stehung des Puerperalfiebers gekämpft wird. Ich kann hier nicht abermals die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber wider- legen, so wie ich hier nicht abermals meine Lehre begründen kann, denn ich müsste gegenwärtige Schrift hier nochmals ab- schreiben; wir begnügen uns daher mit einer einfachen Appel- lation an diese Schrift, dass die Wahrheit auf meiner und der Irrthum auf Virchow Veit's Seite stehe.
Nur den Ausspruch Veit's: "dass die Mortalitätscurse des Wiener Gebärhauses ein erschreckendes Beispiel liefern," weise ich mit der ganzen Indignation, deren ich fähig bin, zu- rück. Die Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses war nicht erschreckender als an allen anderen Anstalten, in welchen ähnliche Verhältnisse herrschten, und für ein Unglück, welches aus allgemeiner Unwissenheit entspringt, kann Niemand ver- antwortlich gemacht werden. Aber die erschreckende Sterb- lichkeit des Wiener Gebärhauses hat zur Entdeckung der Lehre geführt, wie das Puerperalfieber auf nicht eine todte Wöch- nerin unter 100 Wöchnerinnen zu beschränken sei, während eine ebenso erschreckende Sterblichkeit andererorts keine an- dere Folge hatte, als die Füllung des Leichenhauses. Mit wel- chem Rechte spricht Veit von der erschreckenden Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses, derselbe Veit, welcher der Lehre, wie diese erschreckende Sterblichkeit abzuschaffen sei, noch im Jahre 1855 Opposition macht? Derselbe Veit, welcher diese erschreckende Sterblichkeit atmosphärischen, unserer Einwir- kung entzogenen Einflüssen zuschreibt, und dadurch die Wöch- nerinnen für alle Ewigkeit zu dieser erschreckenden Sterblich- keit verurtheilt?
Mit welchem Rechte leiht Virchow diesem Ausspruche die Autorität seines Namens, derselbe Virchow, welcher zwar meine Lehre noch nicht angegriffen, weil er selbe in seiner Ueberhebung vornehm ignorirt, und deshalb in solcher Unwis- senheit über die Entstehung, den Begriff und die Verhütung des Kindbettfiebers steckt, dass er im Jahre 1858 in der Ge- sellschaft für Geburtshilfe in Berlin einen Vortrag über Puer-
stehung des Puerperalfiebers gekämpft wird. Ich kann hier nicht abermals die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber wider- legen, so wie ich hier nicht abermals meine Lehre begründen kann, denn ich müsste gegenwärtige Schrift hier nochmals ab- schreiben; wir begnügen uns daher mit einer einfachen Appel- lation an diese Schrift, dass die Wahrheit auf meiner und der Irrthum auf Virchow Veit’s Seite stehe.
Nur den Ausspruch Veit’s: „dass die Mortalitätscurse des Wiener Gebärhauses ein erschreckendes Beispiel liefern,“ weise ich mit der ganzen Indignation, deren ich fähig bin, zu- rück. Die Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses war nicht erschreckender als an allen anderen Anstalten, in welchen ähnliche Verhältnisse herrschten, und für ein Unglück, welches aus allgemeiner Unwissenheit entspringt, kann Niemand ver- antwortlich gemacht werden. Aber die erschreckende Sterb- lichkeit des Wiener Gebärhauses hat zur Entdeckung der Lehre geführt, wie das Puerperalfieber auf nicht eine todte Wöch- nerin unter 100 Wöchnerinnen zu beschränken sei, während eine ebenso erschreckende Sterblichkeit andererorts keine an- dere Folge hatte, als die Füllung des Leichenhauses. Mit wel- chem Rechte spricht Veit von der erschreckenden Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses, derselbe Veit, welcher der Lehre, wie diese erschreckende Sterblichkeit abzuschaffen sei, noch im Jahre 1855 Opposition macht? Derselbe Veit, welcher diese erschreckende Sterblichkeit atmosphärischen, unserer Einwir- kung entzogenen Einflüssen zuschreibt, und dadurch die Wöch- nerinnen für alle Ewigkeit zu dieser erschreckenden Sterblich- keit verurtheilt?
