Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

zeugen, ob denn wirklich je nach dem Stadium der Epidemie
nur gewisse Formen vorkommen, wie besagter Assistent
meinte, durch längere Zeit alle verstorbenen Wöchnerinnen
secirt, und da hat es sich gezeigt, dass an Tagen, an welchen
leider Gelegenheit war, mehrere, ja viele Puerperalleichen
zu seciren, sich die Formen vorfanden, welche den Beginn
der Epidemie. welche der Acme, welche dem Nachlassstadium
zukommen, und es hat auch nicht an Formen gefehlt, welche
eine Recidive der Epidemie anzeigen sollten; eine constant
während einer Epidemie vorherrschend vorkommende Form
haben wir nie beobachtet, und nachdem wir endlich erforscht,
welches die wahre Ursache des Kindbettfiebers sei, fanden
wir es ganz begreiflich, dass es nicht gelungen ist, von Fol-
gen auf eine Ursache einen Schluss zu ziehen, welche Ursa-
chen diese Folgen nicht hervorgerufen.

Und wenn Scanzoni noch im Jahre 1853 in den verschie-
denen Formen, unter welchen das Puerperalfieber vorkommt,
die keinem Zweifel unterliegende Wirkung atmosphärischer
Einflüsse erkennt, so können wir durch eine einfache Bemer-
kung beweisen, dass Scanzoni in einem strafbaren, gefährli-
chen Irrthume befangen ist, denn unter den 1709 innerhalb
sechs Jahre mehr als im Jahre 1848 an der I. Gebärklinik ver-
storbenen Wöchnerinnen befanden sich gewiss zahlreiche
solche Formen, in denen Scanzoni die Wirkung atmosphäri-
scher Einflüsse nicht verkennen kann, und doch haben wir
selbe verhütet, und Scanzoni hat fünf Jahre Zeit gehabt, über
dieses Resultat nachzudenken.

Wenn Scanzoni dadurch beweisen will, dass die atmo-
sphärischen Einflüsse nicht immer erst im Puerperio ihre Wir-
kung entfalten, da das Puerperalfieber schon in der Schwan-
gerschaft entstehe, da während einer Epidemie häufig äus-
serst träge und schwache oder krampfhaft aussergewöhnlich
schmerzhafte Wehen beobachtet werden mit daraus resulti-
rendem langsamen Geburtsverlaufe. Da während einer Epide-
mie, während und nach der Geburt häufiger Metrorrhagien

zeugen, ob denn wirklich je nach dem Stadium der Epidemie
nur gewisse Formen vorkommen, wie besagter Assistent
meinte, durch längere Zeit alle verstorbenen Wöchnerinnen
secirt, und da hat es sich gezeigt, dass an Tagen, an welchen
leider Gelegenheit war, mehrere, ja viele Puerperalleichen
zu seciren, sich die Formen vorfanden, welche den Beginn
der Epidemie. welche der Acme, welche dem Nachlassstadium
zukommen, und es hat auch nicht an Formen gefehlt, welche
eine Recidive der Epidemie anzeigen sollten; eine constant
während einer Epidemie vorherrschend vorkommende Form
haben wir nie beobachtet, und nachdem wir endlich erforscht,
welches die wahre Ursache des Kindbettfiebers sei, fanden
wir es ganz begreiflich, dass es nicht gelungen ist, von Fol-
gen auf eine Ursache einen Schluss zu ziehen, welche Ursa-
chen diese Folgen nicht hervorgerufen.

Und wenn Scanzoni noch im Jahre 1853 in den verschie-
denen Formen, unter welchen das Puerperalfieber vorkommt,
die keinem Zweifel unterliegende Wirkung atmosphärischer
Einflüsse erkennt, so können wir durch eine einfache Bemer-
kung beweisen, dass Scanzoni in einem strafbaren, gefährli-
chen Irrthume befangen ist, denn unter den 1709 innerhalb
sechs Jahre mehr als im Jahre 1848 an der I. Gebärklinik ver-
storbenen Wöchnerinnen befanden sich gewiss zahlreiche
solche Formen, in denen Scanzoni die Wirkung atmosphäri-
scher Einflüsse nicht verkennen kann, und doch haben wir
selbe verhütet, und Scanzoni hat fünf Jahre Zeit gehabt, über
dieses Resultat nachzudenken.

Wenn Scanzoni dadurch beweisen will, dass die atmo-
sphärischen Einflüsse nicht immer erst im Puerperio ihre Wir-
kung entfalten, da das Puerperalfieber schon in der Schwan-
gerschaft entstehe, da während einer Epidemie häufig äus-
serst träge und schwache oder krampfhaft aussergewöhnlich
schmerzhafte Wehen beobachtet werden mit daraus resulti-
rendem langsamen Geburtsverlaufe. Da während einer Epide-
mie, während und nach der Geburt häufiger Metrorrhagien

