Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.wohl die Mestizen als gefährliche, oder wenigstens nicht zu missachtende Gegner erscheinen. Dennoch ruht auf ihnen die Hoffnung des Landes. Eine Einwanderung zahlreicher Europäer, die das Land--wie es die Engländer in Neu-Seeland und Australien gethan haben--in ein europäisches verwandeln würde, ist vorläufig wenigstens undenkbar. Der europäische Ackerbauer würde hier den Kampf um's Dasein nicht durchfechten können. Der reine Malaie lebt aber heute noch fast ebenso, wie früher, ohne Bewusstsein erhöhter persönlicher Würde, ohne Interesse an dem gemeinsamen Geschicke des Landes. Sollte ein unglücklicher Umstand dem Lande die politische Freiheit geben und die Macht zerstören, welche allein durch Jahrhunderte hindurch im Stand war, die Bewohner zur Annahme höherer Cultur zu zwingen, so würde trotz des Christenthums und der Pfaffen und trotz der Sympathie zwischen Spaniern und Malaien augenblicklich ein Zerfall in das alte Clan-Wesen eintreten, das ja noch bis auf den heutigen Tag in der bürgerlichen Ordnung fortlebt. Dies könnte nur die kräftige Hand eines neuen Besitzers und Herrschers verhüten. Und es liegt in der Natur des Entwickelungsganges unserer Zeit begründet, dass dann an jene Mestizenrace die Aufgabe heranträte, dem Untergang des blühenden und zu noch grösserer Blüthe berufenen Gemeinwesens mit kräftiger Hand zu steuern. Hoffen wir, dass ein solches Experiment dem Lande nicht bevorstehen möge in Folge des Kampfes, der sich jetzt abermals zwischen den Parteien Spanien's erhoben hat. wohl die Mestizen als gefährliche, oder wenigstens nicht zu missachtende Gegner erscheinen. Dennoch ruht auf ihnen die Hoffnung des Landes. Eine Einwanderung zahlreicher Europäer, die das Land—wie es die Engländer in Neu-Seeland und Australien gethan haben—in ein europäisches verwandeln würde, ist vorläufig wenigstens undenkbar. Der europäische Ackerbauer würde hier den Kampf um’s Dasein nicht durchfechten können. Der reine Malaie lebt aber heute noch fast ebenso, wie früher, ohne Bewusstsein erhöhter persönlicher Würde, ohne Interesse an dem gemeinsamen Geschicke des Landes. Sollte ein unglücklicher Umstand dem Lande die politische Freiheit geben und die Macht zerstören, welche allein durch Jahrhunderte hindurch im Stand war, die Bewohner zur Annahme höherer Cultur zu zwingen, so würde trotz des Christenthums und der Pfaffen und trotz der Sympathie zwischen Spaniern und Malaien augenblicklich ein Zerfall in das alte Clan-Wesen eintreten, das ja noch bis auf den heutigen Tag in der bürgerlichen Ordnung fortlebt. Dies könnte nur die kräftige Hand eines neuen Besitzers und Herrschers verhüten. Und es liegt in der Natur des Entwickelungsganges unserer Zeit begründet, dass dann an jene Mestizenrace die Aufgabe heranträte, dem Untergang des blühenden und zu noch grösserer Blüthe berufenen Gemeinwesens mit kräftiger Hand zu steuern. Hoffen wir, dass ein solches Experiment dem Lande nicht bevorstehen möge in Folge des Kampfes, der sich jetzt abermals zwischen den Parteien Spanien’s erhoben hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="94"/> wohl die Mestizen als gefährliche, oder wenigstens nicht zu missachtende Gegner erscheinen. Dennoch ruht auf ihnen die Hoffnung des Landes. Eine Einwanderung zahlreicher Europäer, die das Land—wie es die Engländer in Neu-Seeland und Australien gethan haben—in ein europäisches verwandeln würde, ist vorläufig wenigstens undenkbar. Der europäische Ackerbauer würde hier den Kampf um’s Dasein nicht durchfechten können. Der reine Malaie lebt aber heute noch fast ebenso, wie früher, ohne Bewusstsein erhöhter persönlicher Würde, ohne Interesse an dem gemeinsamen Geschicke des Landes. Sollte ein unglücklicher Umstand dem Lande die politische Freiheit geben und die Macht zerstören, welche allein durch Jahrhunderte hindurch im Stand war, die Bewohner zur Annahme höherer Cultur zu zwingen, so würde trotz des Christenthums und der Pfaffen und trotz der Sympathie zwischen Spaniern und Malaien augenblicklich ein Zerfall in das alte Clan-Wesen eintreten, das ja noch bis auf den heutigen Tag in der bürgerlichen Ordnung fortlebt. Dies könnte nur die kräftige Hand eines neuen Besitzers und Herrschers verhüten. Und es liegt in der Natur des Entwickelungsganges unserer Zeit begründet, dass dann an jene Mestizenrace die Aufgabe heranträte, dem Untergang des blühenden und zu noch grösserer Blüthe berufenen Gemeinwesens mit kräftiger Hand zu steuern. Hoffen wir, dass ein solches Experiment dem Lande nicht bevorstehen möge in Folge des Kampfes, der sich jetzt abermals zwischen den Parteien Spanien’s erhoben hat. </p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0094]
wohl die Mestizen als gefährliche, oder wenigstens nicht zu missachtende Gegner erscheinen. Dennoch ruht auf ihnen die Hoffnung des Landes. Eine Einwanderung zahlreicher Europäer, die das Land—wie es die Engländer in Neu-Seeland und Australien gethan haben—in ein europäisches verwandeln würde, ist vorläufig wenigstens undenkbar. Der europäische Ackerbauer würde hier den Kampf um’s Dasein nicht durchfechten können. Der reine Malaie lebt aber heute noch fast ebenso, wie früher, ohne Bewusstsein erhöhter persönlicher Würde, ohne Interesse an dem gemeinsamen Geschicke des Landes. Sollte ein unglücklicher Umstand dem Lande die politische Freiheit geben und die Macht zerstören, welche allein durch Jahrhunderte hindurch im Stand war, die Bewohner zur Annahme höherer Cultur zu zwingen, so würde trotz des Christenthums und der Pfaffen und trotz der Sympathie zwischen Spaniern und Malaien augenblicklich ein Zerfall in das alte Clan-Wesen eintreten, das ja noch bis auf den heutigen Tag in der bürgerlichen Ordnung fortlebt. Dies könnte nur die kräftige Hand eines neuen Besitzers und Herrschers verhüten. Und es liegt in der Natur des Entwickelungsganges unserer Zeit begründet, dass dann an jene Mestizenrace die Aufgabe heranträte, dem Untergang des blühenden und zu noch grösserer Blüthe berufenen Gemeinwesens mit kräftiger Hand zu steuern. Hoffen wir, dass ein solches Experiment dem Lande nicht bevorstehen möge in Folge des Kampfes, der sich jetzt abermals zwischen den Parteien Spanien’s erhoben hat.
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Zitationshilfe: | Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/94>, abgerufen am 16.02.2025. |