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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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und da die Schüler auf dem Kreissezimmer keine Gelegenheit
hatten, sich die Hände neuerdings mit Cadavertheilen zu ver-
unreinigen, so hielt ich es für genügend, wenn sich die Schü-
ler ihre Hände einmal in einer Chlorkalklösung wuschen. We-
gen der grossen Anzahl der in einem Jahre an der ersten Ge-
burtsklinik sich ereigneten Geburten trifft es sich sehr selten,
dass nur eine Kreissende auf dem Kreissezimmer ist, es sind
in der Regel mehrere gleichzeitig anwesend. Zum Behufe des
Unterrichtes wurden alle Kreissenden der Reihe nach, wie sie
eben nebeneinanderlagen, untersucht, und ich hielt es für ge-
nügend, nach jeder Untersuchung die Hand mit Seifenwasser
waschen zu lassen, bevor die nächste untersucht wurde; ich
hielt das Waschen mit Chlorwasser zwischen je zwei Unter-
suchungen für überflüssig, weil man ja auf dem Kreissezim-
mer, nachdem die Hand einmal von den an derselben kleben-
den Cadavertheilen gereinigt war, dieselbe nicht mehr mit
Cadavertheilen verunreinigen kann.

Im Monat October 1847 wurde eine an verjauchendem
Medullarkrebs des Uterus leidende Kreissende aufgenommen;
es wurde ihr das Bett Nr. 1, bei welchem die Visite immer
begonnen wurde, als Kreissebett angewiesen.

Nach der Untersuchung dieser Kreissenden haben wir
Untersuchende uns unsere Hände blos mit Seife gewaschen;
die Folge davon war, dass von 12 gleichzeitig mit ihr Entbun-
denen 11 starben. Die Jauche des verjauchenden Medullar-
krebses wurde durch das Seifenwasser nicht zerstört, durch
die Untersuchungen wurde die Jauche auf die übrigen Kreis-
senden übertragen, und so das Kindbettfieber vervielfältigt.

Also nicht blos die an der Hand klebenden Cadaver-
theile, sondern Jauche, von lebenden Organismen herrührend,
erzeugen das Kindbettfieber; es müssen daher die Hände des
Untersuchenden nicht blos nach Beschäftigung mit Cadavern,
sondern nach Untersuchungen von Individuen, bei welchen die
Hand mit Jauche verunreinigt werden kann, ebenfalls in

und da die Schüler auf dem Kreissezimmer keine Gelegenheit
hatten, sich die Hände neuerdings mit Cadavertheilen zu ver-
unreinigen, so hielt ich es für genügend, wenn sich die Schü-
ler ihre Hände einmal in einer Chlorkalklösung wuschen. We-
gen der grossen Anzahl der in einem Jahre an der ersten Ge-
burtsklinik sich ereigneten Geburten trifft es sich sehr selten,
dass nur eine Kreissende auf dem Kreissezimmer ist, es sind
in der Regel mehrere gleichzeitig anwesend. Zum Behufe des
Unterrichtes wurden alle Kreissenden der Reihe nach, wie sie
eben nebeneinanderlagen, untersucht, und ich hielt es für ge-
nügend, nach jeder Untersuchung die Hand mit Seifenwasser
waschen zu lassen, bevor die nächste untersucht wurde; ich
hielt das Waschen mit Chlorwasser zwischen je zwei Unter-
suchungen für überflüssig, weil man ja auf dem Kreissezim-
mer, nachdem die Hand einmal von den an derselben kleben-
den Cadavertheilen gereinigt war, dieselbe nicht mehr mit
Cadavertheilen verunreinigen kann.

Im Monat October 1847 wurde eine an verjauchendem
Medullarkrebs des Uterus leidende Kreissende aufgenommen;
es wurde ihr das Bett Nr. 1, bei welchem die Visite immer
begonnen wurde, als Kreissebett angewiesen.

Nach der Untersuchung dieser Kreissenden haben wir
Untersuchende uns unsere Hände blos mit Seife gewaschen;
die Folge davon war, dass von 12 gleichzeitig mit ihr Entbun-
denen 11 starben. Die Jauche des verjauchenden Medullar-
krebses wurde durch das Seifenwasser nicht zerstört, durch
die Untersuchungen wurde die Jauche auf die übrigen Kreis-
senden übertragen, und so das Kindbettfieber vervielfältigt.

Also nicht blos die an der Hand klebenden Cadaver-
theile, sondern Jauche, von lebenden Organismen herrührend,
erzeugen das Kindbettfieber; es müssen daher die Hände des
Untersuchenden nicht blos nach Beschäftigung mit Cadavern,
sondern nach Untersuchungen von Individuen, bei welchen die
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[59/0071] und da die Schüler auf dem Kreissezimmer keine Gelegenheit hatten, sich die Hände neuerdings mit Cadavertheilen zu ver- unreinigen, so hielt ich es für genügend, wenn sich die Schü- ler ihre Hände einmal in einer Chlorkalklösung wuschen. We- gen der grossen Anzahl der in einem Jahre an der ersten Ge- burtsklinik sich ereigneten Geburten trifft es sich sehr selten, dass nur eine Kreissende auf dem Kreissezimmer ist, es sind in der Regel mehrere gleichzeitig anwesend. Zum Behufe des Unterrichtes wurden alle Kreissenden der Reihe nach, wie sie eben nebeneinanderlagen, untersucht, und ich hielt es für ge- nügend, nach jeder Untersuchung die Hand mit Seifenwasser waschen zu lassen, bevor die nächste untersucht wurde; ich hielt das Waschen mit Chlorwasser zwischen je zwei Unter- suchungen für überflüssig, weil man ja auf dem Kreissezim- mer, nachdem die Hand einmal von den an derselben kleben- den Cadavertheilen gereinigt war, dieselbe nicht mehr mit Cadavertheilen verunreinigen kann. Im Monat October 1847 wurde eine an verjauchendem Medullarkrebs des Uterus leidende Kreissende aufgenommen; es wurde ihr das Bett Nr. 1, bei welchem die Visite immer begonnen wurde, als Kreissebett angewiesen. Nach der Untersuchung dieser Kreissenden haben wir Untersuchende uns unsere Hände blos mit Seife gewaschen; die Folge davon war, dass von 12 gleichzeitig mit ihr Entbun- denen 11 starben. Die Jauche des verjauchenden Medullar- krebses wurde durch das Seifenwasser nicht zerstört, durch die Untersuchungen wurde die Jauche auf die übrigen Kreis- senden übertragen, und so das Kindbettfieber vervielfältigt. Also nicht blos die an der Hand klebenden Cadaver- theile, sondern Jauche, von lebenden Organismen herrührend, erzeugen das Kindbettfieber; es müssen daher die Hände des Untersuchenden nicht blos nach Beschäftigung mit Cadavern, sondern nach Untersuchungen von Individuen, bei welchen die Hand mit Jauche verunreinigt werden kann, ebenfalls in

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/71>, abgerufen am 23.11.2024.