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0378" n="366"/>
zeugen, ob denn wirklich je nach dem Stadium der Epidemie<lb/>
nur gewisse Formen vorkommen, wie besagter Assistent<lb/>
meinte, durch längere Zeit alle verstorbenen Wöchnerinnen<lb/>
secirt, und da hat es sich gezeigt, dass an Tagen, an welchen<lb/>
leider Gelegenheit war, mehrere, ja viele Puerperalleichen<lb/>
zu seciren, sich die Formen vorfanden, welche den Beginn<lb/>
der Epidemie. welche der Acme, welche dem Nachlassstadium<lb/>
zukommen, und es hat auch nicht an Formen gefehlt, welche<lb/>
eine Recidive der Epidemie anzeigen sollten; eine constant<lb/>
während einer Epidemie vorherrschend vorkommende Form<lb/>
haben wir nie beobachtet, und nachdem wir endlich erforscht,<lb/>
welches die wahre Ursache des Kindbettfiebers sei, fanden<lb/>
wir es ganz begreiflich, dass es nicht gelungen ist, von Fol-<lb/>
gen auf eine Ursache einen Schluss zu ziehen, welche Ursa-<lb/>
chen diese Folgen nicht hervorgerufen.</p><lb/>
        <p>Und wenn Scanzoni noch im Jahre 1853 in den verschie-<lb/>
denen Formen, unter welchen das Puerperalfieber vorkommt,<lb/>
die keinem Zweifel unterliegende Wirkung atmosphärischer<lb/>
Einflüsse erkennt, so können wir durch eine einfache Bemer-<lb/>
kung beweisen, dass Scanzoni in einem strafbaren, gefährli-<lb/>
chen Irrthume befangen ist, denn unter den 1709 innerhalb<lb/>
sechs Jahre mehr als im Jahre 1848 an der I. Gebärklinik ver-<lb/>
storbenen Wöchnerinnen befanden sich gewiss zahlreiche<lb/>
solche Formen, in denen Scanzoni die Wirkung atmosphäri-<lb/>
scher Einflüsse nicht verkennen kann, und doch haben wir<lb/>
selbe verhütet, und Scanzoni hat fünf Jahre Zeit gehabt, über<lb/>
dieses Resultat nachzudenken.</p><lb/>
        <p>Wenn Scanzoni dadurch beweisen will, dass die atmo-<lb/>
sphärischen Einflüsse nicht immer erst im Puerperio ihre Wir-<lb/>
kung entfalten, da das Puerperalfieber schon in der Schwan-<lb/>
gerschaft entstehe, da während einer Epidemie häufig äus-<lb/>
serst träge und schwache oder krampfhaft aussergewöhnlich<lb/>
schmerzhafte Wehen beobachtet werden mit daraus resulti-<lb/>
rendem langsamen Geburtsverlaufe. Da während einer Epide-<lb/>
mie, während und nach der Geburt häufiger Metrorrhagien<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0378] zeugen, ob denn wirklich je nach dem Stadium der Epidemie nur gewisse Formen vorkommen, wie besagter Assistent meinte, durch längere Zeit alle verstorbenen Wöchnerinnen secirt, und da hat es sich gezeigt, dass an Tagen, an welchen leider Gelegenheit war, mehrere, ja viele Puerperalleichen zu seciren, sich die Formen vorfanden, welche den Beginn der Epidemie. welche der Acme, welche dem Nachlassstadium zukommen, und es hat auch nicht an Formen gefehlt, welche eine Recidive der Epidemie anzeigen sollten; eine constant während einer Epidemie vorherrschend vorkommende Form haben wir nie beobachtet, und nachdem wir endlich erforscht, welches die wahre Ursache des Kindbettfiebers sei, fanden wir es ganz begreiflich, dass es nicht gelungen ist, von Fol- gen auf eine Ursache einen Schluss zu ziehen, welche Ursa- chen diese Folgen nicht hervorgerufen. Und wenn Scanzoni noch im Jahre 1853 in den verschie- denen Formen, unter welchen das Puerperalfieber vorkommt, die keinem Zweifel unterliegende Wirkung atmosphärischer Einflüsse erkennt, so können wir durch eine einfache Bemer- kung beweisen, dass Scanzoni in einem strafbaren, gefährli- chen Irrthume befangen ist, denn unter den 1709 innerhalb sechs Jahre mehr als im Jahre 1848 an der I. Gebärklinik ver- storbenen Wöchnerinnen befanden sich gewiss zahlreiche solche Formen, in denen Scanzoni die Wirkung atmosphäri- scher Einflüsse nicht verkennen kann, und doch haben wir selbe verhütet, und Scanzoni hat fünf Jahre Zeit gehabt, über dieses Resultat nachzudenken. Wenn Scanzoni dadurch beweisen will, dass die atmo- sphärischen Einflüsse nicht immer erst im Puerperio ihre Wir- kung entfalten, da das Puerperalfieber schon in der Schwan- gerschaft entstehe, da während einer Epidemie häufig äus- serst träge und schwache oder krampfhaft aussergewöhnlich schmerzhafte Wehen beobachtet werden mit daraus resulti- rendem langsamen Geburtsverlaufe. Da während einer Epide- mie, während und nach der Geburt häufiger Metrorrhagien

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/378
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/378>, abgerufen am 22.11.2024.