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Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

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treibt dem Taucher, während er mit einem Messer rasch die festsitzenden Muscheln abzuschneiden sucht, das Blut aus Ohren, Nasen und Augen. Mit zerschnittenen Händen und Fingern, mit blutendem Gesichte kommen diese Unseligen an die Oberfläche, und empfangen als Belohnung für die kostbare Perle, die sie dem Meere entrissen, nur kärgliche elende Nahrung; oft auch ist gänzliche Taubheit, ja selbst ein rascher plötzlicher Tod ihr Lohn. Fast sind sie dann glücklich zu schätzen. Denn die gewaltige Anstrengung des raschen Tauchens zerstört langsam, aber sicher auch die kräftigste Brust, bis sie endlich nach langdauernden Leiden der langsame Tod dem grausigen Geschäfte entreisst. Tausende von Blutstropfen hängen so an jeder Perle, welche das Ohrgehänge oder die Brustnadel unserer Schönen zieren.

Auch der Handel mit Perlen ist in Manila gänzlich in Händen der Chinesen, sodass sich auch hier keine sicheren Angaben über den Werth der jährlich nach China gesandten Perlenmengen machen lassen. Dagegen findet sich die Schale der Meleagrina als sogenannte "concha nacar" in allen Exporttabellen aufgeführt. Das Jahr 1867 hat mit 3095 Picul die grösste je ausgeführte Menge von Perlmutterschalen aufzuweisen. 1865 betrug der Preis per Picul 19 Dollar (57 Gulden) und durchschnittlich sollen ungefähr 30 einfache Schalen auf ein Picul gehen.

Die zweite Muschel (Placuna placenta)4 wird hier nie, wie in Ceylon, der kleinen oft in ihr gebildeten Perlen wegen gesucht. Sie lebt im Schlamme am Ausgange der Flüsse mit anderen Thieren des brakigen Wassers, ohne Befestigung und in grossen Mengen beisammen. Es ist bekannt, dass aus den flachen und dünnen sehr durchscheinenden Schalen viereckige Scheiben geschnitten werden, welche in China, auf den Philippinen und den Inseln des hinterindischen Ocean's statt der Glasscheiben in die Fensterrahmen eingesetzt werden. Gegenüber dem Glase haben sie jedenfalls den in den lichthellen tropischen Ländern hoch zu schätzenden Vortheil, dass sie das directe Sonnenlicht fast ganz ausschliessen, das diffuse Tageslicht dagegen mit hinreichender Intensität durchlassen. Ueber die Masse und den Werth der etwa ausgeführten Schalen dieser Muschel fehlen alle statistischen Angaben.

Eine ganz kurze Erwähnung nur verdienen die hier in Manila "Sigay" genannten Kaurischnecken, Arten der Gattung

treibt dem Taucher, während er mit einem Messer rasch die festsitzenden Muscheln abzuschneiden sucht, das Blut aus Ohren, Nasen und Augen. Mit zerschnittenen Händen und Fingern, mit blutendem Gesichte kommen diese Unseligen an die Oberfläche, und empfangen als Belohnung für die kostbare Perle, die sie dem Meere entrissen, nur kärgliche elende Nahrung; oft auch ist gänzliche Taubheit, ja selbst ein rascher plötzlicher Tod ihr Lohn. Fast sind sie dann glücklich zu schätzen. Denn die gewaltige Anstrengung des raschen Tauchens zerstört langsam, aber sicher auch die kräftigste Brust, bis sie endlich nach langdauernden Leiden der langsame Tod dem grausigen Geschäfte entreisst. Tausende von Blutstropfen hängen so an jeder Perle, welche das Ohrgehänge oder die Brustnadel unserer Schönen zieren.

Auch der Handel mit Perlen ist in Manila gänzlich in Händen der Chinesen, sodass sich auch hier keine sicheren Angaben über den Werth der jährlich nach China gesandten Perlenmengen machen lassen. Dagegen findet sich die Schale der Meleagrina als sogenannte “concha nacar” in allen Exporttabellen aufgeführt. Das Jahr 1867 hat mit 3095 Picul die grösste je ausgeführte Menge von Perlmutterschalen aufzuweisen. 1865 betrug der Preis per Picul 19 Dollar (57 Gulden) und durchschnittlich sollen ungefähr 30 einfache Schalen auf ein Picul gehen.

Die zweite Muschel (Placuna placenta)4 wird hier nie, wie in Ceylon, der kleinen oft in ihr gebildeten Perlen wegen gesucht. Sie lebt im Schlamme am Ausgange der Flüsse mit anderen Thieren des brakigen Wassers, ohne Befestigung und in grossen Mengen beisammen. Es ist bekannt, dass aus den flachen und dünnen sehr durchscheinenden Schalen viereckige Scheiben geschnitten werden, welche in China, auf den Philippinen und den Inseln des hinterindischen Ocean’s statt der Glasscheiben in die Fensterrahmen eingesetzt werden. Gegenüber dem Glase haben sie jedenfalls den in den lichthellen tropischen Ländern hoch zu schätzenden Vortheil, dass sie das directe Sonnenlicht fast ganz ausschliessen, das diffuse Tageslicht dagegen mit hinreichender Intensität durchlassen. Ueber die Masse und den Werth der etwa ausgeführten Schalen dieser Muschel fehlen alle statistischen Angaben.

Eine ganz kurze Erwähnung nur verdienen die hier in Manila “Sigay” genannten Kaurischnecken, Arten der Gattung

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                     kostbare Perle, die sie dem Meere entrissen, nur kärgliche elende Nahrung;
                     oft auch ist gänzliche Taubheit, ja selbst ein rascher plötzlicher Tod
                     ihr Lohn. Fast sind sie dann glücklich zu schätzen. Denn die gewaltige
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Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/30>, abgerufen am 25.11.2024.