für den 2--3 monatlichen Cursus im Gebärhause billigerweise verpflichten könnte. Im hiesigen Gebärhause sind wir, ohne irgend etwas Experimentelles damit zu bezwecken, allein aus Scrupulositätsrücksichten auf contagionistische Möglichkeiten schon vor mehr als einem Jahre soweit gegangen, dass vor- schriftsweise keiner der Aerzte, Hebammen oder Wärterinnen der Anstalt mit einer obducirten Puerperalleiche in nähere Berührung kömmt; und ohne zu wissen, welchen Antheil dieses Präcautionsmittel unter mehreren anderen an dem verbesserten Gesundheitszustand der Anstalt gehabt haben mag, bin ich der Meinung, dass es fortgesetzt werden mag, so dass wir in Ob- ductionsfällen auf den wohlwollenden Beistand auswärtiger Collegen rechnen müssen."
Hierauf haben wir zu erwiedern, dass es uns auch zweck- mässiger scheint, die Hände nicht zu verunreinigen, als die verunreinigten wieder zu reinigen. Auf dieser Ueberzeugung beruht ja die Bitte um das früher erwähnte Gesetz, welches wir an sämmtliche Regierungen gerichtet. Aber in der unter- geordneten Stellung eines Assistenten, in der ich damals war, konnte ich wohl nicht als Gesetzgeber auftreten, und dass eine Appellation damals an diejenigen, die es hätten bringen können, erfolglos geblieben wäre, kann der Leser daraus entnehmen, dass ja selbst die Commission des Wiener Professoren-Col- legium, welche in dieser Angelegenheit ernannt war, ihre Thätig- keit nicht beginnen durfte. Und wenn Prof. Lewy sagt, dass er nicht weiss, welchen Antheil an dem verbesserten Gesundheits- zustand dieses Präcautionsmittel unter mehreren anderen hatte, so können wir ihm als Massstab zur Beurtheilung den Antheilan führen, den dieses Praecautionsmittel für sich allein auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes des Wiener Gebärhauses hatte, die Sterblichkeit wurde durch dieses Prä- cautionsmittel allein auf 45 Todte unter 3556 Wöchnerinnen im Jahre 1848 herabgedrückt, während ohne dieses Präcau- tionsmittel die Sterblichkeit binnen 6 Jahren bei einer nicht differenten Anzahl von Wöchnerinnen zwischen 237 und 518
für den 2—3 monatlichen Cursus im Gebärhause billigerweise verpflichten könnte. Im hiesigen Gebärhause sind wir, ohne irgend etwas Experimentelles damit zu bezwecken, allein aus Scrupulositätsrücksichten auf contagionistische Möglichkeiten schon vor mehr als einem Jahre soweit gegangen, dass vor- schriftsweise keiner der Aerzte, Hebammen oder Wärterinnen der Anstalt mit einer obducirten Puerperalleiche in nähere Berührung kömmt; und ohne zu wissen, welchen Antheil dieses Präcautionsmittel unter mehreren anderen an dem verbesserten Gesundheitszustand der Anstalt gehabt haben mag, bin ich der Meinung, dass es fortgesetzt werden mag, so dass wir in Ob- ductionsfällen auf den wohlwollenden Beistand auswärtiger Collegen rechnen müssen.«
Hierauf haben wir zu erwiedern, dass es uns auch zweck- mässiger scheint, die Hände nicht zu verunreinigen, als die verunreinigten wieder zu reinigen. Auf dieser Ueberzeugung beruht ja die Bitte um das früher erwähnte Gesetz, welches wir an sämmtliche Regierungen gerichtet. Aber in der unter- geordneten Stellung eines Assistenten, in der ich damals war, konnte ich wohl nicht als Gesetzgeber auftreten, und dass eine Appellation damals an diejenigen, die es hätten bringen können, erfolglos geblieben wäre, kann der Leser daraus entnehmen, dass ja selbst die Commission des Wiener Professoren-Col- legium, welche in dieser Angelegenheit ernannt war, ihre Thätig- keit nicht beginnen durfte. Und wenn Prof. Lewy sagt, dass er nicht weiss, welchen Antheil an dem verbesserten Gesundheits- zustand dieses Präcautionsmittel unter mehreren anderen hatte, so können wir ihm als Massstab zur Beurtheilung den Antheilan führen, den dieses Praecautionsmittel für sich allein auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes des Wiener Gebärhauses hatte, die Sterblichkeit wurde durch dieses Prä- cautionsmittel allein auf 45 Todte unter 3556 Wöchnerinnen im Jahre 1848 herabgedrückt, während ohne dieses Präcau- tionsmittel die Sterblichkeit binnen 6 Jahren bei einer nicht differenten Anzahl von Wöchnerinnen zwischen 237 und 518
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für den 2—3 monatlichen Cursus im Gebärhause billigerweise
verpflichten könnte. Im hiesigen Gebärhause sind wir, ohne
irgend etwas Experimentelles damit zu bezwecken, allein aus
Scrupulositätsrücksichten auf contagionistische Möglichkeiten
schon vor mehr als einem Jahre soweit gegangen, dass vor-
schriftsweise keiner der Aerzte, Hebammen oder Wärterinnen
der Anstalt mit einer obducirten Puerperalleiche in nähere
Berührung kömmt; und ohne zu wissen, welchen Antheil dieses
Präcautionsmittel unter mehreren anderen an dem verbesserten
Gesundheitszustand der Anstalt gehabt haben mag, bin ich der
Meinung, dass es fortgesetzt werden mag, so dass wir in Ob-
ductionsfällen auf den wohlwollenden Beistand auswärtiger
Collegen rechnen müssen.«
Hierauf haben wir zu erwiedern, dass es uns auch zweck-
mässiger scheint, die Hände nicht zu verunreinigen, als die
verunreinigten wieder zu reinigen. Auf dieser Ueberzeugung
beruht ja die Bitte um das früher erwähnte Gesetz, welches
wir an sämmtliche Regierungen gerichtet. Aber in der unter-
geordneten Stellung eines Assistenten, in der ich damals war,
konnte ich wohl nicht als Gesetzgeber auftreten, und dass eine
Appellation damals an diejenigen, die es hätten bringen können,
erfolglos geblieben wäre, kann der Leser daraus entnehmen,
dass ja selbst die Commission des Wiener Professoren-Col-
legium, welche in dieser Angelegenheit ernannt war, ihre Thätig-
keit nicht beginnen durfte. Und wenn Prof. Lewy sagt, dass er
nicht weiss, welchen Antheil an dem verbesserten Gesundheits-
zustand dieses Präcautionsmittel unter mehreren anderen
hatte, so können wir ihm als Massstab zur Beurtheilung den
Antheilan führen, den dieses Praecautionsmittel für sich allein
auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes des Wiener
Gebärhauses hatte, die Sterblichkeit wurde durch dieses Prä-
cautionsmittel allein auf 45 Todte unter 3556 Wöchnerinnen
im Jahre 1848 herabgedrückt, während ohne dieses Präcau-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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