alle drey aus vollem Halse lachten. Das war nun ein Jargon von Deutsch, Italiänisch und Krainerisch, von jeder dieser Sprachen die ästhetische Quintessenz, und ich verstand blutwenig davon. Indessen stellte ich mich doch so nahe als möglich, um von dem Feuer, wenn auch nicht der Unterhaltung doch des Herds meinen Antheil zu haben. Man nahm zuerst keine Notiz von mir, belugte mich sodann etwas neugierig und fuhr fort. Der geistliche Herr gewann mir bald Rede ab und sprach erst rein italiänisch, radbrechte dann deutsch und plauderte endlich das beste Mönchs¬ latein. Da es hier darauf ankam, kannst Du denken, dass ich mit meiner Gelehrsamkeit eben nicht den Filz machte, und der Mann fasste bald eine gar ge¬ waltige Affektion zu mir, als ich glücklich genug ei¬ nige Dinge aus dem Griechischen zitierte, die er nur halb verstand. Nun empfahl er mich auch den schö¬ nen Wirthinnen sehr nachdrücklich, und ich hatte die Ehre ihn zum Tischgesellschafter zu erhalten. Die Mädchen staunten über unsere Gelehrsamkeit und hätten leicht zu viel Respekt bekommen können, wenn nicht der Mann zuweilen mit vieler Wendung eine tüchtige Schnurre mit eingeworfen hätte. Natürlich erhielt er, durch das Lob das er mir zukommen liess, selbst im Hause ein neues Relief: wer den andern so laut und gründlich beurtheilt, muss ihn übersehen können.
Wenn ich nicht aus der trophonischen Höhle ge¬ kommen, nicht sehr müde gewesen wäre und nicht den folgenden Morgen ziemlich früh fort gewollt hät¬ te, wäre mir die lustige Unterhaltung des geistlichen
alle drey aus vollem Halse lachten. Das war nun ein Jargon von Deutsch, Italiänisch und Krainerisch, von jeder dieser Sprachen die ästhetische Quintessenz, und ich verstand blutwenig davon. Indessen stellte ich mich doch so nahe als möglich, um von dem Feuer, wenn auch nicht der Unterhaltung doch des Herds meinen Antheil zu haben. Man nahm zuerst keine Notiz von mir, belugte mich sodann etwas neugierig und fuhr fort. Der geistliche Herr gewann mir bald Rede ab und sprach erst rein italiänisch, radbrechte dann deutsch und plauderte endlich das beste Mönchs¬ latein. Da es hier darauf ankam, kannst Du denken, daſs ich mit meiner Gelehrsamkeit eben nicht den Filz machte, und der Mann faſste bald eine gar ge¬ waltige Affektion zu mir, als ich glücklich genug ei¬ nige Dinge aus dem Griechischen zitierte, die er nur halb verstand. Nun empfahl er mich auch den schö¬ nen Wirthinnen sehr nachdrücklich, und ich hatte die Ehre ihn zum Tischgesellschafter zu erhalten. Die Mädchen staunten über unsere Gelehrsamkeit und hätten leicht zu viel Respekt bekommen können, wenn nicht der Mann zuweilen mit vieler Wendung eine tüchtige Schnurre mit eingeworfen hätte. Natürlich erhielt er, durch das Lob das er mir zukommen lieſs, selbst im Hause ein neues Relief: wer den andern so laut und gründlich beurtheilt, muſs ihn übersehen können.
