Infection durch Leichengift, als einzigen und wahren Erzeuger des Puerperalfiebers, widerlegte, so kann ich doch die Chlor- waschungen nicht für überflüssig erklären; denn wenn unter den vielen zur Erzeugung der Puerperalfieber concurrirenden Factoren nur der kleinste dadurch für immer vertilgt wird, so bleibt das Verdienst der ersten Einführung noch gross genug. Ob dies aber wirklich der Fall ist, darüber muss erst eine spätere Zukunft entscheiden.
Bis dahin, glaube ich, sollen wir -- warten und waschen."
Der Leser sieht die unerbittliche Lumpe'sche Logik in ihrer Blüthe, es ist ein grosses Verdienst, etwas Absurdes be- hauptet zu haben, Lumpe wird in alle Ewigkeit behaupten, dass der untersuchende Finger nicht das Puerperalfieber er- zeugt, aber darüber wird die Zukunft entscheiden, die Zukunft nach der Ewigkeit? Und wie klein der, das Kindbettfieber er- zeugende Factor ist, welcher durch Chlorwaschungen zerstört wird, ersicht der Leser daraus, dass den übrigen vielen zur Er- zeugung des Puerperalfiebers concurrirenden Lumpe'schen Factoren es nicht einmal gelingt, eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen zu tödten.
Dr. Lumpe setzte seinem Aufsatze das Motto: "Der Wahr- heit eine Gasse" vor; das Motto wäre mehr im Einklange mit dem Aufsatze, wenn es hiesse:
"Der Doppelzüngigkeit eine Gasse."
Als Anhänger meiner Ansicht betheiligten sich an der Discussion Dr. Chiari, Dr. Helm, Dr. Arneth, Prof. Rokitansky.
Dr. Chiari, emeritirter Assistent der I. Klinik, sagt: Die Sterblichkeit der I. Klinik ist von den Verhältnissen abhängig, wie solche von Dr. Semmelweis näher bezeichnet worden sind.
Der prov. Director des allgemeinen Krankenhauses, Dr. Prof. Helm, ebenfalls emeritirter Assistent der I. Klinik, tritt zuerst jenen gegenüber, welche mir die Priorität streitig ma- chen wollen, und jenen, welche meine Ansicht für ganz un- gegründet halten, legt er die Frage zur Beantwortung vor, wo- her es denn komme, dass seit 3 Jahren, seit Einführung der
Infection durch Leichengift, als einzigen und wahren Erzeuger des Puerperalfiebers, widerlegte, so kann ich doch die Chlor- waschungen nicht für überflüssig erklären; denn wenn unter den vielen zur Erzeugung der Puerperalfieber concurrirenden Factoren nur der kleinste dadurch für immer vertilgt wird, so bleibt das Verdienst der ersten Einführung noch gross genug. Ob dies aber wirklich der Fall ist, darüber muss erst eine spätere Zukunft entscheiden.
Bis dahin, glaube ich, sollen wir — warten und waschen.«
Der Leser sieht die unerbittliche Lumpe’sche Logik in ihrer Blüthe, es ist ein grosses Verdienst, etwas Absurdes be- hauptet zu haben, Lumpe wird in alle Ewigkeit behaupten, dass der untersuchende Finger nicht das Puerperalfieber er- zeugt, aber darüber wird die Zukunft entscheiden, die Zukunft nach der Ewigkeit? Und wie klein der, das Kindbettfieber er- zeugende Factor ist, welcher durch Chlorwaschungen zerstört wird, ersicht der Leser daraus, dass den übrigen vielen zur Er- zeugung des Puerperalfiebers concurrirenden Lumpe’schen Factoren es nicht einmal gelingt, eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen zu tödten.
Dr. Lumpe setzte seinem Aufsatze das Motto: „Der Wahr- heit eine Gasse“ vor; das Motto wäre mehr im Einklange mit dem Aufsatze, wenn es hiesse:
„Der Doppelzüngigkeit eine Gasse.“
Als Anhänger meiner Ansicht betheiligten sich an der Discussion Dr. Chiari, Dr. Helm, Dr. Arneth, Prof. Rokitansky.
Dr. Chiari, emeritirter Assistent der I. Klinik, sagt: Die Sterblichkeit der I. Klinik ist von den Verhältnissen abhängig, wie solche von Dr. Semmelweis näher bezeichnet worden sind.
Der prov. Director des allgemeinen Krankenhauses, Dr. Prof. Helm, ebenfalls emeritirter Assistent der I. Klinik, tritt zuerst jenen gegenüber, welche mir die Priorität streitig ma- chen wollen, und jenen, welche meine Ansicht für ganz un- gegründet halten, legt er die Frage zur Beantwortung vor, wo- her es denn komme, dass seit 3 Jahren, seit Einführung der
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[454/0466]
Infection durch Leichengift, als einzigen und wahren Erzeuger
des Puerperalfiebers, widerlegte, so kann ich doch die Chlor-
waschungen nicht für überflüssig erklären; denn wenn unter
den vielen zur Erzeugung der Puerperalfieber concurrirenden
Factoren nur der kleinste dadurch für immer vertilgt wird, so
bleibt das Verdienst der ersten Einführung noch gross genug.
Ob dies aber wirklich der Fall ist, darüber muss erst eine
spätere Zukunft entscheiden.
Bis dahin, glaube ich, sollen wir — warten und waschen.«
Der Leser sieht die unerbittliche Lumpe’sche Logik in
ihrer Blüthe, es ist ein grosses Verdienst, etwas Absurdes be-
hauptet zu haben, Lumpe wird in alle Ewigkeit behaupten,
dass der untersuchende Finger nicht das Puerperalfieber er-
zeugt, aber darüber wird die Zukunft entscheiden, die Zukunft
nach der Ewigkeit? Und wie klein der, das Kindbettfieber er-
zeugende Factor ist, welcher durch Chlorwaschungen zerstört
wird, ersicht der Leser daraus, dass den übrigen vielen zur Er-
zeugung des Puerperalfiebers concurrirenden Lumpe’schen
Factoren es nicht einmal gelingt, eine Wöchnerin von 100
Wöchnerinnen zu tödten.
Dr. Lumpe setzte seinem Aufsatze das Motto: „Der Wahr-
heit eine Gasse“ vor; das Motto wäre mehr im Einklange mit
dem Aufsatze, wenn es hiesse:
„Der Doppelzüngigkeit eine Gasse.“
Als Anhänger meiner Ansicht betheiligten sich an der
Discussion Dr. Chiari, Dr. Helm, Dr. Arneth, Prof. Rokitansky.
Dr. Chiari, emeritirter Assistent der I. Klinik, sagt: Die
Sterblichkeit der I. Klinik ist von den Verhältnissen abhängig,
wie solche von Dr. Semmelweis näher bezeichnet worden sind.
Der prov. Director des allgemeinen Krankenhauses, Dr.
Prof. Helm, ebenfalls emeritirter Assistent der I. Klinik, tritt
zuerst jenen gegenüber, welche mir die Priorität streitig ma-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/466>, abgerufen am 25.11.2024.
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