Mit welchem Rechte leiht Virchow diesem Ausspruche die Autorität seines Namens, derselbe Virchow, welcher zwar meine Lehre noch nicht angegriffen, weil er selbe in seiner Ueberhebung vornehm ignorirt, und deshalb in solcher Unwis- senheit über die Entstehung, den Begriff und die Verhütung des Kindbettfiebers steckt, dass er im Jahre 1858 in der Ge- sellschaft für Geburtshilfe in Berlin einen Vortrag über Puer-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0488"n="476"/>
stehung des Puerperalfiebers gekämpft wird. Ich kann hier nicht<lb/>
abermals die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber wider-<lb/>
legen, so wie ich hier nicht abermals meine Lehre begründen<lb/>
kann, denn ich müsste gegenwärtige Schrift hier nochmals ab-<lb/>
schreiben; wir begnügen uns daher mit einer einfachen Appel-<lb/>
lation an diese Schrift, dass die Wahrheit auf meiner und der<lb/>
Irrthum auf Virchow Veit’s Seite stehe.</p><lb/><p>Nur den Ausspruch Veit’s: „dass die Mortalitätscurse des<lb/>
Wiener Gebärhauses ein erschreckendes Beispiel liefern,“<lb/>
weise ich mit der ganzen Indignation, deren ich fähig bin, zu-<lb/>
rück. Die Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses war nicht<lb/>
erschreckender als an allen anderen Anstalten, in welchen<lb/>
ähnliche Verhältnisse herrschten, und <choice><sic>fur</sic><corr>für</corr></choice> ein Unglück, welches<lb/>
aus allgemeiner Unwissenheit entspringt, kann Niemand ver-<lb/>
antwortlich gemacht werden. Aber die erschreckende Sterb-<lb/>
lichkeit des Wiener Gebärhauses hat zur Entdeckung der Lehre<lb/>
geführt, wie das Puerperalfieber auf nicht eine todte Wöch-<lb/>
nerin unter 100 Wöchnerinnen zu beschränken sei, während<lb/>
eine ebenso erschreckende Sterblichkeit andererorts keine an-<lb/>
dere Folge hatte, als die Füllung des Leichenhauses. Mit wel-<lb/>
chem Rechte spricht Veit von der erschreckenden Sterblichkeit<lb/>
des Wiener Gebärhauses, derselbe Veit, welcher der Lehre,<lb/>
wie diese erschreckende Sterblichkeit abzuschaffen sei, noch<lb/>
im Jahre 1855 Opposition macht? Derselbe Veit, welcher diese<lb/>
erschreckende Sterblichkeit atmosphärischen, unserer Einwir-<lb/>
kung entzogenen Einflüssen zuschreibt, und dadurch die Wöch-<lb/>
nerinnen für alle Ewigkeit zu dieser erschreckenden Sterblich-<lb/>
keit verurtheilt?</p><lb/><p>Mit welchem Rechte leiht Virchow diesem Ausspruche die<lb/>
Autorität seines Namens, derselbe Virchow, welcher zwar<lb/>
meine Lehre noch nicht angegriffen, weil er selbe in seiner<lb/>
Ueberhebung vornehm ignorirt, und deshalb in solcher Unwis-<lb/>
senheit über die Entstehung, den Begriff und die Verhütung<lb/>
des Kindbettfiebers steckt, dass er im Jahre 1858 in der Ge-<lb/>
sellschaft für Geburtshilfe in Berlin einen Vortrag über Puer-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[476/0488]
stehung des Puerperalfiebers gekämpft wird. Ich kann hier nicht
abermals die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber wider-
legen, so wie ich hier nicht abermals meine Lehre begründen
kann, denn ich müsste gegenwärtige Schrift hier nochmals ab-
schreiben; wir begnügen uns daher mit einer einfachen Appel-
lation an diese Schrift, dass die Wahrheit auf meiner und der
Irrthum auf Virchow Veit’s Seite stehe.
Nur den Ausspruch Veit’s: „dass die Mortalitätscurse des
Wiener Gebärhauses ein erschreckendes Beispiel liefern,“
weise ich mit der ganzen Indignation, deren ich fähig bin, zu-
rück. Die Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses war nicht
erschreckender als an allen anderen Anstalten, in welchen
ähnliche Verhältnisse herrschten, und für ein Unglück, welches
aus allgemeiner Unwissenheit entspringt, kann Niemand ver-
antwortlich gemacht werden. Aber die erschreckende Sterb-
lichkeit des Wiener Gebärhauses hat zur Entdeckung der Lehre
geführt, wie das Puerperalfieber auf nicht eine todte Wöch-
nerin unter 100 Wöchnerinnen zu beschränken sei, während
eine ebenso erschreckende Sterblichkeit andererorts keine an-
dere Folge hatte, als die Füllung des Leichenhauses. Mit wel-
chem Rechte spricht Veit von der erschreckenden Sterblichkeit
des Wiener Gebärhauses, derselbe Veit, welcher der Lehre,
wie diese erschreckende Sterblichkeit abzuschaffen sei, noch
im Jahre 1855 Opposition macht? Derselbe Veit, welcher diese
erschreckende Sterblichkeit atmosphärischen, unserer Einwir-
kung entzogenen Einflüssen zuschreibt, und dadurch die Wöch-
nerinnen für alle Ewigkeit zu dieser erschreckenden Sterblich-
keit verurtheilt?
Mit welchem Rechte leiht Virchow diesem Ausspruche die
Autorität seines Namens, derselbe Virchow, welcher zwar
meine Lehre noch nicht angegriffen, weil er selbe in seiner
Ueberhebung vornehm ignorirt, und deshalb in solcher Unwis-
senheit über die Entstehung, den Begriff und die Verhütung
des Kindbettfiebers steckt, dass er im Jahre 1858 in der Ge-
sellschaft für Geburtshilfe in Berlin einen Vortrag über Puer-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/488>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.