Das was für Scanzoni als Verdienst gelten könnte, das ignorirt Dr. Silberschmidt, den Fehler aber, den Scanzoni be- gangen, den entreisst er der Vergessenheit; ist es nicht ein Fehler, wo nicht mehr, wenn Scanzoni, indem es sich han- delt, zu bestimmen, ob das Puerperalfieber durch atmosphä- rische Einflüsse oder durch Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe, durch Experimente mit Chlorwaschungen heraus- bringt, dass die Wöchnerinnen zufällig und ohne nachweis- bare Ursache am Puerperalfieber sterben.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf gegentheilige Beobach- tungen, die Kiwisch an der Würzburger Klinik gemacht; ob- wohl Kiwisch's Beobachtungen durch den sechsjährigen Er- folg Scanzoni's widerlegt sind.
Obwohl Dr. Silberschmidt Scanzoni's Verdienste ver- schweigt, und dafür seine Fehler der Welt wieder in's Ge- dächtniss ruft, wurde doch die Schrift Silberschmidt's mit einem Preise von einer Körperschaft gekrönt, deren Mitglied Scanzoni ist. Die Erklärung dieser Erscheinung ist sehr leicht.
Silberschmidt musste ja zeigen, dass meine Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers eine irrige sei.
Denn ist meine Ansicht über die Entstehung des Kind- bettfiebers wahr, so ist die Scanzonische Pathologie des Kind- bettfiebers ein colossaler Unsinn, wie wir das an der betreffen- den Stelle bewiesen.
Diese Pathologie musste aber der Welt als die Blüthe der Bemühungen der Jahrhunderte dargeboten werden, und was diesem Vorhaben im Wege steht, findet keine Gnade, selbst die Wahrheit nicht. Dass eine solche Opposition nur aus einer gewissenlosen Unredlichkeit entspringen kann, wird dem unbefangenen Leser einleuchten; Du lieber Gott, wann wird das Puerperalfieber aufhören über ganze Länderstrecken verbreitet vorzukommen, wenn durch solch eine gewissenlose unredliche Opposition die über Länderstrecken verbreiteten Medicinal-Individuen verdummt werden?
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Das was für Scanzoni als Verdienst gelten könnte, das ignorirt Dr. Silberschmidt, den Fehler aber, den Scanzoni be- gangen, den entreisst er der Vergessenheit; ist es nicht ein Fehler, wo nicht mehr, wenn Scanzoni, indem es sich han- delt, zu bestimmen, ob das Puerperalfieber durch atmosphä- rische Einflüsse oder durch Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe, durch Experimente mit Chlorwaschungen heraus- bringt, dass die Wöchnerinnen zufällig und ohne nachweis- bare Ursache am Puerperalfieber sterben.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf gegentheilige Beobach- tungen, die Kiwisch an der Würzburger Klinik gemacht; ob- wohl Kiwisch’s Beobachtungen durch den sechsjährigen Er- folg Scanzoni’s widerlegt sind.
Obwohl Dr. Silberschmidt Scanzoni’s Verdienste ver- schweigt, und dafür seine Fehler der Welt wieder in’s Ge- dächtniss ruft, wurde doch die Schrift Silberschmidt’s mit einem Preise von einer Körperschaft gekrönt, deren Mitglied Scanzoni ist. Die Erklärung dieser Erscheinung ist sehr leicht.
Silberschmidt musste ja zeigen, dass meine Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers eine irrige sei.
Denn ist meine Ansicht über die Entstehung des Kind- bettfiebers wahr, so ist die Scanzonische Pathologie des Kind- bettfiebers ein colossaler Unsinn, wie wir das an der betreffen- den Stelle bewiesen.
Diese Pathologie musste aber der Welt als die Blüthe der Bemühungen der Jahrhunderte dargeboten werden, und was diesem Vorhaben im Wege steht, findet keine Gnade, selbst die Wahrheit nicht. Dass eine solche Opposition nur aus einer gewissenlosen Unredlichkeit entspringen kann, wird dem unbefangenen Leser einleuchten; Du lieber Gott, wann wird das Puerperalfieber aufhören über ganze Länderstrecken verbreitet vorzukommen, wenn durch solch eine gewissenlose unredliche Opposition die über Länderstrecken verbreiteten Medicinal-Individuen verdummt werden?
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Das was für Scanzoni als Verdienst gelten könnte, das
ignorirt Dr. Silberschmidt, den Fehler aber, den Scanzoni be-
gangen, den entreisst er der Vergessenheit; ist es nicht ein
Fehler, wo nicht mehr, wenn Scanzoni, indem es sich han-
delt, zu bestimmen, ob das Puerperalfieber durch atmosphä-
rische Einflüsse oder durch Resorption eines zersetzten Stoffes
entstehe, durch Experimente mit Chlorwaschungen heraus-
bringt, dass die Wöchnerinnen zufällig und ohne nachweis-
bare Ursache am Puerperalfieber sterben.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf gegentheilige Beobach-
tungen, die Kiwisch an der Würzburger Klinik gemacht; ob-
wohl Kiwisch’s Beobachtungen durch den sechsjährigen Er-
folg Scanzoni’s widerlegt sind.
Obwohl Dr. Silberschmidt Scanzoni’s Verdienste ver-
schweigt, und dafür seine Fehler der Welt wieder in’s Ge-
dächtniss ruft, wurde doch die Schrift Silberschmidt’s mit
einem Preise von einer Körperschaft gekrönt, deren Mitglied
Scanzoni ist. Die Erklärung dieser Erscheinung ist sehr leicht.
Silberschmidt musste ja zeigen, dass meine Ansicht über
die Entstehung des Kindbettfiebers eine irrige sei.
Denn ist meine Ansicht über die Entstehung des Kind-
bettfiebers wahr, so ist die Scanzonische Pathologie des Kind-
bettfiebers ein colossaler Unsinn, wie wir das an der betreffen-
den Stelle bewiesen.
Diese Pathologie musste aber der Welt als die Blüthe
der Bemühungen der Jahrhunderte dargeboten werden, und
was diesem Vorhaben im Wege steht, findet keine Gnade,
selbst die Wahrheit nicht. Dass eine solche Opposition nur
aus einer gewissenlosen Unredlichkeit entspringen kann, wird
dem unbefangenen Leser einleuchten; Du lieber Gott, wann
wird das Puerperalfieber aufhören über ganze Länderstrecken
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/447>, abgerufen am 23.11.2024.
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