Quelle genommen werden, ich habe ja dem Leser an betreffen- der Stelle erzählt, dass trotz meiner Wachsamkeit es während zweier Jahre an der Pester geburtshilflichen Klinik geschehen ist, dass wir Infectionsfälle von aussen hatten, in Folge unreiner Bettwäsche und Wäscher und Wärterinnen, die ihre Schuldig- keit nicht thun, kann es ja auch in Prag geben.
Wenn ich nun an Scanzoni's Stelle wäre, und er an meiner, könnte ich ihm nicht mit voller Wahrheit sagen, dass ich die Chlorwaschungen mit Ernst in Gebrauch gezogen habe, des- halb wäre doch der Schluss, dass das Kindbettfieber nicht durch Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe, ein falscher.
Und wenn Scanzoni sagt, dass er keine Anhaltspunkte habe, um diese auffallende Schwankung in der Zahl der Er- krankungen zu erklären, wenn den Chlorwaschungen wirklich ein so grosser Einfluss zukäme, und die Häufigkeit der Erkran- kungen nur durch die bei der Untersuchung stattfindende Leicheninfection bedingt wäre, wenn Scanzoni das fragt, so können wir ihm ohne Zaudern das ernste Studium dieser Schrift empfehlen, zur Gewinnung solcher Anhaltspunkte; ich glaube aber, Scanzoni wäre in grösserer Verlegenheit, wenn wir die Bitte an ihn richten würden, uns als Gegendienst zu sagen, wo man denn eine Belehrung über eine Aetiologie des Kindbettfiebers findet, welche lehrt, dass im Monate März und April von 406 Wöchnerinnen 31 zufällig gestorben sind, und dass dieses zufällige Sterben im Monat Mai durch einen gün- stigeren Genius epidemicus auf Einen Todesfall reducirt wurde, und dass, ohne dass irgend eine Ursache nachweisbar gewesen wäre, im Juni wieder 9, im Juli 2 und im August 8 starben.
Wenn Scanzoni, während er sich gegen Skoda's Vorwurf, die Chlorwaschungen nicht mit Ernst vorgenommen zu haben, vertheidiget, uns ein so sinnloses Geschwätz über die Aetiolo- gie des Kindbettfiebers auftischt, so muss der Leser gleich mir zur Ueberzeugung gelangen, dass Skoda zu milde geurtheilt.
Wenn das Prager Gebärhaus eingestürzt und diese In- dividuen erschlagen worden wären, so hätte Scanzoni die Ur-
Quelle genommen werden, ich habe ja dem Leser an betreffen- der Stelle erzählt, dass trotz meiner Wachsamkeit es während zweier Jahre an der Pester geburtshilflichen Klinik geschehen ist, dass wir Infectionsfälle von aussen hatten, in Folge unreiner Bettwäsche und Wäscher und Wärterinnen, die ihre Schuldig- keit nicht thun, kann es ja auch in Prag geben.
Wenn ich nun an Scanzoni’s Stelle wäre, und er an meiner, könnte ich ihm nicht mit voller Wahrheit sagen, dass ich die Chlorwaschungen mit Ernst in Gebrauch gezogen habe, des- halb wäre doch der Schluss, dass das Kindbettfieber nicht durch Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe, ein falscher.
Und wenn Scanzoni sagt, dass er keine Anhaltspunkte habe, um diese auffallende Schwankung in der Zahl der Er- krankungen zu erklären, wenn den Chlorwaschungen wirklich ein so grosser Einfluss zukäme, und die Häufigkeit der Erkran- kungen nur durch die bei der Untersuchung stattfindende Leicheninfection bedingt wäre, wenn Scanzoni das fragt, so können wir ihm ohne Zaudern das ernste Studium dieser Schrift empfehlen, zur Gewinnung solcher Anhaltspunkte; ich glaube aber, Scanzoni wäre in grösserer Verlegenheit, wenn wir die Bitte an ihn richten würden, uns als Gegendienst zu sagen, wo man denn eine Belehrung über eine Aetiologie des Kindbettfiebers findet, welche lehrt, dass im Monate März und April von 406 Wöchnerinnen 31 zufällig gestorben sind, und dass dieses zufällige Sterben im Monat Mai durch einen gün- stigeren Genius epidemicus auf Einen Todesfall reducirt wurde, und dass, ohne dass irgend eine Ursache nachweisbar gewesen wäre, im Juni wieder 9, im Juli 2 und im August 8 starben.
Wenn Scanzoni, während er sich gegen Skoda’s Vorwurf, die Chlorwaschungen nicht mit Ernst vorgenommen zu haben, vertheidiget, uns ein so sinnloses Geschwätz über die Aetiolo- gie des Kindbettfiebers auftischt, so muss der Leser gleich mir zur Ueberzeugung gelangen, dass Skoda zu milde geurtheilt.
