Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.nebeneinander existiren. Und ebenso wurden die "gobernadorcillos", ursprünglich gewiss erbliche Aemter, nun mit den übrigen, die sogenannte "principalia"--d. h. Aristokratie--des Dorfes bildenden Beamten, den Tenientes, alguaziles, jueces etc., Ehrenämter, zu deren Besetzung alljährlich eine Wahl vorgenommen wird. Der hierbei beobachtete Wahlmodus ist kurz folgender. Der abtretende Gobernadorcillo und 12 durch das Loos bestimmte Einwohner, welche zur Hälfte der Zahl der abgetretenen "gobernadorcillos" und "cabezas", zur Hälfte derjenigen der activen "cabezas" entnommen werden, sind die Wähler, welche nun aus ihrer Mitte nach absoluter Majorität den neuen Beamten zu wählen haben. Obgleich von den Priestern ein directer Einfluss bei diesen Wahlen ebensowenig, wie den Gouverneuren der Provinzen gestattet war, so musste es doch dem im Dorfe selbst lebenden und mit allen Heimlichkeiten des Familienlebens seiner Pfarrkinder wohl vertrauten Pfarrer ein Leichtes werden, auch bei diesen Wahlen einen weitgehenden Einfluss zu erringen; während der militairische Gouverneur oder der Alcalde selten nur in persönliche Beziehungen zu ihren Untergebenen treten und auf sie einwirken konnten. So musste natürlich der locale Einfluss der Priester ein sehr viel grösserer sein, und dies um so mehr, als sie fast ausschliesslich im Besitze des Dialectes der Provinz waren, die Gouverneure dagegen sich der Dollmetscher bedienen mussten, selbst im Verkehre mit den Gobernadorcillos, welche trotz der Einführung der spanischen Sprache als Amtssprache doch nur selten des Spanischen mächtig waren. Vielleicht mögen sogar die Priester, in richtiger Erkenntniss ihrer Stellung, die Ausbreitung ihrer Muttersprache absichtlich so viel als möglich verhindert haben. Wenngleich nun auf diese Weise, und dann vor Allem durch die noch näher zu besprechende Mischlingsrace der Mestizen, eine nicht unbedeutende Veränderung in der socialen Ordnung der Bewohner einzelner Dörfer hervorgebracht wurde, so blieb doch das einheimische Clanwesen im Wesentlichen unverändert. Noch heutigen Tages gelten im Verkehr der Bewohner untereinander eine Menge alter aus der heidnischen Epoche überkommener Gebräuche--unter denen wir hier nur die Sitte hervorheben wollen, dass der Mann, um sich seine Frau zu erwerben, eine Zeitlang der nebeneinander existiren. Und ebenso wurden die “gobernadorcillos”, ursprünglich gewiss erbliche Aemter, nun mit den übrigen, die sogenannte “principalia”—d. h. Aristokratie—des Dorfes bildenden Beamten, den Tenientes, alguaziles, jueces etc., Ehrenämter, zu deren Besetzung alljährlich eine Wahl vorgenommen wird. Der hierbei beobachtete Wahlmodus ist kurz folgender. Der abtretende Gobernadorcillo und 12 durch das Loos bestimmte Einwohner, welche zur Hälfte der Zahl der abgetretenen “gobernadorcillos” und “cabezas”, zur Hälfte derjenigen der activen “cabezas” entnommen werden, sind die Wähler, welche nun aus ihrer Mitte nach absoluter Majorität den neuen Beamten zu wählen haben. Obgleich von den Priestern ein directer Einfluss bei diesen Wahlen ebensowenig, wie den Gouverneuren der Provinzen gestattet war, so musste es doch dem im Dorfe selbst lebenden und mit allen Heimlichkeiten des Familienlebens seiner Pfarrkinder wohl vertrauten Pfarrer ein Leichtes werden, auch bei diesen Wahlen einen weitgehenden Einfluss zu erringen; während der militairische Gouverneur oder der Alcalde selten nur in persönliche Beziehungen zu ihren Untergebenen treten und auf sie einwirken konnten. So musste natürlich der locale Einfluss der Priester ein sehr viel grösserer sein, und dies um so mehr, als sie fast ausschliesslich im Besitze des Dialectes der Provinz waren, die Gouverneure dagegen sich der Dollmetscher bedienen mussten, selbst im Verkehre mit den Gobernadorcillos, welche trotz der Einführung der spanischen Sprache als Amtssprache doch nur selten des Spanischen mächtig waren. Vielleicht mögen sogar die Priester, in richtiger Erkenntniss ihrer Stellung, die Ausbreitung ihrer Muttersprache absichtlich so viel als möglich verhindert haben. Wenngleich nun auf diese Weise, und dann vor Allem durch die noch näher zu besprechende Mischlingsrace der Mestizen, eine nicht unbedeutende Veränderung in der socialen Ordnung der Bewohner einzelner Dörfer hervorgebracht wurde, so blieb doch das