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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Die Betten stehen unter den Fenstern. Der weiche Bo-
den ist nicht geölt. Die Wände werden jährlich weiss ge-
tüncht. Die wollenen Ober- und Unterdecken werden (oft alle
8 bis 4 Tage) die Bettleinen täglich gewechselt. Die Aborte
sind offen, mit Eisengittern zur Vermeidung des Kindsmor-
des geschützt, und dürfen von Wöchnerinnen, die von den
Wärterinnen mit Leibschüsseln bedient werden müssen, in
den ersten acht Tagen nicht gebraucht werden.

Die Waschanstalt war bis zum Jahre 1852 einem Päch-
ter überlassen, der die Bettwäsche des Gebärhauses und des
Krankenhauses stets vermengte. Jetzt hat jede Anstalt ihren
eigenen Pächter. Am siebenten bis achten Tage mussten we-
gen Ueberfüllung die meisten Wöchnerinnen zum zweiten
Male überlegt werden, wobei sie in das zweite Stockwerk
über eine mit einer Glaswand geschützte Treppe theils zu
Fuss wanderten oder dahin auch übertragen wurden. Am
neunten Tage musste wegen stetem Andrängen Neuankom-
mender jede gesunde Wöchnerin entlassen werden. Nach je
acht Tagen werden daher alle Wöchnerinnen aus einem Saale
entfernt, dessen Boden gescheuert, die schadhaften, beschmutz-
ten Strohsäcke und Wollendecken, sowie alle Leinenwäsche
darin ausgewechselt, und dann wird das gereinigte Wochen-
zimmer so viele Stunden oder Tage hindurch gelüftet, als die
Zahl der Neuaufgenommenen es eben gestatten. Im Winter
bestehen zwei geheizte Kammern zum wiederholten Trocknen
und Wärmen der Wolldecken und Leintücher seit mehreren
Jahren, weil bei dem grossen Verbrauche der Pächter der
Wäscherei diesem nothwendigen Bedürfnisse nicht nachkom-
men konnte. Im Jahre 1850 wurde eine andere Anordnung
der Wochenzimmer getroffen; daher sich gegenwärtig fünf
Zimmer im ersten und vier Zimmer im zweiten Stockwerke
befinden. Dadurch wurden die Patienten des Krankenhau-
ses, welche sich ober dem Wochenzimmer befanden, ent-
fernt, und die Nachtheile des zweimaligen Umlegens einiger-
massen auch dadurch vermieden, indem die Wöchnerinnen

Die Betten stehen unter den Fenstern. Der weiche Bo-
den ist nicht geölt. Die Wände werden jährlich weiss ge-
tüncht. Die wollenen Ober- und Unterdecken werden (oft alle
8 bis 4 Tage) die Bettleinen täglich gewechselt. Die Aborte
sind offen, mit Eisengittern zur Vermeidung des Kindsmor-
des geschützt, und dürfen von Wöchnerinnen, die von den
Wärterinnen mit Leibschüsseln bedient werden müssen, in
den ersten acht Tagen nicht gebraucht werden.

Die Waschanstalt war bis zum Jahre 1852 einem Päch-
ter überlassen, der die Bettwäsche des Gebärhauses und des
Krankenhauses stets vermengte. Jetzt hat jede Anstalt ihren
eigenen Pächter. Am siebenten bis achten Tage mussten we-
gen Ueberfüllung die meisten Wöchnerinnen zum zweiten
Male überlegt werden, wobei sie in das zweite Stockwerk
über eine mit einer Glaswand geschützte Treppe theils zu
Fuss wanderten oder dahin auch übertragen wurden. Am
neunten Tage musste wegen stetem Andrängen Neuankom-
mender jede gesunde Wöchnerin entlassen werden. Nach je
acht Tagen werden daher alle Wöchnerinnen aus einem Saale
entfernt, dessen Boden gescheuert, die schadhaften, beschmutz-
ten Strohsäcke und Wollendecken, sowie alle Leinenwäsche
darin ausgewechselt, und dann wird das gereinigte Wochen-
zimmer so viele Stunden oder Tage hindurch gelüftet, als die
Zahl der Neuaufgenommenen es eben gestatten. Im Winter
bestehen zwei geheizte Kammern zum wiederholten Trocknen
und Wärmen der Wolldecken und Leintücher seit mehreren
Jahren, weil bei dem grossen Verbrauche der Pächter der
Wäscherei diesem nothwendigen Bedürfnisse nicht nachkom-
men konnte. Im Jahre 1850 wurde eine andere Anordnung
der Wochenzimmer getroffen; daher sich gegenwärtig fünf
Zimmer im ersten und vier Zimmer im zweiten Stockwerke
befinden. Dadurch wurden die Patienten des Krankenhau-
ses, welche sich ober dem Wochenzimmer befanden, ent-
fernt, und die Nachtheile des zweimaligen Umlegens einiger-
massen auch dadurch vermieden, indem die Wöchnerinnen

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[519/0531] Die Betten stehen unter den Fenstern. Der weiche Bo- den ist nicht geölt. Die Wände werden jährlich weiss ge- tüncht. Die wollenen Ober- und Unterdecken werden (oft alle 8 bis 4 Tage) die Bettleinen täglich gewechselt. Die Aborte sind offen, mit Eisengittern zur Vermeidung des Kindsmor- des geschützt, und dürfen von Wöchnerinnen, die von den Wärterinnen mit Leibschüsseln bedient werden müssen, in den ersten acht Tagen nicht gebraucht werden. Die Waschanstalt war bis zum Jahre 1852 einem Päch- ter überlassen, der die Bettwäsche des Gebärhauses und des Krankenhauses stets vermengte. Jetzt hat jede Anstalt ihren eigenen Pächter. Am siebenten bis achten Tage mussten we- gen Ueberfüllung die meisten Wöchnerinnen zum zweiten Male überlegt werden, wobei sie in das zweite Stockwerk über eine mit einer Glaswand geschützte Treppe theils zu Fuss wanderten oder dahin auch übertragen wurden. Am neunten Tage musste wegen stetem Andrängen Neuankom- mender jede gesunde Wöchnerin entlassen werden. Nach je acht Tagen werden daher alle Wöchnerinnen aus einem Saale entfernt, dessen Boden gescheuert, die schadhaften, beschmutz- ten Strohsäcke und Wollendecken, sowie alle Leinenwäsche darin ausgewechselt, und dann wird das gereinigte Wochen- zimmer so viele Stunden oder Tage hindurch gelüftet, als die Zahl der Neuaufgenommenen es eben gestatten. Im Winter bestehen zwei geheizte Kammern zum wiederholten Trocknen und Wärmen der Wolldecken und Leintücher seit mehreren Jahren, weil bei dem grossen Verbrauche der Pächter der Wäscherei diesem nothwendigen Bedürfnisse nicht nachkom- men konnte. Im Jahre 1850 wurde eine andere Anordnung der Wochenzimmer getroffen; daher sich gegenwärtig fünf Zimmer im ersten und vier Zimmer im zweiten Stockwerke befinden. Dadurch wurden die Patienten des Krankenhau- ses, welche sich ober dem Wochenzimmer befanden, ent- fernt, und die Nachtheile des zweimaligen Umlegens einiger- massen auch dadurch vermieden, indem die Wöchnerinnen

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/531>, abgerufen am 25.11.2024.