben die Oestreicher sechs
Kanonen stehen, und gegen über auf Sankt George
hatten schon die Franzosen eine Batterie angelegt, wel¬
che die Kaiserlichen natürlich unterhalten und erwei¬
tern. Die Parthie des Rialto hat meine Erwartung
nicht befriedigt; aber der Markusplatz hat sie, auch
so wie er noch jetzt ist, übertroffen.
Es mögen jetzt ungefähr drey Regimenter hier
liegen, eine sehr kleine Anzahl für ernsthafte Vorfälle.
So wie die Stimmung jetzt ist, nähme und behauptete
man mit zehn tausend Mann Venedig; wenn man
nehmlich im Anfange energisch und sodann klug und
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/121>, abgerufen am 26.11.2024.
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