einheimische Clanwesen im Wesentlichen unverändert. Noch heutigen Tages gelten im Verkehr der Bewohner untereinander eine Menge alter aus der heidnischen Epoche überkommener Gebräuche—unter denen wir hier nur die Sitte hervorheben wollen, dass der Mann, um sich seine Frau zu erwerben, eine Zeitlang der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="82"/> nebeneinander existiren. Und ebenso wurden die “gobernadorcillos”, ursprünglich gewiss erbliche Aemter, nun mit den übrigen, die sogenannte “principalia”—d. h. Aristokratie—des Dorfes bildenden Beamten, den Tenientes, alguaziles, jueces etc., Ehrenämter, zu deren Besetzung alljährlich eine Wahl vorgenommen wird. Der hierbei beobachtete Wahlmodus ist kurz folgender. Der abtretende Gobernadorcillo und 12 durch das Loos bestimmte Einwohner, welche zur Hälfte der Zahl der abgetretenen “gobernadorcillos” und “cabezas”, zur Hälfte derjenigen der activen “cabezas” entnommen werden, sind die Wähler, welche nun aus ihrer Mitte nach absoluter Majorität den neuen Beamten zu wählen haben. Obgleich von den Priestern ein directer Einfluss bei diesen Wahlen ebensowenig, wie den Gouverneuren der Provinzen gestattet war, so musste es doch dem im Dorfe selbst lebenden und mit allen Heimlichkeiten des Familienlebens seiner Pfarrkinder wohl vertrauten Pfarrer ein Leichtes werden, auch bei diesen Wahlen einen weitgehenden Einfluss zu erringen; während der militairische Gouverneur oder der Alcalde selten nur in persönliche Beziehungen zu ihren Untergebenen treten und auf sie einwirken konnten. So musste natürlich der locale Einfluss der Priester ein sehr viel grösserer sein, und dies um so mehr, als sie fast ausschliesslich im Besitze des Dialectes der Provinz waren, die Gouverneure dagegen sich der Dollmetscher bedienen mussten, selbst im Verkehre mit den Gobernadorcillos, welche trotz der Einführung der spanischen Sprache als Amtssprache doch nur selten des Spanischen mächtig waren. 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nebeneinander existiren. Und ebenso wurden die “gobernadorcillos”, ursprünglich gewiss erbliche Aemter, nun mit den übrigen, die sogenannte “principalia”—d. h. Aristokratie—des Dorfes bildenden Beamten, den Tenientes, alguaziles, jueces etc., Ehrenämter, zu deren Besetzung alljährlich eine Wahl vorgenommen wird. Der hierbei beobachtete Wahlmodus ist kurz folgender. Der abtretende Gobernadorcillo und 12 durch das Loos bestimmte Einwohner, welche zur Hälfte der Zahl der abgetretenen “gobernadorcillos” und “cabezas”, zur Hälfte derjenigen der activen “cabezas” entnommen werden, sind die Wähler, welche nun aus ihrer Mitte nach absoluter Majorität den neuen Beamten zu wählen haben. Obgleich von den Priestern ein directer Einfluss bei diesen Wahlen ebensowenig, wie den Gouverneuren der Provinzen gestattet war, so musste es doch dem im Dorfe selbst lebenden und mit allen Heimlichkeiten des Familienlebens seiner Pfarrkinder wohl vertrauten Pfarrer ein Leichtes werden, auch bei diesen Wahlen einen weitgehenden Einfluss zu erringen; während der militairische Gouverneur oder der Alcalde selten nur in persönliche Beziehungen zu ihren Untergebenen treten und auf sie einwirken konnten. So musste natürlich der locale Einfluss der Priester ein sehr viel grösserer sein, und dies um so mehr, als sie fast ausschliesslich im Besitze des Dialectes der Provinz waren, die Gouverneure dagegen sich der Dollmetscher bedienen mussten, selbst im Verkehre mit den Gobernadorcillos, welche trotz der Einführung der spanischen Sprache als Amtssprache doch nur selten des Spanischen mächtig waren. Vielleicht mögen sogar die Priester, in richtiger Erkenntniss ihrer Stellung, die Ausbreitung ihrer Muttersprache absichtlich so viel als möglich verhindert haben.
Wenngleich nun auf diese Weise, und dann vor Allem durch die noch näher zu besprechende Mischlingsrace der Mestizen, eine nicht unbedeutende Veränderung in der socialen Ordnung der Bewohner einzelner Dörfer hervorgebracht wurde, so blieb doch das einheimische Clanwesen im Wesentlichen unverändert. Noch heutigen Tages gelten im Verkehr der Bewohner untereinander eine Menge alter aus der heidnischen Epoche überkommener Gebräuche—unter denen wir hier nur die Sitte hervorheben wollen, dass der Mann, um sich seine Frau zu erwerben, eine Zeitlang der
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