Wenn ich nicht aus der trophonischen Höhle ge¬ kommen, nicht sehr müde gewesen wäre und nicht den folgenden Morgen ziemlich früh fort gewollt hät¬ te, wäre mir die lustige Unterhaltung des geistlichen
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0104"n="78"/>
alle drey aus vollem Halse lachten. Das war nun ein<lb/>
Jargon von Deutsch, Italiänisch und Krainerisch, von<lb/>
jeder dieser Sprachen die ästhetische Quintessenz, und<lb/>
ich verstand blutwenig davon. Indessen stellte ich<lb/>
mich doch so nahe als möglich, um von dem Feuer,<lb/>
wenn auch nicht der Unterhaltung doch des Herds<lb/>
meinen Antheil zu haben. Man nahm zuerst keine<lb/>
Notiz von mir, belugte mich sodann etwas neugierig<lb/>
und fuhr fort. Der geistliche Herr gewann mir bald<lb/>
Rede ab und sprach erst rein italiänisch, radbrechte<lb/>
dann deutsch und plauderte endlich das beste Mönchs¬<lb/>
latein. Da es hier darauf ankam, kannst Du denken,<lb/>
daſs ich mit meiner Gelehrsamkeit eben nicht den<lb/>
Filz machte, und der Mann faſste bald eine gar ge¬<lb/>
waltige Affektion zu mir, als ich glücklich genug ei¬<lb/>
nige Dinge aus dem Griechischen zitierte, die er nur<lb/>
halb verstand. Nun empfahl er mich auch den schö¬<lb/>
nen Wirthinnen sehr nachdrücklich, und ich hatte die<lb/>
Ehre ihn zum Tischgesellschafter zu erhalten. Die<lb/>
Mädchen staunten über unsere Gelehrsamkeit und<lb/>
hätten leicht zu viel Respekt bekommen können, wenn<lb/>
nicht der Mann zuweilen mit vieler Wendung eine<lb/>
tüchtige Schnurre mit eingeworfen hätte. Natürlich<lb/>
erhielt er, durch das Lob das er mir zukommen lieſs,<lb/>
selbst im Hause ein neues Relief: wer den andern so<lb/>
laut und gründlich beurtheilt, muſs ihn übersehen<lb/>
können.</p><lb/><p>Wenn ich nicht aus der trophonischen Höhle ge¬<lb/>
kommen, nicht sehr müde gewesen wäre und nicht<lb/>
den folgenden Morgen ziemlich früh fort gewollt hät¬<lb/>
te, wäre mir die lustige Unterhaltung des geistlichen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[78/0104]
alle drey aus vollem Halse lachten. Das war nun ein
Jargon von Deutsch, Italiänisch und Krainerisch, von
jeder dieser Sprachen die ästhetische Quintessenz, und
ich verstand blutwenig davon. Indessen stellte ich
mich doch so nahe als möglich, um von dem Feuer,
wenn auch nicht der Unterhaltung doch des Herds
meinen Antheil zu haben. Man nahm zuerst keine
Notiz von mir, belugte mich sodann etwas neugierig
und fuhr fort. Der geistliche Herr gewann mir bald
Rede ab und sprach erst rein italiänisch, radbrechte
dann deutsch und plauderte endlich das beste Mönchs¬
latein. Da es hier darauf ankam, kannst Du denken,
daſs ich mit meiner Gelehrsamkeit eben nicht den
Filz machte, und der Mann faſste bald eine gar ge¬
waltige Affektion zu mir, als ich glücklich genug ei¬
nige Dinge aus dem Griechischen zitierte, die er nur
halb verstand. Nun empfahl er mich auch den schö¬
nen Wirthinnen sehr nachdrücklich, und ich hatte die
Ehre ihn zum Tischgesellschafter zu erhalten. Die
Mädchen staunten über unsere Gelehrsamkeit und
hätten leicht zu viel Respekt bekommen können, wenn
nicht der Mann zuweilen mit vieler Wendung eine
tüchtige Schnurre mit eingeworfen hätte. Natürlich
erhielt er, durch das Lob das er mir zukommen lieſs,
selbst im Hause ein neues Relief: wer den andern so
laut und gründlich beurtheilt, muſs ihn übersehen
können.
Wenn ich nicht aus der trophonischen Höhle ge¬
kommen, nicht sehr müde gewesen wäre und nicht
den folgenden Morgen ziemlich früh fort gewollt hät¬
te, wäre mir die lustige Unterhaltung des geistlichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/104>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.