Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.den grösseren und eckiger gebauten malaiischen Usurpatoren. Durch die ungemeine Schmächtigkeit ihrer Beine und die verhältnissmässig grossen Bäuche--muy barrigudos nennen sie die spanischen Historiker--erinnern sie etwas an die glatthaarigen Bewohner Australien's. Die Milde des tropischen Klima's nimmt sich freundlich ihres fast gänzlich nackten Körpers an, den sie unter leicht beweglichen Schirmen, wie sie auch unsere Steineklopfer haben, gegen heftigen Wind und Regen oder die allzuheisse Sonne schützen. Unter ihnen ausgestreckt liegen sie auf dem heissen Sande des Meeresstrandes oder am Ufer der Gebirgsbäche, immer bereit, die schnell gebaute Hütte einige Meilen weiter zu tragen, wenn Mangel an Nahrung sie dazu zwingt. Mehr Sorgfalt, als den Schürzen und Schenkelbinden, wenden sie ihren Zierrathen zu, die sie in Form von wunderlich gestalteten Ohrgehängen, Ringen für Beine und Arme, Halsketten und einigen Utensilien für den Taback und das Betelkauen sich aus Wurzeln und Stücken Holz, sowie Fasern der Pandanus-Arten flechten. Nur die Reichsten unter ihnen gestatten sich den Luxus einer von den Christen erhandelten Matte zum Schlafen. Auch das Tättowiren üben sie; wenngleich lange nicht in dem Maase, wie die Malaien in der westlichen Cordillere Luzon's. In der Verbindung der dabei angewandten Verzierungen, lauter gradlinigen Mustern, weichen die an verschiedenen Orten lebenden Negritos nicht von einander ab; wohl aber in der Weise des Tättowirens selbst. Die Neger der Ostküste von Baler an bis hinauf nach Palanan brauchen dazu eine Nadel3, wie sie auch bei den Malaien in Gebrauch ist; die von Mariveles dagegen bringen sich in ihrer Haut lange Schnitte an, durch deren Combination sie die gewünschten Muster erzielen. Bei diesen erhebt sich die Zeichnung in Form von hohen Narben, während bei den mit der Nadel tättowirten Negern die Haut ziemlich glatt bleibt. Ihr Charakter ist meistens besser, als sein Ruf. Von Natur sind sie zutraulich, frei und offen, misstrauisch nur im Verkehr mit den Christen, den Räubern ihres Landes; ausdauernd und an Muth den malaiischen Nachbarn weit überlegen; bereitwillig zu Diensten, sobald diese nur im Bereich des Gewohnten liegen; und von einer unbegrenzten Liebe zur individuellen Freiheit und zum Wanderleben. Von ihrer wirklich gutmüthigen Natur erhielt ich den grösseren und eckiger gebauten malaiischen Usurpatoren. Durch die ungemeine Schmächtigkeit ihrer Beine und die verhältnissmässig grossen Bäuche—muy barrigudos nennen sie die spanischen Historiker—erinnern sie etwas an die glatthaarigen Bewohner Australien’s. Die Milde des tropischen Klima’s nimmt sich freundlich ihres fast gänzlich nackten Körpers an, den sie unter leicht beweglichen Schirmen, wie sie auch unsere Steineklopfer haben, gegen heftigen Wind und Regen oder die allzuheisse Sonne schützen. Unter ihnen ausgestreckt liegen sie auf dem heissen Sande des Meeresstrandes oder am Ufer der Gebirgsbäche, immer bereit, die schnell gebaute Hütte einige Meilen weiter zu tragen, wenn Mangel an Nahrung sie dazu zwingt. Mehr Sorgfalt, als den Schürzen und Schenkelbinden, wenden sie ihren Zierrathen zu, die sie in Form von wunderlich gestalteten Ohrgehängen, Ringen für Beine und Arme, Halsketten und einigen Utensilien für den Taback und das Betelkauen sich aus Wurzeln und Stücken Holz, sowie Fasern der Pandanus-Arten flechten. Nur die Reichsten unter ihnen gestatten sich den Luxus einer von den Christen erhandelten Matte zum Schlafen. Auch das Tättowiren üben sie; wenngleich lange nicht in dem Maase, wie die Malaien in der westlichen Cordillere Luzon’s. In der Verbindung der dabei angewandten Verzierungen, lauter gradlinigen Mustern, weichen die an verschiedenen Orten lebenden Negritos nicht von einander ab; wohl aber in der Weise des Tättowirens selbst. Die Neger der Ostküste von Baler an bis hinauf nach Palanan brauchen dazu eine Nadel3, wie sie auch bei den Malaien in Gebrauch ist; die von Mariveles dagegen bringen sich in ihrer Haut lange Schnitte an, durch deren Combination sie die gewünschten Muster erzielen. Bei diesen erhebt sich die Zeichnung in Form von hohen Narben, während bei den mit der Nadel tättowirten Negern die Haut ziemlich glatt bleibt. Ihr Charakter ist meistens besser, als sein Ruf. Von Natur sind sie zutraulich, frei und