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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Die Monatsrapporte von Dr. Lumpe's Dienstzeit in den
Jahren 1841 und 1842 findet der Leser Seite 13, Tabelle
Nr. III, die Rapporte aus dem Jahre 1840 folgen hier.

Im Monat September, Geburten 270, Todte 38, M. P. 11,11
" " October " 215, " 63, " 29,30
" " November " 216, " 42, " 14,81
" " December " 222, " 48, " 21,62

Dr. Lumpe sagt: "Wenn das Leichengift die Ursache einer
Krankheit ist, so muss nothwendig die Wirkung desselben (da
man logischer Weise keine spezifische Disposition dafür an-
nehmen kann) in einem directen Verhältnisse zu dieser Ur-
sache stehen, also je häufiger das Leichengift durch den unter-
suchenden Finger etc. auf Wöchnerinnen übertragen wird,
desto häufiger müssen die Erkrankungen und Sterbefälle sein
und umgekehrt."

Ich bin mit Lumpe einverstanden, wenn er sagt, dass, je
häufiger das Leichengift eingebracht wird, desto häufiger die
Erkrankungen und umgekehrt. Aber die Behauptung, dass es
keine spezifische Disposition für das Leichengift gebe, ist wie-
der eine exacte Lumpe'sche Wissenschaft. Die tägliche Er-
fahrung lehrt, dass nicht immer nach Verletzungen bei Sectionen
Pyaemie folgt, sowie nicht alle Kaninchen, denen wir zersetzte
Stoffe einspritzten, an Pyaemie zu Grunde gingen.

Dr. Lumpe sagt: "Sehen wir nun, wie sich die Thatsachen
mit dieser Forderung der unerbittlichen Logik vertragen.
Lumpe sagt, während seiner Dienstzeit sei ein solcher Unter-
schied zwischen dem Maximo und Minimo der Sterblichkeit
vorgekommen, dass man dabei an alles andere, als an eine
gemeinsame sich gleichbleibende Ursache denken könne."

Die gemeinsame Ursache aller Puerperalfieberfälle, welche
je waren, und welche noch entstehen werden, ist allerdings ein
zersetzter thierisch-organischer Stoff, wenn aber Dr. Lumpe
behauptet, dass der zersetzte Stoff eine gleichbleibende Ursache
sei, das heisst, dass die im Gebärhause Beschäftigten immer
im gleichen Grade mit zersetzten Stoffen verunreiniget sind,

Die Monatsrapporte von Dr. Lumpe’s Dienstzeit in den
Jahren 1841 und 1842 findet der Leser Seite 13, Tabelle
Nr. III, die Rapporte aus dem Jahre 1840 folgen hier.

Im Monat September, Geburten 270, Todte 38, M. P. 11,11
» » October » 215, » 63, » 29,30
» » November » 216, » 42, » 14,81
» » December » 222, » 48, » 21,62

Dr. Lumpe sagt: »Wenn das Leichengift die Ursache einer
Krankheit ist, so muss nothwendig die Wirkung desselben (da
man logischer Weise keine spezifische Disposition dafür an-
nehmen kann) in einem directen Verhältnisse zu dieser Ur-
sache stehen, also je häufiger das Leichengift durch den unter-
suchenden Finger etc. auf Wöchnerinnen übertragen wird,
desto häufiger müssen die Erkrankungen und Sterbefälle sein
und umgekehrt.«

Ich bin mit Lumpe einverstanden, wenn er sagt, dass, je
häufiger das Leichengift eingebracht wird, desto häufiger die
Erkrankungen und umgekehrt. Aber die Behauptung, dass es
keine spezifische Disposition für das Leichengift gebe, ist wie-
der eine exacte Lumpe’sche Wissenschaft. Die tägliche Er-
fahrung lehrt, dass nicht immer nach Verletzungen bei Sectionen
Pyaemie folgt, sowie nicht alle Kaninchen, denen wir zersetzte
Stoffe einspritzten, an Pyaemie zu Grunde gingen.

Dr. Lumpe sagt: »Sehen wir nun, wie sich die Thatsachen
mit dieser Forderung der unerbittlichen Logik vertragen.
Lumpe sagt, während seiner Dienstzeit sei ein solcher Unter-
schied zwischen dem Maximo und Minimo der Sterblichkeit
vorgekommen, dass man dabei an alles andere, als an eine
gemeinsame sich gleichbleibende Ursache denken könne.«

Die gemeinsame Ursache aller Puerperalfieberfälle, welche
je waren, und welche noch entstehen werden, ist allerdings ein
zersetzter thierisch-organischer Stoff, wenn aber Dr. Lumpe
behauptet, dass der zersetzte Stoff eine gleichbleibende Ursache
sei, das heisst, dass die im Gebärhause Beschäftigten immer
im gleichen Grade mit zersetzten Stoffen verunreiniget sind,

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[445/0457] Die Monatsrapporte von Dr. Lumpe’s Dienstzeit in den Jahren 1841 und 1842 findet der Leser Seite 13, Tabelle Nr. III, die Rapporte aus dem Jahre 1840 folgen hier. Im Monat September, Geburten 270, Todte 38, M. P. 11,11 » » October » 215, » 63, » 29,30 » » November » 216, » 42, » 14,81 » » December » 222, » 48, » 21,62 Dr. Lumpe sagt: »Wenn das Leichengift die Ursache einer Krankheit ist, so muss nothwendig die Wirkung desselben (da man logischer Weise keine spezifische Disposition dafür an- nehmen kann) in einem directen Verhältnisse zu dieser Ur- sache stehen, also je häufiger das Leichengift durch den unter- suchenden Finger etc. auf Wöchnerinnen übertragen wird, desto häufiger müssen die Erkrankungen und Sterbefälle sein und umgekehrt.« Ich bin mit Lumpe einverstanden, wenn er sagt, dass, je häufiger das Leichengift eingebracht wird, desto häufiger die Erkrankungen und umgekehrt. Aber die Behauptung, dass es keine spezifische Disposition für das Leichengift gebe, ist wie- der eine exacte Lumpe’sche Wissenschaft. Die tägliche Er- fahrung lehrt, dass nicht immer nach Verletzungen bei Sectionen Pyaemie folgt, sowie nicht alle Kaninchen, denen wir zersetzte Stoffe einspritzten, an Pyaemie zu Grunde gingen. Dr. Lumpe sagt: »Sehen wir nun, wie sich die Thatsachen mit dieser Forderung der unerbittlichen Logik vertragen. Lumpe sagt, während seiner Dienstzeit sei ein solcher Unter- schied zwischen dem Maximo und Minimo der Sterblichkeit vorgekommen, dass man dabei an alles andere, als an eine gemeinsame sich gleichbleibende Ursache denken könne.« Die gemeinsame Ursache aller Puerperalfieberfälle, welche je waren, und welche noch entstehen werden, ist allerdings ein zersetzter thierisch-organischer Stoff, wenn aber Dr. Lumpe behauptet, dass der zersetzte Stoff eine gleichbleibende Ursache sei, das heisst, dass die im Gebärhause Beschäftigten immer im gleichen Grade mit zersetzten Stoffen verunreiniget sind,

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/457>, abgerufen am 22.11.2024.