Wenn das Prager Gebärhaus eingestürzt und diese In- dividuen erschlagen worden wären, so hätte Scanzoni die Ur-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0344"n="332"/>
Quelle genommen werden, ich habe ja dem Leser an betreffen-<lb/>
der Stelle erzählt, dass trotz meiner Wachsamkeit es während<lb/>
zweier Jahre an der Pester geburtshilflichen Klinik geschehen<lb/>
ist, dass wir Infectionsfälle von aussen hatten, in Folge unreiner<lb/>
Bettwäsche und Wäscher und Wärterinnen, die ihre Schuldig-<lb/>
keit nicht thun, kann es ja auch in Prag geben.</p><lb/><p>Wenn ich nun an Scanzoni’s Stelle wäre, und er an meiner,<lb/>
könnte ich ihm nicht mit voller Wahrheit sagen, dass ich die<lb/>
Chlorwaschungen mit Ernst in Gebrauch gezogen habe, des-<lb/>
halb wäre doch der Schluss, dass das Kindbettfieber nicht durch<lb/>
Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe, ein falscher.</p><lb/><p>Und wenn Scanzoni sagt, dass er keine Anhaltspunkte<lb/>
habe, um diese auffallende Schwankung in der Zahl der Er-<lb/>
krankungen zu erklären, wenn den Chlorwaschungen wirklich<lb/>
ein so grosser Einfluss zukäme, und die Häufigkeit der Erkran-<lb/>
kungen nur durch die bei der Untersuchung stattfindende<lb/>
Leicheninfection bedingt wäre, wenn Scanzoni das fragt, so<lb/>
können wir ihm ohne Zaudern das ernste Studium dieser<lb/>
Schrift empfehlen, zur Gewinnung solcher Anhaltspunkte; ich<lb/>
glaube aber, Scanzoni wäre in grösserer Verlegenheit, wenn<lb/>
wir die Bitte an ihn richten würden, uns als Gegendienst zu<lb/>
sagen, wo man denn eine Belehrung über eine Aetiologie des<lb/>
Kindbettfiebers findet, welche lehrt, dass im Monate März und<lb/>
April von 406 Wöchnerinnen 31 zufällig gestorben sind, und<lb/>
dass dieses zufällige Sterben im Monat Mai durch einen gün-<lb/>
stigeren Genius epidemicus auf Einen Todesfall reducirt wurde,<lb/>
und dass, ohne dass irgend eine Ursache nachweisbar gewesen<lb/>
wäre, im Juni wieder 9, im Juli 2 und im August 8 starben.</p><lb/><p>Wenn Scanzoni, während er sich gegen Skoda’s Vorwurf,<lb/>
die Chlorwaschungen nicht mit Ernst vorgenommen zu haben,<lb/>
vertheidiget, uns ein so sinnloses Geschwätz über die Aetiolo-<lb/>
gie des Kindbettfiebers auftischt, so muss der Leser gleich mir<lb/>
zur Ueberzeugung gelangen, dass Skoda zu milde geurtheilt.</p><lb/><p>Wenn das Prager Gebärhaus eingestürzt und diese In-<lb/>
dividuen erschlagen worden wären, so hätte Scanzoni die Ur-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[332/0344]
Quelle genommen werden, ich habe ja dem Leser an betreffen-
der Stelle erzählt, dass trotz meiner Wachsamkeit es während
zweier Jahre an der Pester geburtshilflichen Klinik geschehen
ist, dass wir Infectionsfälle von aussen hatten, in Folge unreiner
Bettwäsche und Wäscher und Wärterinnen, die ihre Schuldig-
keit nicht thun, kann es ja auch in Prag geben.
Wenn ich nun an Scanzoni’s Stelle wäre, und er an meiner,
könnte ich ihm nicht mit voller Wahrheit sagen, dass ich die
Chlorwaschungen mit Ernst in Gebrauch gezogen habe, des-
halb wäre doch der Schluss, dass das Kindbettfieber nicht durch
Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe, ein falscher.
Und wenn Scanzoni sagt, dass er keine Anhaltspunkte
habe, um diese auffallende Schwankung in der Zahl der Er-
krankungen zu erklären, wenn den Chlorwaschungen wirklich
ein so grosser Einfluss zukäme, und die Häufigkeit der Erkran-
kungen nur durch die bei der Untersuchung stattfindende
Leicheninfection bedingt wäre, wenn Scanzoni das fragt, so
können wir ihm ohne Zaudern das ernste Studium dieser
Schrift empfehlen, zur Gewinnung solcher Anhaltspunkte; ich
glaube aber, Scanzoni wäre in grösserer Verlegenheit, wenn
wir die Bitte an ihn richten würden, uns als Gegendienst zu
sagen, wo man denn eine Belehrung über eine Aetiologie des
Kindbettfiebers findet, welche lehrt, dass im Monate März und
April von 406 Wöchnerinnen 31 zufällig gestorben sind, und
dass dieses zufällige Sterben im Monat Mai durch einen gün-
stigeren Genius epidemicus auf Einen Todesfall reducirt wurde,
und dass, ohne dass irgend eine Ursache nachweisbar gewesen
wäre, im Juni wieder 9, im Juli 2 und im August 8 starben.
Wenn Scanzoni, während er sich gegen Skoda’s Vorwurf,
die Chlorwaschungen nicht mit Ernst vorgenommen zu haben,
vertheidiget, uns ein so sinnloses Geschwätz über die Aetiolo-
gie des Kindbettfiebers auftischt, so muss der Leser gleich mir
zur Ueberzeugung gelangen, dass Skoda zu milde geurtheilt.
Wenn das Prager Gebärhaus eingestürzt und diese In-
dividuen erschlagen worden wären, so hätte Scanzoni die Ur-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/344>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.