offen, misstrauisch nur im Verkehr mit den Christen, den Räubern ihres Landes; ausdauernd und an Muth den malaiischen Nachbarn weit überlegen; bereitwillig zu Diensten, sobald diese nur im Bereich des Gewohnten liegen; und von einer unbegrenzten Liebe zur individuellen Freiheit und zum Wanderleben. Von ihrer wirklich gutmüthigen Natur erhielt ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="53"/> den grösseren und eckiger gebauten malaiischen Usurpatoren. Durch die ungemeine Schmächtigkeit ihrer Beine und die verhältnissmässig grossen Bäuche—muy barrigudos nennen sie die spanischen Historiker—erinnern sie etwas an die glatthaarigen Bewohner Australien’s. Die Milde des tropischen Klima’s nimmt sich freundlich ihres fast gänzlich nackten Körpers an, den sie unter leicht beweglichen Schirmen, wie sie auch unsere Steineklopfer haben, gegen heftigen Wind und Regen oder die allzuheisse Sonne schützen. Unter ihnen ausgestreckt liegen sie auf dem heissen Sande des Meeresstrandes oder am Ufer der Gebirgsbäche, immer bereit, die schnell gebaute Hütte einige Meilen weiter zu tragen, wenn Mangel an Nahrung sie dazu zwingt. Mehr Sorgfalt, als den Schürzen und Schenkelbinden, wenden sie ihren Zierrathen zu, die sie in Form von wunderlich gestalteten Ohrgehängen, Ringen für Beine und Arme, Halsketten und einigen Utensilien für den Taback und das Betelkauen sich aus Wurzeln und Stücken Holz, sowie Fasern der Pandanus-Arten flechten. Nur die Reichsten unter ihnen gestatten sich den Luxus einer von den Christen erhandelten Matte zum Schlafen. Auch das Tättowiren üben sie; wenngleich lange nicht in dem Maase, wie die Malaien in der westlichen Cordillere Luzon’s. In der Verbindung der dabei angewandten Verzierungen, lauter gradlinigen Mustern, weichen die an verschiedenen Orten lebenden Negritos nicht von einander ab; wohl aber in der Weise des Tättowirens selbst. 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den grösseren und eckiger gebauten malaiischen Usurpatoren. Durch die ungemeine Schmächtigkeit ihrer Beine und die verhältnissmässig grossen Bäuche—muy barrigudos nennen sie die spanischen Historiker—erinnern sie etwas an die glatthaarigen Bewohner Australien’s. Die Milde des tropischen Klima’s nimmt sich freundlich ihres fast gänzlich nackten Körpers an, den sie unter leicht beweglichen Schirmen, wie sie auch unsere Steineklopfer haben, gegen heftigen Wind und Regen oder die allzuheisse Sonne schützen. Unter ihnen ausgestreckt liegen sie auf dem heissen Sande des Meeresstrandes oder am Ufer der Gebirgsbäche, immer bereit, die schnell gebaute Hütte einige Meilen weiter zu tragen, wenn Mangel an Nahrung sie dazu zwingt. Mehr Sorgfalt, als den Schürzen und Schenkelbinden, wenden sie ihren Zierrathen zu, die sie in Form von wunderlich gestalteten Ohrgehängen, Ringen für Beine und Arme, Halsketten und einigen Utensilien für den Taback und das Betelkauen sich aus Wurzeln und Stücken Holz, sowie Fasern der Pandanus-Arten flechten. Nur die Reichsten unter ihnen gestatten sich den Luxus einer von den Christen erhandelten Matte zum Schlafen. Auch das Tättowiren üben sie; wenngleich lange nicht in dem Maase, wie die Malaien in der westlichen Cordillere Luzon’s. In der Verbindung der dabei angewandten Verzierungen, lauter gradlinigen Mustern, weichen die an verschiedenen Orten lebenden Negritos nicht von einander ab; wohl aber in der Weise des Tättowirens selbst. Die Neger der Ostküste von Baler an bis hinauf nach Palanan brauchen dazu eine Nadel
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, wie sie auch bei den Malaien in Gebrauch ist; die von Mariveles dagegen bringen sich in ihrer Haut lange Schnitte an, durch deren Combination sie die gewünschten Muster erzielen. Bei diesen erhebt sich die Zeichnung in Form von hohen Narben, während bei den mit der Nadel tättowirten Negern die Haut ziemlich glatt bleibt.
Ihr Charakter ist meistens besser, als sein Ruf. Von Natur sind sie zutraulich, frei und offen, misstrauisch nur im Verkehr mit den Christen, den Räubern ihres Landes; ausdauernd und an Muth den malaiischen Nachbarn weit überlegen; bereitwillig zu Diensten, sobald diese nur im Bereich des Gewohnten liegen; und von einer unbegrenzten Liebe zur individuellen Freiheit und zum Wanderleben. Von ihrer wirklich gutmüthigen Natur erhielt ich
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