Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

28. Cadaveröse Infection.

30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen-
thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge-
bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner
den mächtigsten Einfluss.

Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen-
den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er-
geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be-
rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss-
ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem
Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro-
cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca-
litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie
Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs-
canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte
Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die-
selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien.

Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un-
genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die
Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen
parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht
ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht
sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan-
der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden
unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer
an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der-
selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch
Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung
der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn
keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind,
und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung
nicht als Foyer d'appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn
die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter-
gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in
die Wochenzimmer über kalte Gänge oder Stiegenräume ge-

28. Cadaveröse Infection.

30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen-
thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge-
bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner
den mächtigsten Einfluss.

Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen-
den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er-
geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be-
rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss-
ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem
Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro-
cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca-
litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie
Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs-
canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte
Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die-
selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien.

Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un-
genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die
Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen
parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht
ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht
sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan-
der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden
unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer
an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der-
selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch
Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung
der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn
keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind,
und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung
nicht als Foyer d’appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn
die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter-
gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in
die Wochenzimmer über kalte Gänge oder Stiegenräume ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0545" n="533"/>
          <p>28. Cadaveröse Infection.</p><lb/>
          <p>30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen-<lb/>
thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge-<lb/>
bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner<lb/>
den mächtigsten Einfluss.</p><lb/>
          <p>Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen-<lb/>
den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er-<lb/>
geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be-<lb/>
rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss-<lb/>
ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem<lb/>
Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro-<lb/>
cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca-<lb/>
litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie<lb/>
Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs-<lb/>
canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte<lb/>
Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die-<lb/>
selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien.</p><lb/>
          <p>Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un-<lb/>
genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die<lb/>
Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen<lb/>
parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht<lb/>
ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht<lb/>
sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan-<lb/>
der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden<lb/>
unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer<lb/>
an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der-<lb/>
selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch<lb/>
Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung<lb/>
der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn<lb/>
keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind,<lb/>
und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung<lb/>
nicht als Foyer d&#x2019;appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn<lb/>
die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter-<lb/>
gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in<lb/>
die Wochenzimmer über kalte Gänge oder Stiegenräume ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[533/0545] 28. Cadaveröse Infection. 30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen- thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge- bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner den mächtigsten Einfluss. Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen- den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er- geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be- rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss- ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro- cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca- litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs- canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die- selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien. Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un- genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan- der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der- selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind, und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung nicht als Foyer d’appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter- gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in die Wochenzimmer über kalte Gänge oder Stiegenräume ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/545
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/545>, abgerufen am 22.11.2024.