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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen, theils durch In-
jectionen verschiedener, von Puerperen gelieferten Secrete
(Lochien, Blut, Eiter) in die Genitalien, oder durch Einimpfung
derselben der Wirkung des deletären Stoffes aussetzen könnte.
Nach der Ansicht des ehrfurchtsvoll Gefertigten haben nur
solche vorurtheilsfrei und öffentlich vorgenommene Experi-
mente beweisende Kraft, und sonderbar erscheint es, dass
dieser so nahe liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner
Seite angeregt wurde.

"Da die Durchführung dieser Vorschläge keinen beson-
deren Schwierigkeiten unterliegt, und sich gewiss jeder Arzt
mit Vergnügen zur Lösung dieser so wichtigen und interessan-
ten Streitfrage bereit zeigen dürfte, so sieht sich Gefertigter,
wenn vom theoretischen Standpunkte kein Einwurf gegen die
von ihm empfohlenen Massregeln erhoben werden kann, ge-
nöthiget, auf die praktische Durchführung derselben um so
mehr zu dringen, als wenn die besagte Krankheit wirklich
contagiös wäre, sämmtliche Gebärhäuser als wahre, vom Staate
unterhaltene Mörderhöhlen betrachtet werden müssen. Stellt
sich aber das Puerperalfieber als nicht contagiös dar, wie es
dem ehrfurchtsvoll Gefertigten mehr als wahrscheinlich ist,
wird vielmehr der Einfluss kosmischer und tellurischer Ver-
hältnisse als Causalmoment sicher gestellt, so entledigt sich
eine hohe k. k. Landesregierung aller jener Vorwürfe, welche
mittelbar auch ihr wegen der Aufrechthaltung der Gebäran-
stalten von so manchen Seiten gemacht werden, fest überzeugt
ist aber Gefertigter, möge das Untersuchungsresultat wie
immer ausfallen, dass sich ein hohes k. k. Landesgubernium
und die von ihm niedergesetzte ärztliche Commission durch
Lösung einer so hochwichtigen Frage ein unsterbliches Ver-
dienst um die Menschheit und um die Wissenschaft erwerben
werde.

Prag, am 29. März 1849.

Dr. Scanzoni m. p."

Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen, theils durch In-
jectionen verschiedener, von Puerperen gelieferten Secrete
(Lochien, Blut, Eiter) in die Genitalien, oder durch Einimpfung
derselben der Wirkung des deletären Stoffes aussetzen könnte.
Nach der Ansicht des ehrfurchtsvoll Gefertigten haben nur
solche vorurtheilsfrei und öffentlich vorgenommene Experi-
mente beweisende Kraft, und sonderbar erscheint es, dass
dieser so nahe liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner
Seite angeregt wurde.

»Da die Durchführung dieser Vorschläge keinen beson-
deren Schwierigkeiten unterliegt, und sich gewiss jeder Arzt
mit Vergnügen zur Lösung dieser so wichtigen und interessan-
ten Streitfrage bereit zeigen dürfte, so sieht sich Gefertigter,
wenn vom theoretischen Standpunkte kein Einwurf gegen die
von ihm empfohlenen Massregeln erhoben werden kann, ge-
nöthiget, auf die praktische Durchführung derselben um so
mehr zu dringen, als wenn die besagte Krankheit wirklich
contagiös wäre, sämmtliche Gebärhäuser als wahre, vom Staate
unterhaltene Mörderhöhlen betrachtet werden müssen. Stellt
sich aber das Puerperalfieber als nicht contagiös dar, wie es
dem ehrfurchtsvoll Gefertigten mehr als wahrscheinlich ist,
wird vielmehr der Einfluss kosmischer und tellurischer Ver-
hältnisse als Causalmoment sicher gestellt, so entledigt sich
eine hohe k. k. Landesregierung aller jener Vorwürfe, welche
mittelbar auch ihr wegen der Aufrechthaltung der Gebäran-
stalten von so manchen Seiten gemacht werden, fest überzeugt
ist aber Gefertigter, möge das Untersuchungsresultat wie
immer ausfallen, dass sich ein hohes k. k. Landesgubernium
und die von ihm niedergesetzte ärztliche Commission durch
Lösung einer so hochwichtigen Frage ein unsterbliches Ver-
dienst um die Menschheit und um die Wissenschaft erwerben
werde.

Prag, am 29. März 1849.

Dr. Scanzoni m. p.“
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[347/0359] Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen, theils durch In- jectionen verschiedener, von Puerperen gelieferten Secrete (Lochien, Blut, Eiter) in die Genitalien, oder durch Einimpfung derselben der Wirkung des deletären Stoffes aussetzen könnte. Nach der Ansicht des ehrfurchtsvoll Gefertigten haben nur solche vorurtheilsfrei und öffentlich vorgenommene Experi- mente beweisende Kraft, und sonderbar erscheint es, dass dieser so nahe liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner Seite angeregt wurde. »Da die Durchführung dieser Vorschläge keinen beson- deren Schwierigkeiten unterliegt, und sich gewiss jeder Arzt mit Vergnügen zur Lösung dieser so wichtigen und interessan- ten Streitfrage bereit zeigen dürfte, so sieht sich Gefertigter, wenn vom theoretischen Standpunkte kein Einwurf gegen die von ihm empfohlenen Massregeln erhoben werden kann, ge- nöthiget, auf die praktische Durchführung derselben um so mehr zu dringen, als wenn die besagte Krankheit wirklich contagiös wäre, sämmtliche Gebärhäuser als wahre, vom Staate unterhaltene Mörderhöhlen betrachtet werden müssen. Stellt sich aber das Puerperalfieber als nicht contagiös dar, wie es dem ehrfurchtsvoll Gefertigten mehr als wahrscheinlich ist, wird vielmehr der Einfluss kosmischer und tellurischer Ver- hältnisse als Causalmoment sicher gestellt, so entledigt sich eine hohe k. k. Landesregierung aller jener Vorwürfe, welche mittelbar auch ihr wegen der Aufrechthaltung der Gebäran- stalten von so manchen Seiten gemacht werden, fest überzeugt ist aber Gefertigter, möge das Untersuchungsresultat wie immer ausfallen, dass sich ein hohes k. k. Landesgubernium und die von ihm niedergesetzte ärztliche Commission durch Lösung einer so hochwichtigen Frage ein unsterbliches Ver- dienst um die Menschheit und um die Wissenschaft erwerben werde. Prag, am 29. März 1849. Dr. Scanzoni m. p.“

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/359>, abgerufen am 22.11.2024.