chen. Alles war in Frage gestellt, Alles war unerklärt, Alles war zweifelhaft, nur die grosse Anzahl der Todten war eine unzweifelhafte Wirklichkeit.
Der Leser kann sich einen Begriff von meiner Rathlosig- keit während meiner ersten Dienstzeit machen, wenn ich ihm erzähle, dass ich einem Ertrinkenden gleich, welcher sich an einem Strohhalme anklammert, die Rücklage, welche bei Ent- bindungen an der ersten Gebärklinik üblich war, abschaffte, und dafür die Seitenlage einführte, aus keinem anderen Grunde, als weil sie auf der zweiten Abtheilung üblich war; ich glaubte zwar nicht, dass die Rückenlage im Vergleiche zur Seitenlage so nachtheilig sei, dass man ihr das Plus der Sterblichkeit an der ersten Abtheilung zuschreiben müsse, allein an der zwei- ten Gebärklinik entbanden sie in der Seitenlage und der Ge- sundheitszustand der Wöchnerinnen war ein besserer, folglich sollen sie auch an der ersten Abtheilung in der Seitenlage ent- binden, damit ja nur Alles so geschehe wie auf der zweiten Abtheilung.
Den Winter 1846/7 benützte ich zur Erlernung der eng- lischen Sprache, um die Zeit, welche ich noch wegen Wie- derübernahme der Stelle eines Assistensarztes durch meinen Vorfahren, Dr. Breit, warten musste, grösstentheils im grossen Dubliner Gebärhause zubringen zu können; allein Dr. Breit wurde Ende Februar 1847 zum Professor der Ge- burtshilfe an der Hochschule zu Tübingen ernannt, ich unter- nahm daher, meinen Reiseplan ändernd, in Gesellschaft zweier Freunde am 2. März 1847 eine Reise nach Venedig, um an den Kunstschätzen Venedigs meinen Geist und mein Gemüth zu erheitern, welche durch die Erlebnisse im Gebärhause so übel afficirt wurden.
Am 20. März desselben Jahres wenige Stunden nach mei- ner Rückkehr nach Wien übernahm ich mit verjüngten Kräf- ten die Stelle eines Assistensarztes an der ersten Gebärklinik, aber bald überraschte mich die traurige Nachricht, dass Pro-
chen. Alles war in Frage gestellt, Alles war unerklärt, Alles war zweifelhaft, nur die grosse Anzahl der Todten war eine unzweifelhafte Wirklichkeit.
Der Leser kann sich einen Begriff von meiner Rathlosig- keit während meiner ersten Dienstzeit machen, wenn ich ihm erzähle, dass ich einem Ertrinkenden gleich, welcher sich an einem Strohhalme anklammert, die Rücklage, welche bei Ent- bindungen an der ersten Gebärklinik üblich war, abschaffte, und dafür die Seitenlage einführte, aus keinem anderen Grunde, als weil sie auf der zweiten Abtheilung üblich war; ich glaubte zwar nicht, dass die Rückenlage im Vergleiche zur Seitenlage so nachtheilig sei, dass man ihr das Plus der Sterblichkeit an der ersten Abtheilung zuschreiben müsse, allein an der zwei- ten Gebärklinik entbanden sie in der Seitenlage und der Ge- sundheitszustand der Wöchnerinnen war ein besserer, folglich sollen sie auch an der ersten Abtheilung in der Seitenlage ent- binden, damit ja nur Alles so geschehe wie auf der zweiten Abtheilung.
Den Winter 1846/7 benützte ich zur Erlernung der eng- lischen Sprache, um die Zeit, welche ich noch wegen Wie- derübernahme der Stelle eines Assistensarztes durch meinen Vorfahren, Dr. Breit, warten musste, grösstentheils im grossen Dubliner Gebärhause zubringen zu können; allein Dr. Breit wurde Ende Februar 1847 zum Professor der Ge- burtshilfe an der Hochschule zu Tübingen ernannt, ich unter- nahm daher, meinen Reiseplan ändernd, in Gesellschaft zweier Freunde am 2. März 1847 eine Reise nach Venedig, um an den Kunstschätzen Venedigs meinen Geist und mein Gemüth zu erheitern, welche durch die Erlebnisse im Gebärhause so übel afficirt wurden.
Am 20. März desselben Jahres wenige Stunden nach mei- ner Rückkehr nach Wien übernahm ich mit verjüngten Kräf- ten die Stelle eines Assistensarztes an der ersten Gebärklinik, aber bald überraschte mich die traurige Nachricht, dass Pro-
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chen. Alles war in Frage gestellt, Alles war unerklärt, Alles
war zweifelhaft, nur die grosse Anzahl der Todten war eine
unzweifelhafte Wirklichkeit.
Der Leser kann sich einen Begriff von meiner Rathlosig-
keit während meiner ersten Dienstzeit machen, wenn ich ihm
erzähle, dass ich einem Ertrinkenden gleich, welcher sich an
einem Strohhalme anklammert, die Rücklage, welche bei Ent-
bindungen an der ersten Gebärklinik üblich war, abschaffte,
und dafür die Seitenlage einführte, aus keinem anderen Grunde,
als weil sie auf der zweiten Abtheilung üblich war; ich glaubte
zwar nicht, dass die Rückenlage im Vergleiche zur Seitenlage
so nachtheilig sei, dass man ihr das Plus der Sterblichkeit an
der ersten Abtheilung zuschreiben müsse, allein an der zwei-
ten Gebärklinik entbanden sie in der Seitenlage und der Ge-
sundheitszustand der Wöchnerinnen war ein besserer, folglich
sollen sie auch an der ersten Abtheilung in der Seitenlage ent-
binden, damit ja nur Alles so geschehe wie auf der zweiten
Abtheilung.
Den Winter 1846/7 benützte ich zur Erlernung der eng-
lischen Sprache, um die Zeit, welche ich noch wegen Wie-
derübernahme der Stelle eines Assistensarztes durch meinen
Vorfahren, Dr. Breit, warten musste, grösstentheils im
grossen Dubliner Gebärhause zubringen zu können; allein
Dr. Breit wurde Ende Februar 1847 zum Professor der Ge-
burtshilfe an der Hochschule zu Tübingen ernannt, ich unter-
nahm daher, meinen Reiseplan ändernd, in Gesellschaft zweier
Freunde am 2. März 1847 eine Reise nach Venedig, um an
den Kunstschätzen Venedigs meinen Geist und mein Gemüth
zu erheitern, welche durch die Erlebnisse im Gebärhause so
übel afficirt wurden.
Am 20. März desselben Jahres wenige Stunden nach mei-
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ten die Stelle eines Assistensarztes an der ersten Gebärklinik,
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/64>, abgerufen am 22.11.2024.
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